Ehe- und Künstlerpaar: Adele Neuhauser als ­Helene Weigel und Burghart Klaußner als Bert Brecht.  Foto: ARD

Heinrich Breloer nimmt sein nächstes Projekt in Angriff: In einem zweiteiligen Dokudrama porträtiert er den Meisterdichter ­Bertolt Brecht.

Stuttgart - Auch für Heinrich Breloer wachsen die Bäume nicht mehr in den Fernseh-Himmel. Ein Dreiteiler sollte es mal werden, sein Alterswerk über den großen Dramatiker Bertolt Brecht. Ein Dreiteiler wie „Die Manns – ein Jahrhundertroman“, mit dem er vor 15 Jahren so erfolgreich an das Leben des Literatur-Nobelpreisträgers Thomas Mann und dessen illustrer Familie erinnerte. Für „Brecht“, so der Arbeitstitel, rückt die ARD noch zwei Mal neunzig Minuten heraus. Auch wird nicht an Originalschauplätzen gedreht, „aus finanziellen Gründen“, wie Breloer bemerkt. Nicht in Augsburg also, wo Brecht seine Jugendjahre verbrachte, nicht in München, wo er studierte und seine ersten Stücke aufführte, auch nicht am Berliner Ensemble, seinem Theater in der jungen DDR, sondern in Prager Studios, wo im Mai nach fünf Jahre währenden Vorarbeiten die Dreharbeiten beginnen.

Brechts Zeit im Exil nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wird auch deshalb weniger das Thema sein. Aber es ist ja nicht so, als wollte man sich in der ARD nicht mit Heinrich Breloer schmücken. „Brecht“ wird als „Fernsehfilm-Highlight“ angekündigt – und der Fernsehdirektor Jörg Schönenborn sprach bei der Vorstellung des Filmvorhabens von „einem der größten Projekte des WDR“, für das der Kölner Sender gleich noch vier weitere (BR, SWR, NDR, Arte) mit ins Boot holte, um es zu stemmen. Produziert wird der Zweiteiler von der Münchner Bavaria.

Sechzig Stunden Dokumentarmaterial

Für den vielfachen Grimme-, Fernseh-, Emmy- und sonstigen Preisträger Breloer schließt sich mit „Brecht“ ein Kreis. 1978 drehte er mit „Bi und Bidi in Augsburg“ seinen ersten Dokumentarfilm – über den jungen Brecht. „Manchmal haben die Geschichten einen Eigenwillen und wollen weiter erzählt werden“, sagte Breloer. Allerdings hat er fast zu lange gewartet, „es war die letzte Minute“, erklärt der 74-Jährige. 25 Frauen und Männer hat er noch aufgetrieben, die Bertolt Brecht zu Lebzeiten kannten. Sechzig Stunden Dokumentarmaterial hat er in den vergangenen Jahren angehäuft. Material, das er den Archiven und der Forschung zur Verfügung stellen will. Denn im Film wird davon nur ein Bruchteil zu sehen sein. Wie viel, das entscheidet sich erst im Schneideraum, wenn Breloer Spiel-, Archiv- und Interviewszenen montiert. Nach den „Buddenbrooks“, einem reinen Spielfilm, kehrt Breloer also zu dem von ihm maßgeblich geprägten TV-Genre Dokudrama zurück.

Und welcher Brecht wird zu sehen sein? „Jeder trägt Brecht in seiner Seele“, behauptete Breloer, nannte den Dramatiker aber auch einen „unbekannten Kontinent“. Von seinem Privatleben habe Brecht nichts preisgeben wollen, das Private habe für ihn nicht existiert, das Wesentliche, was den Menschen ausmache, sei die Gesellschaft. Allerdings ist einiges von Brechts privaten Vorlieben durchaus bekannt, zum Beispiel die für junge Schauspielerinnen. Brecht und die Frauen: „Man muss das schon auch erzählen und nicht verschweigen“, erklärte Breloer, „so interessant und so richtig wie möglich“. Der Autor und Regisseur will den Menschen Brecht besser verstehen, „der ja auch ein Herz hat, auch wenn er das mehr als Muskel betrachtet hat“. Breloer wird da, denkt man an seine früheren Filme, gewiss sehr akribisch herangehen. Brechts Zeitgenossen habe er nicht nur über Theater und Politik interviewt, er habe sie auch „ganz simple Sachen gefragt: Wie sprach er? Wie hat er gegrüßt? Hatte er ein Gebiss?“

Mit „historischem Pathos“

Für die sicher nicht ganz simple Herausforderung, Brecht zu spielen, hat Breloer mit Burghart Klaußner ein schauspielerisches Schwergewicht gewonnen. Klaußner hatte zuletzt unter anderem den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer gespielt und war auch schon in Breloers Filmen „Das Beil von Wandsbek“ und „Die Staatskanzlei“ über die Barschel-Affäre dabei. Er schätze an Breloer dessen „historisches Pathos“, sagte er in Köln, worunter er die „Empathie für eine Zeit und seine Genossen“ verstanden haben möchte. Die Rolle von Brechts Frau, der Schauspielerin Helene Weigel, hat Adele Neuhauser übernommen, in Deutschland vor allem aus dem Wiener „Tatort“ bekannt.

Außer auf Details aus dem Privatleben des Jahrhundert-Dramatikers darf man vielleicht auch auf neue Einsichten über seine Haltung zur DDR hoffen. Dass er, Breloer, sich erst jetzt wieder mit Brecht beschäftige, habe immerhin den Vorteil gehabt, dass die Zeitzeugen mittlerweile über eine „Altersradikalität“ verfügen und die Schweigegebote der DDR nicht mehr zählten. Und nach dem Tod von Barbara Brecht-Schaller, der Tochter des Schriftstellers, hat sich offenbar auch die Lage an der heiklen Rechte-Front entspannt. Mit den Enkeltöchtern Johanna und Jenny Schall stehe der Sender in gutem Kontakt, sagte die WDR-Redakteurin Barbara Buhl. Beide hätten zugesagt, dass sie den Film nicht verhindern wollen.