Ein Gesetz soll Firmen heimliche Aufnahmen im Büro verbieten. Datenschützer üben Kritik. 

Stuttgart - Arbeitgeber sind gegen das Überwachungsverbot in Unternehmen. Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der heimliche Filmaufnahmen verbietet. Für den Einzelhandel bedeute das Verbot Verluste in Milliardenhöhe, sagt ein Experte. Datenschützern geht das Gesetz nicht weit genug.

Im Lager ist es dunkel. Das Bild ist unscharf. Der Mann ist trotzdem zu erkennen. Eilig steckt er sich Medikamente in die Hose. Er weiß nicht, dass eine Überwachungskamera ihn dabei filmt, wie er seinen Arbeitgeber beklaut. Glaubt man Thomas Bade, Arbeitsrechtsexperte des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE), ist der Mann kein Einzelfall. Bade kritisiert das Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz, das die heimliche Videoüberwachung in Unternehmen verbietet. Gestern stimmte das Kabinett dem Entwurf zu, der im Herbst im Bundestag beraten werden soll. "Wegen Diebstählen gibt es in unserer Branche jährlich Verluste von rund vier Milliarden Euro", sagt Bade. Experten sprechen von einer Inventurdifferenz. Rund eine Milliarde Euro fehle den Arbeitgebern im Einzelhandel pro Jahr, weil Mitarbeiter im Lager oder an der Kasse Waren oder Geld mitgehen lassen. Ohne Videoüberwachung sei es schwer, die Fälle aufzuklären, meint Bade.

Es handele sich hier nicht um Bagatelldelikte, sondern um richtige Straftaten. Er fordert, dass die heimliche Videoüberwachung in Ausnahmefällen und in Absprache mit den Betriebsräten erlaubt sein sollte - so wie bisher. "Das Gesetz ist ein Rückschritt gegenüber der Rechtslage, die über viele Jahre bestand." Nur Toiletten und Umkleideräume sollten grundsätzlich von der Überwachung ausgeschlossen sein, sagt Bade.Das Gesetz dagegen sieht vor, dass Arbeitgeber nur noch öffentlich zugängliche Bereiche wie etwa die Kassenzone in Supermärkten überwachen dürfen. In allen nichtöffentlichen Räumen gilt ein eigener Kriterienkatalog. Voraussetzung für die Videoüberwachung ist ein wichtiges betriebliches Interesse, und vor allem dürfen Arbeitgeber nicht heimlich filmen: Die Maßnahme muss kenntlich gemacht werden.

Datenschützern geht das Gesetz nicht weit genug

Auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisiert den Entwurf. "Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung wird behindert", sagt er. "Daten und Fakten zur Bekämpfung von Korruption dürfen nur erhoben werden, wenn ein konkreter Verdacht auf eine Straftat vorliegt." Es sei dem Arbeitgeber damit künftig nicht mehr möglich, auch Auffälligkeiten und Hinweisen auf Gesetzesverstöße nachzugehen. "Arbeitnehmerdatenschutz darf nicht Täterschutz sein", sagt Hundt. Er plädiert dafür, dass Betriebsvereinbarungen zwischen Unternehmen und Betriebsräten weiterhin möglich sein müssten.

"Diese Kritiken gehen an der Sache vorbei", sagt Sönke Hilbrans, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD). "Beispielsweise im Einzelhandel gibt es nicht flächendeckend Betriebsräte", sagt er. "Und in vielen Branchen stehen die Belegschaften unter enormem Druck. Dann können auch Betriebsräte nicht effektiv und tapfer für den Datenschutz der Belegschaft kämpfen." Er weist darauf hin, dass jede Überwachungserlaubnis anfällig für Missbrauch ist. "Eine Überwachungskamera schaltet sich ja nicht erst dann ein, wenn etwas Strafbares passiert. In der Zwischenzeit werden alle Mitarbeiter gefilmt und kontrolliert, die durchs Bild laufen."

Seiner Meinung nach geht das Gesetz nicht weit genug. "Der Arbeitgeber soll nach dem Entwurf grundsätzlich mit allen im Unternehmen verfügbaren Daten alle im Betrieb vorhandenen Zwecke verfolgen dürfen", sagt er. Das heißt, dass etwa von der Kantinenrechnung Rückschlüsse auf die Gesundheit und Leistung eines Mitarbeiters gezogen werden dürften. Er fordert, dass jede Datenerhebung einen vorher festgelegten Zweck hat und nur dazu verwendet werden darf. "Die Einhaltung von Datenschutzgesetzen ist schwer zu kontrollieren, und Verstöße kommen oft nur durch Zufall ans Licht", sagt Hilbrans. "Dann läuft jede noch so gut gemeinte Regel ins Leere."