Hersteller von Kräuter- und Heilpflanzensäften profitieren von der wachsenden Nachfrage nach sanfter Medizin
Auch Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch war der Einladung zu diesem ökologisch-korrekten Termin gefolgt und radelte, während ihr Fahrer im Dienstwagen Zeitung las, auf einem E-Bike vorneweg. Aus dem Umstand ihrer Anwesenheit war zu schließen, dass im baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium dem Anbau von Heilpflanzen und Kräutern Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Kein Wunder, handelt es sich doch um eine Wachstumsbranche: "In Deutschland werden heute auf rund 10 000 Hektar Fläche Arznei-, Gewürz- und Heilpflanzen angebaut, davon rund 300 Hektar in Baden-Württemberg." Mit rund 40 verarbeitenden Betrieben liege das Land bundesweit an der Spitze. "Die Menschen haben in den vergangenen Jahren ein großes Interesse an Heilpflanzen entwickelt", so Gurr-Hirsch, "viele legen zunehmend Wert auf einen gesunden Lebensstil und entdecken altes Heilwissen neu." Davon profitieren Firmen wie Schoenenberger. Das Unternehmen stellt seit mehr als 80 Jahren Pflanzenpresssäfte her - und setzt dabei überwiegend auf heimischen (Bio-)Anbau. Den hat, bereits in der dritten Generation, der Magstädter Gärtnereibetrieb von Klaus-Dieter Winter übernommen; die andere Hälfte des Rohmaterials kommt vom Sindelfinger Gärtnereibetrieb von Manfred Klauß.
Gärtner Winter strampelt an jenem heißen Spätsommertag von Acker zu Acker: Die Sonnenhut-, Ringelblumen- und Borretsch-Felder blühen gerade. Er spricht von Beikrautregulierung (wie man Unkraut in Schach hält) und dass im vergangenen Jahr deswegen 22000 Hackstunden angefallen seien. Er zeigt den Versuchsanbau des - in Deutschland für den Verzehr nicht zugelassenen, vor allem in Asien aber häufig verwendeten - Süßkrauts Stevia. Und er erzählt, dass man empfindliche Pflanzen wie Basilikum oder Zitronenmelisse bei der Ernte nicht schneiden oder drücken dürfe, "sonst wird beim Trocknen alles schwarz".
Produktmanagerin und Biologin Andrea Frank-Bühler erklärt zudem, dass Schoe-nenberger eine eigene Huflattichsorte ("Wien") kultiviert habe, die "frei von Pyrrolizidin-Alkaloiden ist". Die Abbauprodukte dieser Stoffgruppe sind giftig - sie waren jüngst im Zusammenhang mit durch Jacobskreuzkraut verunreinigtem Rucolasalat in die Schlagzeilen geraten. "Wir sind der einzige deutsche Hersteller, der für Kartoffelsaft eine Arzneimittelzulassung hat", nennt Geschäftsführer Hans-Jürgen Schumacher eine weitere Besonderheit aus seinem Betrieb. Artischocken zum Beispiel, die die Fettverdauung fördern, werden zwar auch in Magstadt angepflanzt, ein Teil wird in der Bretagne zugekauft. Denn Artischockensaft gehört zu den gefragtesten Produkten des Unternehmens - er ist auch Bestandteil der "Schoenenberger Schlankheitskur".
Die Heilpflanzensäfte werden als reiner Presssaft produziert, das heißt, so Andrea Frank-Bühler, "es wird nichts angereichert, und es werden kein Alkohol oder Zucker und auch keine Konservierungsstoffe zugesetzt, es wird nichts konzentriert und nichts extrahiert". Deshalb bilde sich auch ein Bodensatz in den Flaschen.
Doch obwohl der Kräuter- und Heilpflanzenanbau schon allein wegen des Duftes der verschiedenen Pflanzen als vorwiegend sinnliche Angelegenheit anmutet - mit dem Schritt ins Labor und in die Weiterverarbeitung wird das Saftpressen plötzlich zum wissenschaftlich überwachten Prozess, bei dem Dinge wie Schadstoffkontrolle, Keimfreiheit oder die Untersuchung des antioxidativen Potenzials der einzelnen Presssäfte eine entscheidende Rolle spielen.
Am Ende der Fahrradtour an der Scheune des Winter'schen Gärtnereibetriebs wird Geschäftsführer Schumacher von einer Wespe in den Finger gestochen. Biologin Frank-Bühler weiß prompt Rat: "Da können sie ein Spitzwegerichblatt nehmen, ein bisschen zerdrücken und den Saft auf die Einstichstelle reiben - das hilft."