Am Heiligen Vormittag wird kräftig angestoßen. Foto: Michael Steinert

In Esslingen, Kirchheim, Göppingen und Hochdorf feiern die Menschen am 24. Dezember den Heiligen Vormittag. Wer ihn erfunden hat, darüber wird kräftig gestritten.

Esslingen - In Kirchheim wird er gefeiert, in Göppingen auch – und in Esslingen sowieso. Nürtingen versucht, mit einem organisierten Kulturfest am Vorabend, dem 23. Dezember, dagegenzuhalten. Und selbst im vergleichsweise kleinen Hochdorf gibt es in diesem Jahr am 24. Dezember zum ersten Mal einen Heiligen Vormittag.

Was in den südöstlich der Landeshauptstadt Stuttgart gelegenen Landkreisen seit Jahren, teilweise schon seit Jahrzehnten zum festen Ritual vieler Menschen am Morgen des 24. Dezember gehört, ist andernorts in der Region immer noch vollkommen unbekannt. Heiliger Vormittag – mit diesem Begriff können die Menschen in Waiblingen, Ludwigsburg, Böblingen oder Sindelfingen nichts anfangen.

Kleine Flucht aus der Innerlichkeit

Für die Nichteingeweihten: Es handelt sich dabei um eine Zusammenrottung vieler Menschen, die vor allem mit dem Ziel in die Innenstädte pilgern, dort unter freiem Himmel Freunde, die man oft ein ganzes Jahr lang nicht gesehen hat, zu treffen und mit ihnen nicht selten alkoholischen Getränken zu frönen. Der ehemalige Stuttgarter-Zeitungs-Redakteur Helmar M. Heger hat es einmal so formuliert: „Man trifft sich, man schwätzt und begibt sich bewusst auf kleine Fluchten aus der Innerlichkeit.“ Für manchen sei der Heilige Vormittag „ein Rahmen, um wenigstens eine gewisse Zeit dem verlogenen Besinnlichkeitsgeschwafel zu entrinnen“. Gegen 13 Uhr steuere „die Geselligkeit im Pulk fonmäßig jenen Bereichen entgegen, bei denen Wohlmeinende von Ruhestörung, weniger Duldsame von vorsätzlicher Körperverletzung sprechen“.

So wird es voraussichtlich auch dieses Jahr wieder sein. Zwar ist in den Hochburgen des Heiligen Vormittags kurz darüber nachgedacht worden, ob es sich schickt, an einem Sonntag den Heiligen Vormittag zu genehmigen. Doch anfängliche Bedenken sind schnell vom Tisch gewischt worden. In Esslingen gibt es die Ausschankerlaubnis für Freiluftgastronomie von 10 Uhr an. Ein offizielles Ende gebe es zwar nicht, erklärt der Esslinger Ordnungsamtsleiter Gerhard Gorzellik. Die Erfahrung zeige aber, dass die Wirte zwischen 14 und 16 Uhr das Spektakel beenden, weil sie selber noch Weihnachten feiern wollen. Weil es in diesem Jahr die Laufkundschaft, die normalerweise den Vormittag des 24. Dezembers für letzte Einkäufe nutzt, nicht geben werde, rechnet er sogar mit einem etwas geringerem Auftrieb rund um Postmichelbrunnen und Rossmarkt.

Rücksicht auf die Kirchgänger

In Kirchheim hat die Verwaltung den Ausschank in diesem Jahr auf die Zeit zwischen 11 und 14 Uhr beschränkt – und will damit Rücksicht auf die Kirchgänger nehmen. In Göppingen wiederum ist der Heilige Vormittag eingebunden in die Waldweihnacht auf dem Marktplatz. Die Stände dort haben ohnehin bis zum 29. Dezember geöffnet.

Auch wenn mancher Göppinger die Erfindung des Heiligen Vormittags für sich reklamiert: Die Idee zu dieser Traditionsveranstaltung ist bereits vor rund 50 Jahren, Mitte der 60-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, im Posthörnle in der Esslinger Pliensaustraße geboren worden. Von dort breitete sich der Heilige Vormittag im Lauf der Jahre über das Einhorn in der Heugasse und die Windmühle in der Obertorstraße in die ganze Stadt aus.