Nicht nur Gudrun Nopper packte bei der Essensausgabe mit an. Auch ihr Ehemann Frank Nopper, der zukünftige Stuttgarter Oberbürgermeister, war dabei, Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Evangelische Gesellschaft (Eva) und die Bahnhofsmission in Stuttgart unterstützten an Heiligabend Bedürftige durch die Ausgabe von Essen. Gudrun Nopper, die Frau des zukünftigen Stuttgarter Oberbürgermeisters, packt nicht nur an Heiligabend mit an.

Stuttgart - Geschäftig eilt Gudrun Nopper die Rampe vor dem Eingang zur Stuttgarter Bahnhofsmission hinab. Mit den besten Weihnachtswünschen drückt sie zwei wartenden Herren Papiertüten in die Hand. Der Inhalt: Rinderrouladen mit Apfelrotkraut und Kartoffelpüree. Finanziert wurde das kostenlose Weihnachtsmenü To Go für Bedürftige über eine Aktion, die die Frau des kommenden Oberbürgermeisters kurz vor Weihnachten initiiert hatte. Pro 10 Euro Spende kann eine warme Mahlzeit serviert werden. „Es sind 50.000 Euro zusammengekommen“, verrät Antje Weber, Leiterin der Anlaufstelle begeistert. „Das ermöglicht es uns, der heutigen Aktion im kommenden Jahr weitere folgen zu lassen.“

Die Nachfrage am Donnerstagmittag ist groß. Schon nach einer halben Stunde sind 70 Portionen verteilt. Mehr als 100 wurden vorbereitet und liebevoll verpackt. Jörg Mink, Leiter der Gastronomie auf Schloss Solitude hat nicht nur gekocht, sondern auch eigenhändig Gutsle gebacken, die die Gabe zum Heiligabend komplettieren. „Als Frau Nopper anfragte, war sofort klar, dass ich mich beteilige“, sagt er. „Weihnachten beginnt im Herzen und es ist ein gutes Gefühl, jemandem etwas Gutes tun zu können.“

„Durch die Pandemie haben viele Rentner ihre Nebenjobs verloren“

Jochen Alber, Geschäftsführer der Dehoga Baden-Württemberg sieht das genauso. Er hat das Fahrzeug für den Essens-Transport zur Verfügung gestellt. Es sei wichtig, gerade über die Festtage auch an die zu denken, die gerne vergessen würden, betont er und freut sich über die Solidarität, die sich im Spendenergebnis niederschlägt. „Besonders berührt hat mich die Post einer älteren Dame, die mir persönlich 20 Euro geschickt hat“, berichtet Gudrun Nopper, die sich auch in Backnang sozial engagiert. „Dass wir so viel Geld zusammenbekommen haben, zeigt zudem, dass die Stuttgarter ein großes Herz haben.“

Vor allem ältere Menschen nehmen das Angebot in Anspruch. Einige mit spürbaren Hemmungen. „Durch die Pandemie haben viele Rentner ihre Nebenjobs verloren“, gibt Weber zu verstehen. „Das Problem der Altersarmut ist größer geworden. Für viele Betroffene ist das eine neue Situation. Ich bin froh, dass wir die Möglichkeit haben, dem zumindest ein wenig entgegenzuwirken.“ Abgewiesen wird niemand. Einem sichtlich desorientierten Herrn wird zunächst eine FFP2-Maske vermacht, ehe er seine Rouladenration erhält. Auch die DB-Sicherheitsbeamten zeigen sich geduldig und verständnisvoll.

Auch bei Eva’s Stall gibt es eine Mahlzeit

Geduld benötigen auch jene, die bei Eva’s Stall für eine Mahlzeit Schlange stehen. Hier ist die Kost am Donnerstag rustikaler. Würstchen und Kartoffelsalat werden gereicht. Außerdem erhalten die Besucher der Weihnachtsfeier, die 1945 für ausgebombte und hungernde Menschen ins Leben gerufen wurde, einen Rucksack mit Lebkuchen, einem Handtuch, Duschgel und Saft. Wer mag kann außerhalb des abgesperrten Terrains zwischen Bibelmuseum und Haus der Diakonie warten, bis die Ausgabe beginnt. Viele sind allerdings gekommen, um auch etwas geistige Nahrung mitzunehmen. Pfarrer Klaus Käpplinger und seine Kollegin Stephanie Pfander gestalten im Freien eine Weihnachtsandacht mit Bläsermusik. Im Vergleich zu den Vorjahren, ist die Zahl der Anwesenden deutlich geschrumpft. Mehr als 150 Gottesdienstteilnehmer sind aufgrund der Corona-Regeln ohnehin nicht zulässig.

Genug zu tun haben die 40 als „Stallengel“ gekennzeichneten Helferinnen und Helfer dennoch. Die meisten von ihnen sind ehrenamtlich im Einsatz. Neben organisatorischen Aufgaben nehmen sie sich Zeit, mit den Menschen zu reden, die 2020 auf das Gemeinschaftserlebnis im Warmen verzichten müssen. Wie im Bahnhof, so gilt auch in der Büchsenstraße: Gegessen werden muss anderswo. „Wir sind froh, dass wir wenigstens in dieser Form etwas für jene tun können, die einsam sind“, so Käpplinger. „Wir haben dazu geraten, dass jeder, der eine Alternative hat, lieber die Alternative nutzen soll, damit es hier nicht zu voll wird. Wer nun hier ist, soll sich aber auch unter Corona-Bedingungen angenommen fühlen. Wir sind sozusagen gemeinsam auf Abstand.“ „Das ist besser als nichts“, findet Gerd (58), der im vergangenen Jahr erstmals bei Eva’s Stall war. „Mir hat es so gut gefallen, dass ich wiedergekommen bin, auch wenn heute alles anders ist.“

Es freue ihn, zu sehen, wie viele auch jüngere Leute bereit seien, sich für andere zu engagieren, stellt Käpplinger, der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Gesellschaft fest. „Ich sehe eine große Bereitschaft, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Das ist wunderbar.“ Dass sich in den 75 Jahren, die Eva’s Stall besteht, nichts daran geändert hat, dass Menschen in der an sich so wohlhabenden Stadt Not leiden, gibt ihm hingegen zu denken. Für sie wird an gleicher Stelle auch am 1. Weihnachtstag ein Gottesdienst mit anschließender Verköstigung stattfinden.