In Heilbronn steht eine Pflegeoma vor Gericht. Foto: dpa

Über Jahre ist sie seine geliebte „Oma Elisabeth“. Doch dann soll die Pflegoma ihren „Enkel“ erwürgt und tot in die Badewanne gelegt haben. War es die Verlustangst einer alleinlebenden Witwe?

Heilbronn - „Er war so kalt. Furchtbar kalt.“ Wie so oft im warmen Bett habe sie sich neben ihren nassen Sohn gelegt, nachdem ihr Mann das tote Kind aus der Badewanne gehoben und im Wohnzimmer auf den Boden gelegt hatte. Tränenerstickt und schluchzend erzählt die 41 Jahre alte Mutter am Dienstag im Landgericht Heilbronn vom schrecklichsten Tag ihres Lebens. Sie habe ihrem bereits steifen Sohn Wärme geben wollen. „Das war das Einzige, was ich tun konnte.“ Es war längst zu spät. Die Pflegeoma, eine 70-Jährige aus Künzelsau, soll den sieben Jahre alten Jungen Ende April getötet und in ihre Badewanne gelegt haben. Sie steht wegen Totschlags vor Gericht. Und sie sagt bisher kein Wort.

„Warum?“, ruft die Mutter

„Sie war wie eine Oma für uns“, erzählt die Mutter. Auch ihr einziges Kind habe stets von „Oma Elisabeth“ gesprochen. Über die Jahre sei die Angeklagte eng an die Familie herangewachsen. Zwischen Kind und Seniorin sei es „Liebe auf den ersten Blick“ gewesen, berichtet der Vorsitzende Richter Roland Kleinschroth aus Akten. Im Kita-Alter sei der Junge oft mehrmals die Woche bei der Pflegeoma gewesen. Vor allem, wenn er krank war, beide Eltern aber zur Arbeit mussten. Sehr gerne habe der Junge auch bei „Oma Elisabeth“ übernachtet. So wie es auch am 27. April 2018 sein sollte. Die Eltern wollten zu einem Konzert. Was sie nicht häufig taten. „Unser ganzes Leben war auf ihn ausgerichtet. Er war unser Mittelpunkt, unser Ein und Alles.“

„Warum?“, ruft die Mutter gegen Ende ihrer Aussage schluchzend in Richtung der Angeklagten. „Elisabeth, das kannst Du uns doch sagen.“ Nach einer Pause fügt sie bittend hinzu. „Lass uns nicht zurück in dem schwarzen Loch.“ Richter Kleinschroth verspricht den Eltern, im Laufe des Prozesses alles zu tun, dass sie doch noch eine Antwort bekommen. Laut Staatsanwaltschaft hat die Angeklagte die zuletzt länger werdenden Trennungszeiten mit dem Jungen nicht mehr ertragen. Daher habe sie sich entschlossen, das Kind zu töten, berichtet Staatsanwalt Harald Lustig aus der Anklageschrift.

Mehr als 30 Zeugen sind geladen

Der Vater will den Jungen am 28. April abholen. Als niemand öffnet, kommt er mit seiner Frau später erneut zurück zum Haus der Angeklagten. Die Rollläden sind teils noch unten, keiner antwortet. Ein Nachbar hat einen Schlüssel, zu dritt durchsucht man das Einfamilienhaus. Lange hieß es bei den Behörden, der Vater habe den toten Jungen entdeckt. Doch am Dienstag erzählt die Mutter von ihrem Blick ins Badezimmer: „Da war Wasser in der Wanne. Ganz hoch. Es war dunkel. Dann sah ich Ole in der Wanne drin. Als ob er schläft.“

Bei der Pflegeoma habe sie sich stets wohl gefühlt, berichtet die Mutter mehrfach an diesem ersten Prozesstag. „Und Ole auch.“

Die Angeklagte wird 1948 in der heute 15 000 Einwohner zählenden Kleinstadt Künzelsau geboren. Sie macht ihren Hauptschulabschluss und eine Hauswirtschaftslehre in Köln. Geheiratet wird 1970. Sie lässt sich zur Krankenschwester ausbilden. Ihr Mann, ein Beamter, ist bereits seit einigen Jahren tot. Bis zu ihrer Festnahme am Abend des 28. April lebt sie allein im Eigenheim. Ihre Chefin habe sie ihr als Pflegeoma empfohlen, erzählt die Mutter des toten Jungen. Nach der Tat versteckt sich die Angeklagte bis zum nächsten Abend am Ufer des Kocher, heißt es. Bei ihrer Rückkehr zum Haus wird sie festgenommen.

Das Landgericht hat zunächst neun Verhandlungstermine benannt. Mehr als 30 Zeugen sind geladen. Das Urteil könnte am 30. Januar fallen.