Auf der MS Europa wurde am Montag (11. Juli) das 100-jährige Jubiläum der Neckar AG gefeiert. Foto: privat

Angesichts der Energie-Krise fordern seit Wochen Politiker die Bevölkerung auf, möglichst sparsam zu sein. Über die Aktion der EnBW, zu mehr als 90 Prozent in öffentlicher Hand, wundert sich deshalb so mancher.

Zur nachträglichen Jubiläumsfeier „100 Jahre Neckar AG“, einer Tochter der EnBW, wurde mal eben mit der „MS Europa“ ein Schiff aus dem 120 Kilometer entfernten Heidelberg nach Stuttgart gefahren, wie der Schwarzwälder Bote schreibt.

EnBW: Bis zu 1200 Liter unnötiger Diesel-Verbrauch

Um der Politik-Prominenz – Bundesverkehrsminister Volker Wissing (52, FDP) und Stuttgarts OB Frank Nopper (61, CDU) waren auch dabei – eine zwanzigminütige Neckar-Flussfahrt zu ermöglichen, wurden so pro Leer-Überführungsfahrt geschätzte 600 Liter synthetischer Diesel (XtL = X-to-Liquid) verbrannt.

Ziel des Ausflugs mit Sektempfang – zufälligerweise genau an dem Tag, an dem Nord Stream 1 abgeschaltet wurde – war das 20 Minuten entfernte Münster. Die Überfahrt der MS Europa von Heidelberg nach Stuttgart hat nach Experten-Schätzungen einfach knapp 16 Stunden, also ca. vier Arbeitstage gedauert.

EnBW hat offensichtlich ganz besondere Anforderungen an ein Schiff 

Auf Fragen des Schwarzwälder Boten hat EnBW-Sprecherin Dagmar Jordan (60) am Montag noch nicht geantwortet, der "Bild" teilte sie mit: „Wir haben in Stuttgart angefragt. Aber dort stand kein entsprechendes Schiff zur Verfügung.“ Betonung auf „entsprechendes“: Welche Voraussetzungen das Schiff haben musste, haben wir ebenfalls angefragt.

Als Alternative hätte allerdings die „MS Wilhelma“ des „Neckarkäpt’n“ zur Verfügung gestanden. Diese wurde auch besichtigt, sei nach Besichtigung durch die Neckar AG für den „hochrangingen Besuch“ aber angeblich nicht angemessen gewesen.

MS Wilhelma oder die Electra standen zur Verfügung

Weitere Variante: das vollelektrische Fahrgastschiff „Electra“, das seit Ende Januar 2021 in Stuttgart seinen Heimathafen gefunden hat und emissionsfrei mit bis zu 150 Personen seinen Dienst erledigt. Vor der Komplettsanierung 2021 war die „Electra“ in der Eifel unterwegs. „Auch dieses Schiff hätte zur Verfügung gestanden“, sagt Jens Caspar (55).

Der Geschäftsführende Gesellschafter von „Neckarkäpt’n“ wundert sich, wieso die EnBW in Zeiten von Gasknappheit so agiert. „Man hätte viel Geld sparen können und die Umwelt nicht unnötig belasten müssen“, kritisiert er.

Volker Wissing: Sein Ministerium öffnete sogar die Schleusen

Pikant: Auch Bundesminister Volker Wissing hat vermutlich von der Überfahrt der MS Europa von Heidelberg nach Stuttgart gewusst oder hätte es wissen können. Denn sein Ministerium hätte im Normalfall eine Sondergenehmigung ausstellen müssen, damit das Schiff diverse Schleusen passieren konnte, die für „normale Reeder“ derzeit wegen Reparaturarbeiten – laut Homepage der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes – geschlossen sind.

Eine Anfrage unserer Redaktion beim BMDV, wie die Abläufe gewesen sind und was das Ministerium gewusst hat, blieb bisher unbeantwortet. In einer ersten Stellungnahmen hieß es zunächst lapidar: „Der Minister war bei besagtem Termin lediglich zu Gast. Organisator war die EnBW. Bitte richten Sie Ihre Anfrage dorthin.“