Auftakt zum Tag der Vielfalt in der Aula des Heidehof-Gymnasiums Foto: Georg Linsenmann

Am evangelischen Heidehof-Gymnasium hat zum ersten Mal ein „Tag der Vielfalt“ mit Workshops und Stadterkundungen stattgefunden. Statt Deutsch und Mathe gab es Rollenspiele und mehr.

S-Ost - Bunt flattern die Wimpel im Morgenwind, leuchten in der aufsteigenden Sonne und führen im Zickzack hinunter Richtung Aula. Sie bestimmen an diesem Tag noch mehr das Bild im Außenbereich des Heidehof-Gymnasiums auf der Gänsheide, als die gemalten Durchhalteparolen fürs Abi, mit denen die Stützmauer drapiert ist: „Ihr rockt das! Ihr schafft das! Probier’s halt!“ Die mentalen Vitaminspritzen klingen aber auch hübsch zusammen mit dem, wofür die bunten Wimpel wehen: Für den Aufbruch in ein neues Konzept, mit dem die alte „Suchtberatung“ mit Zeigefinger und Rauschbrille, mit Zigaretten-Koffer und Polizei-Präsenz ad acta gelegt wird. Dass es erfrischend sein kann, alte Zöpfe abzuschneiden, zeigt schon der Auftakt des neuen „Vielfalt-Tages“ in der vollen Aula, wo die prächtige Big Band feine Töne und einen ordentlichen Energieschub beschert.

Werte, Haltungen, Erfahrung

Inhaltlich setzt dann der Schulleiter Berthold Lannert das Vorzeichen: „Wir schaffen es, in der Vielfalt unserer Schule jeden Tag neu miteinander zurechtzukommen. Über die Unterschiedlichkeit können wir unseren Horizont erweitern und daraus neue Chancen für unsere Zukunft schöpfen.“ Florian Hafer, mit Isabel Wünsch „Präventions-Lehrer“ am Heidehof-Gymnasium, betont, dass Schule mehr sei „als die Summe der Unterrichtsfächer“. Es gehe auch „um Werte, Haltungen, Erfahrungen“. Entsprechend Name und Zielrichtung des neuen Konzeptes: „Zusammen stark im Leben“.

Dann geht es klassenweise in die Workshops, am Nachmittag teilweise auch in die Stadt hinunter. Etwa in die Synagoge, zu Pro Familia oder zur Obdachlosenzeitung „Trott-war“, mit einer Stadtführung zu „Orten der Armut“. Vielfalt wird also altersgemäß thematisch ausgefächert. Religiös, sozial oder hinsichtlich sexueller Identität. Für die Klasse 8a steht ein Planspiel zu ethnischer und kultureller Vielfalt auf dem Programm, das Melanie Schmitt vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg anleitet. „Integration“ ist das Thema, der fiktive Protestbrief von „besorgten Eltern“ der Ausgangspunkt, alles also durchaus realitätsnah. Sie wollen verhindern, dass ihre Kinder „Schaden leiden“ durch die angekündigte Aufnahmen von 45 Flüchtlingskindern. Alle bekommen Rollenblätter, werden Hausmeister, Eltern, Sozialarbeiter oder Schüler, Bürgermeister, Unternehmer, Geflüchtete. In Gruppen sortieren sie die Thematik und das breite Spektrum der Positionen.

Ein offener, tabufreier demokratischer Prozess

Dann steigt die „Versammlung“. Und nicht nur Nora und Sebastian, das Klassensprecher-Duo, läuft in der Moderatorenrolle zu Hochform auf, spielt die Bälle hin und her, fordert Stellungnahmen ein, hält die widerstreitenden Positionen aus. Die ganze Klasse wirft sich mit Verve in die Debatte, fast eine volle Stunde lang. Es geht hin und her, mit klarer Argumentation oder angstgetränkten Ressentiments, auch mal mit ordentlich Temperament: die astreine, lebhafte Simulation eines offenen, tabufreien demokratischen Prozesses!

Schließlich findet man in einem Kompromiss zusammen: Es soll eine Flüchtlingsklasse eingerichtet werden – und darüber hinaus ein Sponsoren-Pool zwecks Finanzierung zusätzlicher Lehrerstunden. Hafer ist mehr als angetan von seinen Achtern: „Das ist eine fitte Klasse, und wir haben auch schon Rollenspiele gemacht. Aber so ernsthaft, wie sie hier ihre Rollen angenommen und vertreten haben, habe ich das noch nicht erlebt. Und man musste kein einziges Mal eingreifen!“ Zudem sei eine „realistische Lösung“ gefunden worden.

Am Tag darauf sagt Hafer: „Ich habe auch aus den anderen Gruppen gute Rückmeldungen bekommen, auch schon positive Mails von Eltern.“ Kurzum: „Bei den Jüngsten könnte man nachbessern. Insgesamt aber scheint das neue Konzept auf Anhieb zu sitzen. Ich denke, das waren richtig gute Erfahrungen für die jungen Leute.“ Was sich auch so sagen ließe: Die haben das gerockt!