Schön hoch: Die Wagen der SSB wünscht sich der Ludwigsburger Landrat, der OB jedoch lehnt sie komplett ab. Foto: Lichtgut/Archiv

Rainer Haas geht endgültig auf Konfrontation zu Werner Spec. Der Kreischef fühlt sich vom Oberbürgermeister hintergangen – und rückt von der Doppelstrategie ab. Stattdessen setzt er voll auf die SSB-Hochflurbahn.

Ludwigsburg - So aufgebracht hat man Rainer Haas selten erlebt. Eine Stunde echauffiert sich der Landrat am Freitag über den Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec und dessen Verhalten in der Stadtbahndebatte – ohne Rücksicht auf Verluste. Denn Haas spricht nicht im stillen Kämmerlein, sondern vor Journalisten. Dass Haas und Spec sich bei diesem Thema nicht grün sind, ist lange bekannt, aber bislang versuchten beide stets, nach Außen hin gut Wetter zu machen. Das Fass zum Überlaufen brachte jetzt aber eine Broschüre, die die Stadt am Donnerstag unters Volk gebracht hat und in der vor allem die Vorzüge von Schnellbussen gepriesen werden. Die Busse also, die Spec so liebt und von denen Haas so wenig hält.

Auf dem Heftchen ist neben dem Signet der Stadt auch das des Landratsamtes zu finden. „Das ist mit mir nicht abgesprochen“, poltert Haas, „weder der Zeitpunkt der Veröffentlichung, noch der Inhalt“. Schon gar nicht könne er hinter den Aussagen stehen, die in der Broschüre abgedruckt sind: Etwa jene, dass von 2020 an ein Wasserstoffzug nach Markgröningen fahre: „Alle Punkte, die uns wichtig sind, werden nicht erwähnt.“

Peter Spear, der Sprecher der Stadt, weist die Vorwürfe zurück: „Wir haben uns über die Inhalte mit verantwortlichen Personen des Landratsamtes abgestimmt.“ Die Änderungsvorschläge seien eingearbeitet worden. Im Kreishaus habe man gewusst, dass das Papier erscheint.

Kleines Problem, gravierende Folgen

Es handelt sich um eine Nichtigkeit, doch die Folgen könnten gravierend sein. Seit Jahren beharken sich Haas und Spec wegen der Frage, ob im Kreis – zwischen Remseck, Ludwigsburg und Markgröningen – eine Stadtbahnstrecke gebaut werden soll. Mühsam hatten sie sich 2017 zu einem Kompromiss durchgerungen, zur Doppelstrategie, die da lautet: Haas plant eine Niederflur-Stadtbahn, Spec Schnellbusse und zusätzlich neue Zugverbindungen nach Markgröningen und in den Süden.

So richtig stand keiner zu der Vereinbarung. Spec trieb emsig die Planung der Schnellbuslinien voran und erklärte, dass dank dieser Busse vielleicht gar keine Stadtbahn mehr nötig sei. Haas wiederum ließ immer wieder durchblicken, was er von den Bussen hält: nämlich nichts. Und auch die Niederflurtechnik sieht er kritisch.

Wenn überhaupt eine Bahn, kommt für Ludwigsburg allerdings nur Niederflur infrage. Diese Bahnen sind stadtverträglicher, weil sie über einen niedrigen Einstieg verfügen und keine Hochbahnsteige benötigen. Allerdings gibt es diese Technik nirgendwo sonst in der Region, weshalb Haas viel lieber mit der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) kooperieren und das etablierte SSB-Netz mit den gelben Hochflurbahnen ausbauen lassen würde.

Der Landrat ist verwirrt

Vor dem Hintergrund des neuerlichen Streits mit Ludwigsburg ist für ihn der Moment für eine erneute Initiative gekommen. „Wir sollten uns überlegen, ob nicht doch die Hochflurbahn die bessere Variante ist“, sagt er am Freitag. Diese sei mit 167 Millionen Euro gegenüber 217 Millionen Euro deutlich günstiger und könne mit der SSB-Infrastruktur schnell umgesetzt werden. „Wir würden eine historische Chance verpassen“, sagt der Kreischef und appelliert an die Ludwigsburger, ihre Haltung zu überdenken. Wobei deren Haltung, das hat nun auch Haas gemerkt, ziemlich uneinheitlich ist. „Viele Stadträte sagen, sie wollten in Wirklichkeit überhaupt keine Stadtbahn. Was soll ich noch glauben?“

Für Haas ist der Zeitpunkt auch deshalb günstig, weil sich unlängst mehrere Bürgermeister für einen Ausbau des Hochflurnetzes stark gemacht haben. Der Ditzinger OB Michael Makurath fordert eine Verlängerung der U 13 von Hausen nach Ditzingen, und in Korntal-Münchingen hofft man auf einen Ausbau der U 15. Passend dazu hat sich Bosch jetzt öffentlich dafür stark gemacht, diese Linie gar von Stammheim bis Schwieberdingen zu führen – nämlich bis zum dortigen Bosch-Standort mit seinen 6500 Mitarbeitern. Auch im direkten Umfeld von Ludwigsburg, etwa in Remseck, sieht man Niederflur mit Skepsis.

Das Problem ist nur: Für eine Hochflurbahn durch Ludwigsburg wird es in der Barockstadt wohl nie eine Mehrheit geben. „Wer das vorschlägt, der fährt alle Stadtbahnpläne gegen die Wand“, schimpft etwa der Freie-Wähler-Rat Andreas Rothacker. Selbst die Grünen waren nie für eine Hochflurbahn, die sie nicht mit dem barocken Stadtbild für vereinbar halten. Der OB Werner Spec hat noch am Dienstag verkündet: „Wenn wir jetzt wieder über Hochflur reden, laufen wir Gefahr, dass die nächsten zehn Jahre gar nichts passiert.“

Haas ficht das nicht an. „Wir sind dafür da, dass wir unsere Meinung kundtun“, sagt er. „Wenn es nachher anders kommt, ist das auch in Ordnung.“ Ein völliges Scheitern der Stadtbahnpläne wolle er nicht, betont Haas. Stattdessen hofft er, dass die Ludwigsburger in der Sommerpause noch einmal in sich gehen, um dann im Herbst die richtige Entscheidung zu treffen.