Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) verspricht Aufklärung rund um die Panne bei der Vergabe des Auftrags für ein neues Sturmgewehr für die deutschen Soldaten. (Archivbild) Foto: dpa/Michael Kappeler

Hätten Verteidigungsministerium und Beschaffungsamt mögliche Patentprobleme bei der Vergabe des Sturmgewehrauftrags früher erkennen müssen? Der Koalitionspartner fordert Aufklärung von Kramp-Karrenbauer.

Berlin - Nach dem überraschenden Stopp im Verfahren zum Kauf eines neuen Sturmgewehrs für die Bundeswehr fordern nicht nur Oppositionsvertreter, sondern auch der Koalitionspartner SPD eine Erklärung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). „Wir werden sehr klar untersuchen müssen, wer dafür Verantwortung trägt“, sagte die SPD-Verteidigungspolitikerin Siemtje Möller unserer Zeitung. „Das ist eine erneute Megapanne.“ Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht Kramp-Karrenbauer in der Pflicht, den Vorgang aufzuklären. Angesichts eines „solchen Desasters“ bleibe ihr „die Spucke weg“, sagte Strack-Zimmermann.

 

Das Verteidigungsministerium hatte die Vergabe des neuen Sturmgewehrs der Bundeswehr an den Thüringer Hersteller C.G. Haenel am Freitag zurückgezogen. Die Begründung: Eine Patentrechtsverletzung durch Haenel zulasten des unterlegenen Konkurrenten Heckler und Koch aus Oberndorf am Neckar sei „nicht auszuschließen“.

Auftragsumfang: 120.000 neue Gewehre

Nach der Vergabe des Auftrags zur Lieferung von 120.000 neuen Sturmgewehren für knapp 250 Millionen Euro an Haenel hatte Heckler und Koch schriftlich beim Beschaffungsamt der Bundeswehr (BAIINBw) protestiert. Dadurch habe das Beschaffungsamt „erstmalig nachprüfbar“ von einer möglichen Patentrechtsverletzung durch Haenel Kenntnis erlangt, hieß es in der Mitteilung des Ministeriums.

Nach Einschätzung von Möller hätte das Problem jedoch schon viel früher auffallen müssen. „Wenn es im Fall des Sturmgewehrs um eine Patentrechtsverletzung geht, muss irgendwer in der juristischen Abteilung des Ministeriums oder im Beschaffungsamt der Bundeswehr gepennt haben und dies nicht ordentlich abgefragt haben“, sagte die SPD-Politikerin.

Wer ist für die Panne verantwortlich?

Auch Strack-Zimmermann sieht Versäumnisse im Zuständigkeitsbereich von Kramp-Karrenbauer: „Es muss jetzt genau hingeschaut werden, wer im Bundesverteidigungsministerium dafür verantwortlich ist, und wie dieser dilettantische Fehler im BAAINBw hat geschehen können“, sagte sie unserer Zeitung. Offensichtlich sei dort die Vergabe nicht korrekt gelaufen. „Es ist klar, dass das Verfahren deswegen jetzt angehalten wird.“

Das Verteidigungsministerium hatte Mitte September mitgeteilt, dass das Unternehmen Haenel aus Suhl die Bundeswehr mit dem neuen Sturmgewehr beliefern soll. Die Entscheidung war eine Überraschung, da Heckler und Koch die Bundeswehr seit Jahrzehnten mit Schnellfeuergewehren ausrüstet.

G36 war in die Kritik geraten

Das neue Sturmgewehr sollte das in die Kritik geratene G36-Gewehr von Heckler und Koch ersetzen. Die FDP habe immer bezweifelt, ob dies überhaupt notwendig sei, sagte Strack-Zimmermann. Leidtragender sei nun die Truppe. „Betroffen sind einmal mehr die Soldatinnen und Soldaten, die nach dieser Panne jetzt erneut lange warten müssen, bis sie das neue Gewehr bekommen“, kritisierte die Bundestagsabgeordnete. „Das wird vermutlich jetzt lange auf sich warten lassen.“

Lesen Sie hier aus unserem Plus-Angebot: Der Kampf um das neue Sturmgewehr

Im Moment ist offen, bis wann der Auftrag endgültig vergeben werden kann. „Wir erwarten nun eine klare Ansage von Kramp-Karrenbauer, wie es mit dem Verfahren weitergehen soll“, sagte Strack-Zimmermann.

Kramp-Karrenbauer hatte es sich eigentlich zur persönlichen Aufgabe gemacht, die Probleme bei der Beschaffung neuer Ausrüstung für die Truppe zu beenden. „Ja, die Einsatzbereitschaft muss besser werden. Ja, unsere Beschaffung muss besser werden“, sagte die Verteidigungsministerin etwa Anfang Februar auf der Bundeswehrtagung in Berlin. In den folgenden Monaten machten der Ministerin dann vor allem rechtsextreme Umtriebe in der Truppe zu schaffen, die Schwierigkeiten beim Einkauf der Ausrüstung holten Kramp-Karrenbauer erst kürzlich wieder ein.

Die Bundeswehr braucht ihre Ausrüstung

Ende September musste ihr Ministerium erst kleinlaut mitteilen, dass das Beschaffungsamt das Verfahren für die Suche nach dem neuen schweren Transporthubschrauber der Bundeswehr gestoppt hat. Es habe sich herausgestellt, dass eine „Realisierung des Projektes im geplanten Finanzrahmen bei gleichzeitiger Erfüllung aller Forderungen unwahrscheinlich“ sei, hieß es. Auch dies ein „Desaster“, findet Möller. Am Freitag folgte dann die Mitteilung zu dem Sturmgewehr.

„Das Beschaffungswesen bei der Bundeswehr muss so aufgestellt werden, dass solche Pannen nicht mehr passieren“, sagte Möller. „Wir können als Bundesrepublik nicht immer blamiert dastehen und die Bundeswehr muss an ihre Ausrüstung kommen.“ Es gebe seit Jahren Probleme und Verzögerungen beim Beschaffungswesen. „Insofern muss sich auch die Hausleitung fragen lassen, welche Versäumnisse ihr vorzuwerfen sind“, sagte die SPD-Verteidigungsexpertin. „Die Ministerin muss da Ordnung reinbringen.“