Möwen im Flug – dass diese Vögel nicht harmlos sind, weiß man spätestens seit Alfred Hitchcock. Foto: Getty

Vor 17 Jahren erteilte ein Nobelhotel in Kanada Nick Burchill lebenslänglich Hausverbot. Jetzt darf er wieder kommen. Schuld waren damals hungrige Möwen und ein Koffer voller Salami.

Victoria - Das „Fairmont Empress“ ist eines der bekanntesten Hotels in Kanada. Die Luxusherberge wurde 1908 von der Eisenbahngesellschaft Canadian Pacific gebaut und liegt malerisch am Hafen der westkanadischen Großstadt Victoria. Von der Terrasse aus hat man einen wunderbaren Blick aufs Meer, auf schneebedeckte Gipfel, auf Segelschiffe und Wasserflugzeuge, die hier alle paar Minuten anlanden.

Weltweit bekannt ist das „Empress“ auch für seine britische Tee-Tradition, der hier gepflegt wird wie in kaum einem anderen Hotel in Kanada. Darjeeling, Earl Grey oder Assam gefällig? Dazu Törtchen, Snacks und Sandwiches mit englischem Flair? Bei so viel Eleganz versteht es sich von selbst, dass auch die Queen schon hier gespeist hat, dazu Premierminister, Hollywood-Stars und Promis aus aller Welt.

Die Geschichte ist so verrückt, dass man sie kaum glauben mag

Weniger kultiviert war dagegen ein Vorfall im „Empress“ vor 17 Jahren, über den dieser Tage ganz Kanada schmunzelt. Dabei geht es um ein Zimmer im vierten Stock, einen Kurzschluss, um gierige Möwen, Würste und einen Gast, der in dem Gebäude so viel Chaos verursacht hatte, dass er sein Leben lang aus dem Hotel verbannt wurde – bis ihm jetzt späte Gnade zuteil wurde.

Nick Burchill aus Halifax hatte das „Empress“ im April 2001 als Gast besucht und dabei eine Kette von Ereignissen ausgelöst, die jetzt weltweit die Runde machen, seit er sie vor ein paar Tagen auf Facebook erzählt hat. Die Geschichte ist so verrückt, dass man sie kaum glauben mag, aber das „Empress“ hat bestätigt, dass sie sich tatsächlich so zugetragen hat.

Nach seiner Rückkehr traute er seinen Augen nicht

Die Geschichte, wie Burchill sie erzählt, beginnt mit einem Koffer voller Salami, die der Geschäftsmann aus seiner Heimat mitgebracht hatte. Burchill war seinerzeit ein Reservist in der kanadischen Marine und die Wurst war als Gastgeschenk für befreundete Kameraden in Victoria gedacht. „Ich hatte mir vorgenommen, ein ganzes Schiff mit Salami versorgen“, erzählt Burchill.

Doch einmal in Victoria angekommen hatte er ein Problem: Wie nur sollte er die Würste frisch halten? Die Zimmer im „Empress“ hatten damals noch keine individuellen Kühlschränke, also breitete Burchill die Salami auf der Fensterbank aus und öffnete zu Kühlung das Fenster. Dann ging er einige Stunden spazieren und das Unheil nahm seinen Lauf.

Nach seiner Rückkehr traute er seinen Augen nicht. Ein Schwarm von rund 40 Möwen war durch das Fenster in sein Zimmer eingedrungen und hatte sich über die Salami hergemacht. Der Raum war übersät mit Federn und Vogelkot – und nicht nur das: „Was ich vorher nicht wusste: Möwen sabbern auch. Besonders wenn sie Salami fressen“, beschreibt Burchill die Szene.

Ein Tornado aus Vogelkot, Federn und Salamistücken

Doch es kam noch schlimmer: Als Burchill die Vögel wieder verscheuchen wollte, flatterten diese panisch im Zimmer herum und richteten ein Chaos an. „Es war wie ein Tornado aus Vogelkot, Federn und Salamistücken. Alles wirbelte durch den Raum, die Lampen fielen um, die Gardinen rissen und der Kaffeetisch war vollkommen versaut.“ Eine Möwe vertrieb er, indem er mit einem Schuh nach ihr warf.

Über eine andere Möwe stülpte er ein Handtuch und warf sie eingewickelt ebenfalls aus dem Fenster. Schuh, Handtuch und Möwe landeten im Garten auf einer Gruppe anderer Hotelgäste, die gerade auf dem Weg zum Nachmittags-Tee waren. Als Burchill den Schuh säubern und trocknen wollte, fiel dabei zu allem Überfluss auch noch der Badezimmerföhn ins Wasser und löste einen Kurzschluss aus.

Der Kurzschluss führte zu einem Stromausfall, worauf Burchill schließlich das Hotel einweihte: „Ich erinnere mich noch an den Blick der Hoteldame, als sie die Zimmertüre öffnete.“ Der Übeltäter wurde in ein kleineres Zimmer verlegt und später des Hotels verwiesen und zwar lebenslang.

Der Übeltäter bat das Hotel nach 17 Jahren in einem Brief um Verzeihung

Dieser Bann galt bis vor ein paar Tagen. Denn als Burchill dieses Jahr zu Ostern wieder nach Victoria kam, bat er das Empress nach mehr als 17 Jahren in einem Brief ganz offiziell um Entschuldigung. Hoteldirektorin Indu Brar zögerte nicht, das Hausverbot aufzuheben und stellte dem Übeltäter von einst sogar eine offizielle Begnadigungsurkunde der Hotelleitung aus.

„Wir fanden es liebenswert, dass er sich die Zeit genommen hat, die Sache in Ordnung zu bringen. Nick Burchill ist ein bemerkenswerter Geschichtenerzähler und ich betrachte ihn als einen Freund des „Empress““, sagte Brar dieser Zeitung und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Er darf jederzeit wiederkommen, jedenfalls so lange er die Salami zu Hause und die Hotelfenster geschlossen lässt.“