Marion Bentrup vom Tierschutzverein Backnang stellt fest, dass in jüngerer Zeit vermehrt alte und kranke Katzen als Fundtiere in Tierheimen landen. Foto: Julian Rettig

Viele Tierheime in der Region erleben in den vergangenen Monaten eine regelrechte Schwemme an Fundtieren – aber die Coronapandemie ist nicht der einzige Grund.

Eine „Katzenschwemme“ hat Winnenden erreicht: „Wir sind am Limit“, sagt Dagmar Deuschle. 42 Katzen und Kater, die meisten davon Fundtiere, seien im Tierasyl am Zipfelbach untergebracht, berichtet die Tierheimleiterin. Die meisten Stubentiger seien „Corona-Tiere“, die voreilig angeschafft und nun wieder abgegeben oder ausgesetzt wurden. „Wir sind schon jetzt überfüllt“, sagt Deuschle und befürchtet, dass in nächster Zeit noch mehr Fundtiere dazukommen. Als einen Grund nennt sie die gestiegenen Tierarztkosten.

Höhere Tierarztkosten seit 22. November

Seit dem 22. November gilt eine neue Gebührenordnung in den Tierkliniken und -arztpraxen, die höhere Preise für Untersuchungen und Behandlungen mit sich bringt. So werden für die Untersuchung eines Hundes statt 13,50 nun 23,62 Euro fällig, die einer Katze kostet statt 8,98 Euro nun mindestens 23,62 Euro. Für Impfungen von Hund und Katze werden statt 5,80 mindestens 11,50 Euro berechnet. Wobei es sich hier um die einfachen Gebührensätze handelt. In der Praxis liegen die tatsächlichen Kosten oft weit darüber. Denn je nach Schwierigkeit, Zeitaufwand, Wert des Tieres und örtlichen Verhältnissen können die Tierärzte auch den zwei- oder dreifachen Satz abrechnen; im Notdienst gegebenenfalls sogar den vierfachen Satz. Dass sich wegen der Kosten mancher Halter von seinem Haustier trennen wird, da ist sich Deuschle sicher: „Uns wurde kürzlich ein Hund angekündigt, der abgegeben werden soll, weil sich die Halter die Kosten für das Tier nicht mehr leisten können.“ Dass es sich um einen schwierig zu führenden Kangal-Owtscharka-Mix handle, mache die Sache nicht einfacher. Drei Hundezimmer gebe es im Tierheim und damit Platz für maximal acht Hunde, „allerdings nur, wenn sie sich untereinander vertragen“. Und es würden sicher noch viele weitere abgegebene Tiere, sowohl Hunde als auch Katzen, dazukommen. Längst nicht alle Tiere würden von ihren Haltern persönlich abgegeben. Katzen würden oft auch irgendwo ausgesetzt.

Diese Erfahrung hat auch Marion Bentrup vom Tierschutzverein Backnang gemacht. Generell seien etwa 80 Prozent aller Katzen und Kater Fundtiere, sagt Bentrup, die auch das Tierheim in Großerlach leitet. Dort seien in den vergangenen Tagen vermehrt alte und kranke Fundkatzen abgegeben worden. „Die waren alle in einem elenden Zustand, völlig abgemagert, mal mit Nierenerkrankung, Schilddrüsenerkrankung oder schlechten Zähnen.“ Jedes der Tiere hätte einen Behandlung beim Veterinär dringend nötig gehabt. „Auffallend ist, dass keine jungen Fundkätzchen dabei sind, sondern es nur alte und kranke Katzen waren.“ Weil sich das Tierheim gerade in einer Umbauphase befindet, gibt es dort nur eingeschränkt Platz. Momentan seien es 32 Katzen, zwei Kaninchen und ein dutzend Hunde. Bentrup geht davon aus, dass sich die Zahl der abgegeben Tier noch weiter erhöht. „Viele Halter gehen selten zum Tierarzt und haben die Erhöhung noch gar nicht wirklich mitbekommen“, sagt sie. „Ich denke, das kommt noch und wirkt sich dann auch noch deutlicher aus.“

Seit dem Sommer voll belegt

Ähnlich sieht das Sabine Hermann, die Vorsitzende des Tierschutzvereins Schorndorf. „Direkt spüren wir von der Gebührenerhöhung noch keine Auswirkungen, dafür ist es noch zu früh – aber das wird auf jeden Fall noch ein Thema werden.“ Das Tierheim am Hegnauhofweg 3 sei dennoch seit Monaten hoffnungslos belegt. Platz gibt es für maximal fünf Hunde, 25 Katzen sowie einige Kleintiere wie Kaninchen und Meerschweinchen. „Wir sind seit diesem Sommer voll und können keine Tiere aufnehmen“, sagt Sabine Hermann. Die Warteliste sei lang. Sie selbst habe zwei Katzen privat bei sich untergebracht, um die Situation ein wenig zu entlasten.

Viele Abgaben und wenige Anfragen

Als Grund für die Belegungsdichte führt sie die Coronapandemie an, während der sich viele Menschen leichtfertig ein Haustier angeschafft hätten. Viele Hunde, die abgegeben werden, seien im Jahr 2020 geboren. „Die Leute merken jetzt, welchen Aufwand es bedeutet, sich um ein Haustier zu kümmern.“

Zum hohen zeitlichen Aufwand komme nun noch für viele der finanzielle Aspekt hinzu. Doch die hohen Kosten wirkten sich nicht nur auf die zunehmende Zahl an abzugebenden Tiere aus. „Es gibt leider beide Extreme – es werden auch immer weniger Tiere bei uns angefragt.“ Kleine Kätzchen zum Beispiel hätte man ihr früher fast aus den Händen gerissen. „Heute überlegen es sich die Leute wegen der Kosten zweimal, ob sie sich überhaupt ein Tier anschaffen.“

Ein unterschätzter, kostspieliger Besitz

Gebührenverordnung
 Nach mehr als 20 Jahren wurde die Gebührenordnung für Tierärzte erneuert. Zuletzt war dies 1999 der Fall. Zwar gibt es bei manchen Behandlungen Anpassungen nach unten. Die meisten Tierarztbesuche werden jedoch teurer. Info unter www.bundestieraerztekammer.de.

Corona-Tiere
 Im Zuge des Haustierbooms haben sich viele Leute in der Pandemie Tiere angeschafft, ohne an langfristige Konsequenzen zu denken. Auffallend viele Hunde etwa, die 2020 geboren wurden, werden nun derzeit wieder abgegeben – schlecht sozialisiert und schwer vermittelbar.