Vor allem Kurse für Welpen sind bei Hundevereinen zurzeit gefragt. Foto: dpa/Patrick Pleul

In der Pandemie haben sich etliche Menschen ein Haustier zugelegt. In der Folge sind Hundevereine und deren Kurse gefragt wie selten zuvor. Zum Beispiel in Leinfelden-Echterdingen, dort sind die Kurskapazitäten nahezu erschöpft.

Filder/Esslingen - Fahrrad-Boom, Swimmingpool-Boom, Tiefkühlpizzen-Boom: Corona trägt die seltsamsten Blüten und beschert den unterschiedlichsten Branchen einen ungeahnten Aufschwung. Auch der Verein der Hundefreunde Echterdingen und Umgebung (VdH) erlebt laut dem Vorsitzenden Andreas Rößle aktuell ein Hoch wie nie zuvor. Er spricht von zwei- bis dreimal so vielen Anfragen, vor allem die Welpen- und Grundkurse würden „überrannt“. Ob die hohe Nachfrage mit Corona zusammenhängt? So konkret formuliere das keiner der Interessenten, aber „der Schluss liegt nah“, sagt er.

Tatsächlich werden seit dem Ausbruch der Pandemie Hundezüchter und -vermittler mit Anfragen überschüttet. „So viele Anrufe hatte ich noch gar nie“, sagte etwa Andrea Schlegel, die Vorsitzende von Vergessene Pfoten Stuttgart mit Sitz in Riedenberg, Mitte April gegenüber unserer Zeitung. Der Verein vermittelt Tiere aus ausländischen Tötungsstationen nach Deutschland. Was der Run mit Corona zu tun hat, da konnte Andrea Schlegel nur mutmaßen. „Es ist wohl eine Kombination. Die Leute langweilen sich, sind gern draußen in der Natur, und sie sind jetzt viel daheim“, sagte sie.

Die Zahl der Kurse aufgestockt

Aktuell trainieren beim VdH 75 Mensch-Hund-Teams. Vor einem Jahr seien es 45 bis 50 gewesen. Folglich mussten das Gelände zweigeteilt und die Zahl der Kurse aufgestockt werden. Für die ehrenamtlichen Trainer heißt das, dass sie etwa 50 Prozent mehr leisten müssen. Das bringt den 120 Mitglieder starken Club allmählich an seine Grenzen. „Wir wollen ja Qualität bieten“, betont Andreas Rößle. In machen Sparten wurde bereits ein Aufnahmestopp mit Wartelisten verhängt.

Das Ganze ist keine Echterdinger Spezialität. Auch Sabine Adam-Beck, die Welpentrainerin beim Steinenbronner Verein Hund und Mensch, spricht von „sehr vollen“ Kursen, „ich muss bestimmt einmal die Woche jemandem absagen“. Sharleena Hauser steht den Hundefreunden Stuttgart mit Sitz in Kaltental vor und bestätigt die Eindrücke. „Ich frage mich, wo die ganzen Welpen herkommen“, sagt sie. Obwohl ihr Club aktuell keine Junghundekurse anbietet, klingelt bei ihr oft das Telefon – auch, weil sie sowohl als Züchterin als auch als Hundetrainerin auftritt. „Die Nachfrage ist gigantisch“, sagt sie. Sigi Bütefisch, der Vorsitzende des Vereins für Deutsche Schäferhunde, Ortsgruppe Bernhausen, berichtet ebenfalls von gesteigertem Interesse, denn sein Buch „Antijagd-Training und Erziehung“, das er 2017 veröffentlicht hat, wird aktuell wieder häufiger verkauft. Er glaubt, dass vielen jetzt, nach einem halben Corona-Jahr, der neue Mitbewohner über den Kopf wächst. „Dass man einen Hund erziehen sollte, unterschätzen viele.“

Keine Abgabe-Welle in den Tierheimen

Auch die Städte registrieren ein Plus. Gab es in Stuttgart bislang einen jährlichen Hunde-Zuwachs von etwa einem Prozent, waren es zwischen April und August 2,5 Prozent mehr verglichen mit den Vorjahren. Jetzt leben in der Landeshauptstadt mehr als 15 000 Hunde. In Leinfelden-Echterdingen wurden 2020 bis Oktober 142 Hunde (gesamt: etwa 1250) angemeldet – knapp zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bislang hat dies aber keine Abgabe-Welle in den Tierheimen ausgelöst. Josefine Bohn vom Tierheim Filderstadt spricht zwar davon, dass in der Corona-Zeit doppelt so viele Hunde vermittelt wurden, mehr Rückläufer gebe es deswegen aber nicht – wenngleich man in Habachtstellung sei. Auch Petra Veiel, die Sprecherin des Stuttgarter Tierheims, berichtet vom „normalen Wahnsinn“. Allenfalls bei den Kleintieren nehme sie einen „leichten Anzug“ war.

Andreas Rößle lobt jeden Hundehalter, der sich an einen Verein wendet. Das heiße nämlich, dass er bereit sei, sich seinem Tier dauerhaft zu widmen. „Deswegen tut es uns weh, wenn wir jemanden vertrösten müssen“, stellt er klar. Das Gros der Hundebesitzer erreiche man indes nicht. Andreas Rößle sagt: „Wir gehen davon aus, dass 80 bis 90 Prozent nicht in eine Hundeschule gehen.“