Der Neubau des Landratsamts in Esslingen ist ein erheblicher Ausgabeposten im Kreishaushalt des kommenden Jahres. Foto: Roberto Bulgrin

Landrat Heinz Eininger hat im Kreistag den Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 eingebracht. Finanziell steht der Kreis Esslingen zwar solide da, doch das Zahlenwerk birgt viele Risiken. Deshalb wird eine Erhöhung der Kreisumlage vorgeschlagen.

Wird das Zahlenwerk in wenigen Wochen schon Makulatur sein? Bei der Einbringung des Etatentwurfs für den Landkreis Esslingen warnte Landrat Heinz Eininger vor erheblichen Kostenrisiken in der Planung für 2023. „Dieser Haushalt wird in einer Zeit aufgestellt, wie wir sie noch nie erlebt haben“, sagte er in der jüngsten Sitzung des Kreistags. Die Flüchtlingsströme nicht nur aus der Ukraine, der drohende Energienotstand, die Wirtschaftskrise und die Coronapandemie könnten zu erheblichen finanziellen Einbußen führen, die sich derzeit nicht abschätzen ließen. „Den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren, ist dabei die eigentliche Herausforderung“, mahnte er den „Schulterschluss der kommunalen Familie“ an. Die Fraktionen, die den Kreisetat nach mehreren Diskussionsrunden im Dezember verabschieden werden, stimmte Eininger auf „schwierige Monate, vielleicht sogar Jahre“ ein. Mit dem Haushaltsplan wolle man sich „auf das Wesentliche konzentrieren“.

Ausgangslage Der Kreis Esslingen ist finanziell solide aufgestellt. Zum Ende des Jahres rechnet Kreiskämmerer Johannes Klöhn dank höherer Einnahmen mit einem Plus von 7,2 Millionen Euro im Ergebnishaushalt. Das sind 20 Millionen Euro mehr, als ursprünglich erwartet wurden. Dem Kreis werden zum Jahresende voraussichtlich 66,1 Millionen Euro zur freien Verfügung stehen, weit mehr als gesetzlich gefordert ist. „Das verschafft uns Handlungsspielraum“, betonte Klöhn. „Allerdings steigen auch unsere Aufwendungen um rund 57 Millionen Euro“, räumte Eininger ein. Er kritisierte: Viele dieser Ausgaben könne man nicht beeinflussen, da ihnen Entscheidungen des Gesetzgebers zugrunde lägen.

Kreisumlage Die schlechte Nachricht lautet: Die zuletzt auf 27,8 Prozentpunkte abgesenkte Kreisumlage, die die 44 Kommunen zu entrichten haben, soll 2023 wieder auf 30,3 Punkte ansteigen. Sie ist die wichtigste Einnahmequelle des Landkreises und beläuft sich im kommenden Haushaltsjahr auf rund 274 Millionen Euro. Das sind knapp 32 Millionen Euro mehr als jetzt. Der erhöhte Bedarf ist maßgeblich auf den steigenden Aufwand bei den Sozialleistungen (plus 35,9 Millionen), beim öffentlichen Nahverkehr (plus 6,2 Millionen) sowie beim Personalaufwand (9,8 Millionen) zurückzuführen. Laut Klöhn wäre ein ausgeglichener Haushalt mit einem Hebesatz von 30,7 Punkten möglich.

Investitionen Allen Unwägbarkeiten zum Trotz: In den kommenden beiden Jahren stehen mit zusammengenommen 118 Millionen Euro die bislang größten Investitionssummen in der Kreisgeschichte an. Allein 2023 sind Ausgaben in Höhe von 51,7 Millionen Euro vorgesehen. Davon fließen 24 Millionen Euro in den Neubau des Landratsamts in Esslingen, der Rest in den Nahverkehr, in Baumaßnahmen an Schulen, in Photovoltaikanlagen und E-Ladestationen an kreiseigenen Gebäuden, in den Bau von Flüchtlingsunterkünften und den Ausbau von Kreisstraßen. „Mit Sorge sehen wir jedoch die nahezu explodierenden Materialpreise, die zu einer enormen Baupreissteigerung führen“, sagte Eininger.

Sozialetat Die Kosten für soziale Leistungen erreichen 2023 mit 201 Millionen Euro einen neuen Höchststand. Sie sind der größte Ausgabenposten im Kreishaushalt. Es handelt sich hier um Transferleistungen von Bund und Land, deren genaue Höhe noch nicht feststeht. Bei der Veranschlagung der Planansätze im Sozialetat sei man „von optimistischen Annahmen“ ausgegangen, so Eininger. „Wir haben den vollen Kostenersatz eingepreist. Wird dieser nicht erstattet, liegen hier die größten Risiken.“ Sorgen bereiten zum Beispiel der Anstieg der Kosten in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, die Folgen des Rechtskreiswechsels für Geflüchtete aus der Ukraine und höhere Ausgaben aufgrund gesetzlicher Vorgaben. Etwa bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV), die Einingers Meinung nach „Fehlanreize“ schaffe. „Wenn das geplante Bürgergeld kommt“, sagte der Landrat, „müssen wir von einer steigenden Zahl von Leistungsempfängern ausgehen.“

Flüchtlinge Besonderes Augenmerk gilt der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen aus der Ukraine. Im Landkreis sind mittlerweile 6000 Menschen aus diesem Land aufgenommen worden. Monatlich kämen 400 hinzu – und weitere mehr als 200 aus anderen Krisengebieten dieser Welt. Die Kapazitätsgrenze der vorläufigen Unterbringung sei mit kreisweit 3200 Plätzen erreicht. „Wir können nicht mehr ausschließen, dass auch Fest- und Turnhallen oder Gemeindehäuser als Notunterkünfte hergerichtet werden müssen“, sagte Eininger. Im Haushalt 2023 sind daher 3,5 Millionen Euro für die Errichtung von Unterkünften mit einer Kapazität von 400 bis 500 Plätzen vorgesehen. Man sei diesbezüglich mit den Städten Kirchheim und Nürtingen im Gespräch.

Personal Die Ausgaben in diesem Bereich steigen um 8,2 Prozent auf 129,7 Millionen Euro. Laut Eininger sind viele der 40 neu zu schaffenden Stellen zur Krisenbewältigung unabdingbar. „Unsere Verwaltung arbeitet längst über der Belastungsgrenze.“ Doch Mitarbeiter zu finden sei schwer. Ein Konzept zur Personalgewinnung und -bindung will er im Frühjahr nächsten Jahres vorlegen.

Kliniken Wegen der anhaltenden Coronapandemie konnten die geplanten Patientenzahlen der kreiseigenen Kliniken nicht erreicht werden. Zudem verschärfen die Inflation und insbesondere die Energiekrise den finanziellen Druck auf die Krankenhäuser. Um sie fit zu machen für die Zukunft, investiert der Landkreis in diesem Jahrzehnt rund 300 Millionen Euro in die drei Standorte Kirchheim, Nürtingen und Ruit, davon werden allein im kommenden Jahr 80 Millionen Euro verbaut – so viel wie noch nie in einem Wirtschaftsjahr, betonte der Landrat. Der Planung zufolge werden die Medius-Kliniken dafür ein Darlehen in Höhe von 60 Millionen Euro aufnehmen.

Eckdaten Der Kreishaushalt für 2023 sieht Einnahmen und Ausgaben von rund 730 Millionen Euro vor. Zum Ende des Jahres rechnet die Verwaltung mit einem Defizit von 4,1 Millionen Euro. Der Schuldenberg wächst im kommenden Jahr von 192 auf 194 Millionen Euro an. Der Etatentwurf sieht eine Kreditaufnahme in Höhe von 14,9 Millionen Euro vor.