Andreas Winter von den Grünen (links) und Alexander Kotz von der CDU (rechts) haben eine Haushalts-Koalition vereinbart. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Am Montag kommender Woche beginnen die zunächst nicht öffentlichen Beratungen zum Doppelhaushalt. CDU und Grüne planen eine Rekord-Neuverschuldung. Der Haushalt riecht stark nach Wahlgeschenken.

Stuttgart - An drei Tagen in der kommenden Woche hat Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) ausschließlich die Beratungen zum Doppelhaushalt im Kalender stehen. Einnahmen und Ausgaben für 2016 und 2017 einigermaßen in der Waage zu halten, das bedeutet für Kuhn, Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU), und die 60 Stadträte in aller Regel Marathonsitzungen mit bis zu zwölf Stunden. Der Doppelhaushalt für 2014/2015 gibt dazu ein Beispiel.

In diesem Jahr könnte es in der Ersten Lesung allerdings ganz anders laufen. Christdemokraten und Grüne im Stadtparlament haben erklärt, mit ihrer knappen Mehrheit von einer Stimme – mit der des OB sind es zwei – die Beratungen in einer einmaligen Art und Weise dominieren zu wollen. Den weiteren Fraktionen mit ihren 29 Köpfen soll als Verteilungsspielraum weniger als eine Million Euro zugestanden werden.

1993 stand Stuttgart mit 1,147 Milliarden Euro in der Kreide

CDU und Grüne planen den Durchmarsch und eine Neuverschuldung, die nach heutigem Stand die Verschuldungsentwicklung der Stadt aus den krisenhaften 1990er-Jahren wiederholt. Damals verlor Stuttgart rund 40 000 Arbeitsplätze, die Steuereinnahmen erodierten. Um handlungsfähig zu bleiben, trieben OB Manfred Rommel (CDU) und der Rat die Verschuldung in astronomische Höhen: 1993 stand Stuttgart mit umgerechnet 1,147 Milliarden Euro bei Bankhäusern in der Kreide, Infrastruktur wie das Mineralbad Cannstatt wurden privat gebaut und von der Stadt geleast. Rechnungsprüfer rügten solche Modelle später scharf, die Stadt lege dabei Richtung 100 Prozent drauf.

2015 ist Stuttgart nicht in der Krise. Dennoch könnte Fritz Kuhn als der OB in die Stadtgeschichte eingehen, der den Schuldenstand nach 22 Jahren Abbau in unrühmlichen Höhen treibt. Er allein sieht bereits neue Kredite im Umfang von 251,7 Millionen Euro vor – und liegt damit nur noch rund 54 Millionen Euro unter der Kreditobergrenze, die Föll entsprechend der Vorgaben der Gemeindeprüfungsanstalt ermittelt hat. CDU und Grüne sprengen diese Grenze mit ihren zusätzlichen 85 Millionen Euro. Stand heute wäre eine derartige Verschuldung nach Papieren des Finanzreferats nicht mehr zulässig. Michael Föll umschreibt den Sachverhalt so: „Ich kann heute nicht sagen, dass das finanzierbar ist.“

CDU und Grüne erkennen enormen Nachholbedarf

CDU und Grüne erkennen fünf Monate vor der Landtagswahl einen enormen Nachholbedarf bei Infrastruktur und Stellen. Der CDU-Landtagsbewerber Roland Schmid, der auch Vorsitzender des Turnvereins Cannstatt ist, wirbt in Begleitung von CDU-Stadträten beim Ortstermin in Freiberg um einen neuen Kunstrasenplatz. Andere werden Schmidts Beispiel folgen.

„Wir haben gute Ideen, wo wir Geld herbekommen“, sagt die Grünen-Fraktionssprecherin Anna Deparnay-Grunenberg, ohne ergiebige Quellen zu nennen. Außerdem, so Grunenberg, sie der Zins niedrig. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz baut auf das Prinzip Hoffnung. In den letzen fünf Jahren habe man auch Kredite beschlossen, aber keine aufnehmen müssen.

Inzwischen aber haben sich die Vorzeichen geändert. Wegen des Volkswagen-Desasters und der Flüchtlinge wird es weniger Einnahmen und mehr Ausgaben geben, und Kredite muss man zurückzahlen. Bereits in Kuhns Planung verschlingt die Schuldentilgung 25 Prozent des dann noch zur Verfügung stehenden Überschusses. Heute sind es fünf Prozent. Die Investitions-Offensive von CDU und Grünen geriete zum Strohfeuer.