Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU, li.) und OB Fritz Kuhn haben den Jahresabschluss 2014 vorgelegt Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Landeshauptstadt hatte 2014 im zweiten Jahr in Folge einen Einbruch bei der Gewerbesteuer zu verkraften. Weil die Zuweisungen von Bund und Land stiegen, bleibt unter dem Strich ein Überschuss von 158,5 Millionen Euro.

Stuttgart - OB Fritz Kuhn (Grüne) und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) haben am Montag den Jahresabschluss für den Haushalt 2014 vorgelegt, einen Zwischenbericht für 2015 geliefert und einen Ausblick auf den Doppelhaushalt 2016/17 gegeben. Den wird der Gemeinderat kurz vor Weihnachten beschließen. Schon heute ist klar, dass die Stadt neue Kredite aufnehmen muss, wenn sie investieren will. Kuhn hat am Montag Investitionen in „Schulen, die Kinderbetreuung, Kultur, Wohnungsbau, Mobilität und Verkehr“ angekündigt.

Sorgenkind Gewerbesteuer: Im vergangenen Jahr erreichte die Gewerbesteuer mit insgesamt 514,9 Millionen Euro (brutto) ein Zehnjahrestief. Eigentlich sollten 552 Millionen Euro fließen. Zwei Jahre zuvor waren es noch 638 Millionen Euro. Bekannt war, dass die Stadt wegen des Kaufs von Porsche durch VW und legaler steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten beim Versicherungskonzern Allianz Gewerbesteuer verlieren würde.

Die jetzt erreichte Falltiefe überraschte die Stadtspitze. „Das ist alarmierend“, sagt Kuhn. 2016 steht der Umzug von Ernst & Young von Weilimdorf zum Flughafen, also knapp außerhalb des Stadtgebiets, an. Wenn eine Firma in dieser Größenordnung gehe, „ist nicht gewährleistet, dass eine in gleicher Größe nachzieht“, sagt Kuhn, „deshalb müssen wir unsere Gewerbegebiet zum Beispiel mit besserer Verkehrsanbindung und Kindertagesstätten attraktiver machen“. Allerdings bleibt der Unterschied im Steuer-Hebesatz zum billigeren Umland bestehen. Kuhn will ihn nicht noch größer werden lassen: „Eine Erhöhung wäre kontraproduktiv.“

Höhere Zuweisungen: Die Stadt hat 2014 zum Beispiel deutlich mehr Schlüsselzuweisungen vom Land (plus 40,7 Millionen Euro), mehr Grunderwerb- (13,3), Vergnügungssteuer (3,9), mehr für soziale Leistungen (14,1) und höhere Umlagen (18,5 Millionen) erhalten. Von Landesbank (LBBW, 13,9) und Flughafen (8,3 Millionen) kassierte sie Ausschüttungen. Die LBBW sei übrigens wieder „unter die Steuerzahler zurückgekehrt“, sagt Föll.

Unter dem Strich gab es für das Jahr 2014 einen Überschuss im Ergebnishaushalt (er betrifft das laufende Geschäft) von 158,5 Millionen Euro, wovon allerdings 56,6 Millionen auf dieses Jahr weitergeschoben werden müssen. Diese „Ermächtigungsübertragungen“ dienen beschlossenen Aufgaben.

Nachtragshaushalt kommt: Der Gemeinderat soll am 16. Juli einen Nachtragshaushalt für dieses Jahr beschließen. Er ist nötig, weil die Stadt deutlich mehr (plus 13,5 Millionen) ausgeben muss, um Flüchtlinge unterzubringen. Um die Systembauten für Flüchtlinge beginnen zu können, muss der Rat sogar 73,4 Millionen Euro Verpflichtungsermächtigungen (eine Belastung für den Haushalt 2016/2017) zulassen. Zudem wird der eben erst begonnenen Rosensteintunnel für die B 10 um 44 Millionen Euro teurer. 30 Millionen will Föll in diesem Jahr für die Röhren zuschießen. Außerdem sollen die in der Steuerschätzung von Mai bekannten Daten für Stuttgarts Anteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer und weitere Soll- und Haben-Positionen aktualisiert werden. Zum Beispiel acht Millionen Euro mehr Gehalt für Erzieher und Sozialberufe, wenn die Verdi-Mitglieder den Schlichterspruch annehmen.

Keine Kredite in 2015: Trotz der Zusatzaufgaben sollen 2015 wie 2014 keine neuen Kredite aufgenommen werden. Geplant waren 142,8 Millionen Euro. Die freie Liquidität, also die Summe aller nicht verplanten Mittel in Höhe von 206,8 Millionen Euro, wird für die Nachträge und die Kreditvermeidung genutzt. Ende 2014 schuldete Stuttgart (nur Stadthaushalt) Banken 23,5 Millionen Euro. Das sind pro Einwohner rund 39 Euro. Zählt man die Bankschulden der städtischen Betriebe dazu, die aber zum Teil über Gebühren abgestottert werden, ergeben sich pro Kopf 734 Euro Schulden.

Der Ausblick: Kurz vor Weihnachten wird der Gemeinderat den Doppelhaushalt 2016/2017 beschließen. Aus Vorjahren bleibt für die Verwaltung genügend abzuarbeiten, weil „die Programme für Schulsanierungen und den Ausbau der Kinderbetreuung zeitlich zu optimistisch eingeschätzt worden sind“, sagt Föll. Insgesamt sind daher 361 Millionen Euro im Finanzhaushalt für Investitionen übrig und 110 Millionen für den Rückkauf der Wasserversorgung von der Energie Baden-Württemberg. Verwaltung und Gemeinderat wollen weiter gestalten und werden im Herbst ihre Wunschlisten vorlegen. Der Ergebnishaushalt müsse einen jährlichen Überschuss von 200 Millionen Euro bringen, sagt Föll. Dann könne die Stadt aus eigener Kraft investieren. Voraussichtlich werden nur 63 und 54 Millionen Euro übrig bleiben. Das bedeutet, dass bis Ende 2017 insgesamt 280 Millionen Euro neue Kredite nötig werden würden.

Die Wackelkandidaten: Bei den städtischen Tochterbetrieben Klinikum Stuttgart und Straßenbahnen AG (SSB) schlummern Risiken. Bei den SSB müsse man die Verhandlungen zu den nach 2019 fließenden Bundeszuschüssen abwarten, sagt Kuhn. Beim Klinikum, das Ende 2015 ein negatives Eigenkapital ausweisen wird, gebe es „sicher finanziellen Handlungsbedarf“, zunächst aber externe Beratung.