Es herrscht nicht mehr eitel Sonnenschein über dem Bietigheimer Rathaus. Foto: Pascal Thiel

Wieder kommt die reiche Stadt Bietigheim-Bissingen ohne Schulden durchs Jahr. Doch in ein paar Jahren werden die Rücklagen aufgezehrt sein. Es fehlt ein Plan für danach.

Bietigheim-Bissingen - Es ist eher selten, dass der Oberbürgermeister Jürgen Kessing (SPD) für Vergleiche die Bibel heranzieht, aber beim Blick auf den neuen Haushalt der Stadt Bietigheim-Bissingen tat er es: bei der Entwicklung der Finanzen der Stadt habe es in diesem Jahrtausend sieben fette und sieben magere Jahre gegeben. Kessing lässt dabei offen, in welchem Abschnitt man sich derzeit befindet. Ein Blick auf das nun von der Stadt vorgelegte Zahlenwerk lässt Spielraum für Interpretationen.

Da sind zum einen die positiven Aspekte: Die Stadt kommt auch im Haushaltsentwurf für 2018 ohne Schulden aus. Zudem werden weder Gewerbesteuer noch Grundsteuer erhöht. Beide sind seit Jahren rekordverdächtig niedrig, keine andere große Kreisstadt in der Region will weniger Geld von ihren Betrieben. Bietigheim-Bissingen ist eine reiche Stadt, will das so aber nicht kommunizieren. „Reich – das kommt in unserem Wortschatz nicht vor“, sagte Kessing jüngst in einem Interview mit dieser Zeitung.

Die Flexibilität sinkt, wenn die Polster schwinden

Es könnte sein, dass diese Beschreibung in naher Zukunft auch nicht mehr zutreffend ist. Denn die Rücklagen der Stadt – im Jargon der Doppik Liquidität genannt – schmelzen in Anbetracht großer Investitionen kontinuierlich. Von knapp 73 Millionen Euro Anfang 2016 auf 31 Millionen Anfang 2018. Im Jahr 2021 soll noch ein Restbetrag von 3,4 Millionen Euro übrig sein. Damit wird die Stadt ihrem selbst gestellten Anspruch, immer einen Jahresbeitrag Gewerbesteueraufkommen als Rücklage bereitzuhalten, vom kommenden Jahr an nicht mehr gerecht. Die Flexibilität sinkt, wenn die Polster schwinden.

Ähnlich verhält es sich mit den Einnahmen bei der Gewerbesteuer. Die Stadt rechnet für das Jahr 2018 mit Gewerbesteuereinnahmen von 36 Millionen Euro – also mit einem gleichbleibenden Niveau. Wobei auch hier Zweifel angebracht sein können: Im vergangenen Jahr musste die Stadt ihre Gewerbesteuereinnahmen-Prognose zum ersten Mal senken: von 38 Millionen auf 36 Millionen. Am Ende stand im Nachtragshaushalt ein Minus von knapp 3,5 Millionen Euro. Für das Jahr 2018 rechnet die Stadt mit einem Plus von 234 000 Euro im Ergebnishaushalt.

Die fetten Porsche-Jahre sind vorbei

Egal, wie viel Gewerbesteuer am Ende reinkommt, man ist immer noch einige Millionen von den fetten Jahren entfernt, als Porsche noch kräftig Gewerbesteuer in die Stadtkasse spülte. Seit 2015 gibt es einen Ergebnisabführungsvertrag des Edelkarossenbauers mit VW – und in Bietigheim spärlichere Einnahmen.

Eine positive Entwicklung ist die Zunahme der Einnahmen aus Einkommens- und Umsatzsteuer. Im kommenden Jahr wird dieser Posten mit erwarteten 38,5 Millionen Euro erstmals über dem Betrag der Gewerbesteuer liegen – was für eine wohlhabende oder zumindest gut situierte Bürgerschaft spricht. Vollbeschäftigung herrscht in der Stadt praktisch sowieso.

Das Gewerbe in der Stadt ist sehr Auto-lastig

Doch auch hier zeigt sich die Schwäche erst auf den zweiten Blick: das Gewerbe in Bietigheim-Bissingen ist sehr Auto-lastig. Kommt diese Branche in die Krise, werden Aufträge gestrichen, Unternehmensgewinne schmelzen und gut bezahlte Jobs in der Zulieferer-Industrie werden nicht mehr vergeben. Das hat auch die Stadt erkannt und will gegensteuern. „Wir brauchen einen besseren Branchen-Mix, aber dafür fehlen uns die Flächen“, sagte Kessing bei der Vorstellung des Haushalts. Zusätzliche Flächen sind nur noch über interkommunale Kooperationen möglich, beispielsweise im Laiern mit Tamm oder im Zweckverband Bietigheimer Weg mit Ingersheim – und da muss die Stadt die Einnahmen mit anderen teilen.

Ein großer Posten bei den Ausgaben sind die Personalkosten, die immer weiter steigen. 35,4 Millionen Euro von insgesamt 125 Millionen Euro hat die Stadt dafür kalkuliert. Grund für den Anstieg um 4,4 Prozent seien neu geschaffene Stellen sowie Tariferhöhungen, sagte der Erste Bürgermeister Joachim Kölz bei der Vorstellung. Die Kinderbetreuung mache dabei 40 Prozent dieses Postens aus.

Die Haushaltsdebatten werden spannend

Kleiner fallen da die Ausgaben für Baumaßnahmen aus: die Stadt kalkuliert mit 13 Millionen Euro – zehn Millionen Euro davon gehen in die Erneuerung der Schulen. Hier, ebenso wie bei der Kinderbetreuung, investiert die Stadt in ihre Zukunft und stärkt ihre Attraktivität für Zuzügler. Das Geld ist also richtig angelegt. Die 1,5 Millionen Euro, die die Stadt für bezahlbaren Wohnraum ausgeben möchte, sind hingegen kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Auch wenn der Haushaltsentwurf der Stadt solide aussieht, werden die Diskussionen darüber im Bietigheimer Gemeinderat nicht ausbleiben. Ein Grund dafür ist das Auslaufen des Moratoriums für die Ballsporthalle. Wer sich an die heftigen Diskussionen vor drei Jahren erinnert, weiß: Es wird spannend.