Im Haushaltplan ist aus Sicht der Fraktionen nach dem guten Jahresabschluss 2015 plötzlich Luft für neue Wünsche. Über diese soll nach der Sommerpause gesprochen werden. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Landeshauptstadt hat 2015 finanziell blendend abgeschlossen. Erstmals wollen die Fraktionen die Vorschläge der Verwaltung zur Verwendung des Überschusses nicht einfach durchwinken.

Stuttgart - Der Gemeinderat der Landeshauptstadt wird im September voraussichtlich mit einem Ritual brechen. Die Stadträte wollen die Vorschläge von OB Fritz Kuhn (Grüne) und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) zur Verwendung des Haushaltsüberschusses aus dem Jahr 2015 nicht mehr einfach durchwinken.

Großes Lob und Anerkennung ist Michael Föll sicher, wenn er zur Jahresmitte den Haushaltsabschluss des Vorjahres präsentiert. An positive Abweichungen im zwei-, manchmal dreistelligen Millionenbereich hat sich der Gemeinderat schon fast gewöhnt. Föll und seine Mannschaft, die stets auf finanzielle Sicherheit bedacht sind und den einen oder anderen Notgroschen gebunkert haben, genießen die Zahlen nach der Art honoriger Kaufleute stets im Stillen. Große Zahlen werden kleingeredet. Man liege bei der freien Liquidität „etwas besser als bei der jüngsten Information im April“, sagte Föll, „etwa 70 Millionen Euro besser“.

Kritik an stark abweichenden Planzahlen

Am Mittwoch gab es zwar auch Lob, vor allem aber Kritik. Wenn man mit einem Überschuss von 24,7 Millionen Euro plane, aber 245,2 Millionen Euro erwirtschafte und die geplante Kreditaufnahme nicht nötig wird, gerate man gegenüber den Bürgern „in einen Rechtfertigungsdruck“, sage Anna Deparnay-Grunenberg für die Grünen. Denn schließlich wehre man bei der Aufstellung des Haushaltsplans viele Wünsche mit dem Hinweis auf die knappe Kassenlage ab.

Auch CDU-Fraktionschef Alexander Kotz missfällt die Rolle des Rates. Bei rund 307 Millionen Euro freier Liquidität zum Jahresende 2015 frage sich der Bürger, was der Gemeinderat bei den Haushaltsplanberatungen eigentlich diskutiere, und warum er viele Ausgaben nicht beschließe.

Stadt brauch 2016 keine weiteren Kredite

Martin Körner mischte in sein Lob an Föll deutliche Ironie: „Man kann nur den Hut ziehen vor Ihrer Dramaturgie. Statt das Geld anzulegen, sollten wir lieber investieren, zum Beispiel in die Grünanlagen.“ Körner sieht einen Nachtragshaushalt für 2016 oder 2017 als „zwingend“ an, schließlich schlage die Verwaltung für 2016 nicht nur keine Kreditaufnahme vor – geplant waren in diesem Jahr noch 102,4 Millionen Euro –, sondern auch eine Finanzspritze (in Summe 33 Millionen Euro) für das in Schieflage geratene Klinikum. Sein Fazit: „Der Gemeinderat muss sich selbst ernst nehmen!“

Mit dem Stichwort „Nachtragshaushalt“ stieß Körner bei Kotz auf offene Ohren. Die von den Christdemokraten seit Jahren geforderte Grundsteuersenkung könnte vollzogen werden, wenn auch nur für ein Jahr. Körner, der den Vorschlag als absurd bezeichnete, hat andere, nicht weniger hochfliegende Pläne. Er wollte am Mittwoch 30 Millionen Euro für den Abriss der Bundesstraßen-Auffahrt an der Friedrichswahl zurücklegen. Bilanztechnisch, informierte Föll, sei das seit Jahren nicht mehr möglich. Auch Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus) und Lothar Maier (AfD) wollen in ihren Fraktionen über einen Nachtragshaushalt beraten. Dann könne der Gemeinderat 30 Stellen, die er aus Spargründen Ende 2015 für den Doppeletat 2016/2017 nicht genehmigt habe, doch beschließen. Das hörte Markus Freitag, der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, gerne. In manchen Ämtern sei die Arbeitssituation „unerträglich“, sagte er. Freitag warnt davor, Einnahmen wie die Grundsteuer zurückzufahren, schließlich wolle die Stadtverwaltung 2018 eine globale Minderausgabe in den Haushalt schreiben.

Zusätzliche Stellen möglich

Zieht man wie die Verwaltung von den 306,8 Millionen Euro freier Liquidität von Ende 2015 die vorgesehene Kreditaufnahme, Darlehen an Eigenbetriebe, die Klinikums-Spritze und erwartete Verschlechterungen ab, bleiben 33,5 Millionen Euro an freien Mitteln übrig. „Bitte geben Sie dieses Geld nicht fünfmal aus“, riet Föll den Fraktionen. Der Haushaltsabschluss für 2015 sei „eine respektable Stichtagsbetrachtung, muss aber nicht hymnisch gelobt werden“.

Klinikum braucht neuen Plan

Um die Vorschläge der Verwaltung zu verarbeiten, brauche es bei einem verbesserten Ergebnis formal keinen Nachtragshaushalt, sagte der Finanzbürgermeister. Wenn der Gemeinderat aber neue Investitionen wie den Abriss der Straßenauffahrt an der Friedrichswahl beschließen wolle, müsse dies in einem Nachtragsetat erfasst werden. Für das Klinikum Stuttgart werde es nach der Sommerpause auf jeden Fall die Korrektur des Wirtschaftsplanes geben.