Wegen großer Geldsorgen ist er nicht in Feierlaune: Der Rems-Murr-Kreistag bei seiner Sitzung in der Schmidener Festhalle. Foto: Gottfried Stoppel

Trotz großer finanzieller Sorgen einigt sich der Kreistag beim Etat auf eine Kreisumlage von nur 35,5 Prozentpunkten – aus Rücksicht auf die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden. Reichen wird das Geld trotz aller Sparappelle nicht.

Weil ihnen das Wasser bis zum Hals steht, wollen in Rheinland-Pfalz insgesamt 26 Städte und Gemeinden eine Klage gegen das Land einreichen. Auch der Landkreis Südwestpfalz hat einstimmig beschlossen, sich das in der Kasse fehlende Geld auf juristischem Weg zu erstreiten. So weit ist es im Rems-Murr-Kreis noch nicht, die Politik belässt es bisher bei einem Hilferuf für eine bessere Finanzausstattung. Doch an der Erkenntnis, dass es auf der kommunalen Ebene finanziell vorne und hinten nicht mehr reicht, führt auch in Baden-Württemberg kein Weg vorbei.

 

Auch für 2025 wird mit einem Minus kalkuliert

Kreise und Kommunen ächzen unter dem republikweiten Prinzip, dass längst nicht immer der bezahlt, der bestellt – und sie für Kosten aufkommen müssen, über die in Berlin und Stuttgart entschieden wird. Das zeigt sich vor allem bei den explosionsartig ansteigenden Kosten für die Sozialpolitik, von der Kinderbetreuung bis zur Flüchtlingsunterbringung bleiben Städte, Gemeinden und Landkreise auf nicht gedeckten Ausgaben sitzen. „Es kann nicht sein, dass stets die Kommunen finanziell einspringen müssen, wenn in Bund und Land populäre Wohltaten beschlossen werden“, formulierte die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull am Montag, als sie bei der in der Schmidener Festhalle stattfindenden Haushaltssitzung des Rems-Murr-Kreistags ein Grußwort sprechen durfte. Tatsächlich kam der Landkreis schon in diesem Jahr mit dem Geld nicht klar. Auf annähernd 40 Millionen Euro summiert sich das 2024 aufgelaufene Defizit. Für das kommende Jahr wird gleich mit einem Minus kalkuliert. Trotz eines 22,3 Millionen Euro schweren Sparprogramms und einer Nullrunde bei den Personalkosten steht im Ergebnishaushalt schon jetzt ein Fehlbetrag von mehr als acht Millionen Euro. Zugleich will sich das Waiblinger Landratsamt für Investitionen gewaltige Summen von der Bank leihen. Die Kreditermächtigung für 2025 ist auf mehr als 35 Millionen Euro festgesetzt.

Schon dieses Jahr ist ein Defizit von 40 Millionen Euro aufgelaufen

Trotz der in diesen Zahlen deutlich werdenden Geldsorgen sollen die Städte und Gemeinden finanziell nicht über Gebühr belastet werden. Von der ursprünglich ins Auge gefassten Kreisumlage in Höhe von 37 Prozentpunkten hat sich der Rems-Murr-Kreis längst verabschiedet, auch die als Kompromiss ins Gespräch gebrachten 36,3 Prozentpunkte sind vom Tisch. Als Ergebnis steht nach hartem Ringen mit den Fraktionen eine Kreisumlage von 35,5 Prozentpunkten fest – ein Hebesatz, der zwar deutlich höher liegt als im vergangenen Jahr, in den Rathäusern an Rems und Murr aber große Erleichterung auslösen dürfte. Denn auch bei den Kommunen herrscht Ebbe in der Kasse.

Im aktuellen Haushaltsjahr haben die 31 Städte und Gemeinden bereits ein Minus von zusammengerechnet 80 Millionen Euro angehäuft, nur sechs Kommunen erzielten ein kleines Plus. Eine auf 37 Prozent steigende Kreisumlage hätte das drohende Defizit mehr als verdoppelt – und die Städte und Gemeinden laut eines Briefs des Bürgermeister-Sprechers Thomas Bernlöhr aus Welzheim unweigerlich in die Schuldenfalle geführt. Schon jetzt können selbst Große Kreisstädte laut dem Weinstädter OB Michael Scharmann den Betrieb öffentlicher Einrichtungen nicht mehr ausreichend finanzieren.

Auch deshalb kündigt Rems-Murr-Landrat Richard Sigel an, sämtliche Aufgaben des Landkreises auf den Prüfstand zu stellen und sich von nicht gesetzlich geforderten Pflichten konsequent zu trennen. Er sprach am Montag von einem „Sparpaket, das schmerzhaft, aber notwendig ist, um die finanzielle Belastung der Städte und Gemeinden einigermaßen in Grenzen zu halten“. Bereits im Frühjahr soll eine Klausurtagung des Kreistags die Finanzlage in den Blick nehmen und einer Rotstiftrunde bei den Kreis-Beteiligungen den Weg ebnen.

Erinnerung an OB Manfred Rommel

Der CDU-Fraktion im Kreistag ging der Verweis auf die Sparbemühungen zur Haushaltskonsolidierung aber noch nicht weit genug. Trotz der Einigung bei der Höhe der Kreisumlage hielten die Christdemokraten an ihrem Antrag fest, auch beim Personal der Kreisverwaltung zu sparen – und gut die Hälfte der im Stellenplan mit einem Besetzungsvorbehalt gekennzeichneten Arbeitsplätze zu streichen.

Sparen heißt, Geld, das man hat, nicht auszugeben. Bei uns geht es darum, Geld, das wir nicht haben, nicht auszugeben“, zitierte der Fraktionschef der Christdemokraten, der Murrhardter Rathauschef Armin Mößner, den früheren Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel. Der Erhalt der kommunalen Handlungsfähigkeit werde auch in den kommenden Jahren nicht einfacher.

FDP/FW-Sprecher Ulrich Lenk hält CDU-Vorstoß für einen „Betriebsunfall“

Folgen wollten die Kreistagskollegen dem CDU-Vorstoß allerdings nicht. Aus Sicht von Astrid Fleischer, Fraktionsvorsitzende der Grünen, ist „die Luft längst raus“, der Verzicht auf eine höhere Kreisumlage müsse in den kommenden Jahren aufgefangen werden. Auch Tim Schopf reagierte für die SPD mit Unverständnis auf die Sparidee der christdemokratischen Kollegen. „Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, erfordern eine personell gut ausgestattete Verwaltung“, sagte der Schorndorfer. Ulrich Lenk nannte den Antrag für die FDP/FW einen „Betriebsunfall“. Nach der Einigung zur Höhe der Kreisumlage brauche es Verlässlichkeit, dass nicht weitere Forderungen nachgeschoben würden.

Als einzige Fraktion lehnte den Haushalt fürs kommende Jahr die AfD ab. Als Begründung führte Klaus Drexler unter anderem an, dass der Kreis „ökonomischen Unfug“ wie den Stromspar-Check fördere und mit dem Angebot nur einen vergleichsweise kleinen Teil der Bevölkerung erreiche. Scharfe Kritik übte er an SPD und den Grünen, die sich angesichts der aktuellen Finanzlage um Themen wie den Ausbau des Radwegnetzes bemühen würden.