Statistisch gesehen liegt die Versorgungsquote mit Hausärzten in Stuttgart bei 103 Prozent. Dennoch tun sich Hausärzte schwer, Nachfolger zu finden. Foto: Patrick Pleul/dpa

Hausärzte tun sich oft schwer damit, einen Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Aus Stuttgart-Möhringen aber gibt es positive Nachrichten: Doktor Thomas Scheffel übergibt seine Praxis an Doktor Johannes Weiffenbach. Viele Patienten kennen ihn bereits.

Möhringen - Die gute Nachricht gleich vorneweg: Alle Patienten, die bisher bei Thomas Scheffel betreut wurden, finden auch weiterhin in der Praxis an der Hechinger Straße einen Arzt vor. Scheffel übergibt seine Praxis zum Januar 2021 an Johannes Weiffenbach. „Nach 32 Jahren als Hausarzt in Möhringen verabschiede ich mich in den Ruhestand“, sagt Scheffel. Sein Nachfolger, Facharzt für Innere Medizin, übernimmt alle Patienten. Für viele ist er kein Unbekannter: „Doktor Weiffenbach ist seit zwei Jahren in der Praxis angestellt“, sagt Scheffel.

Für Verwirrung unter seinen Patienten sorge, dass die Krankenkassen derzeit alle darüber informierten, dass die Hausarztverträge mit Thomas Scheffel zum Jahresende hin gekündigt würden. Das sei zwar korrekt, aber Weiffenbach übernehme alle Verträge, versichert Scheffel. Es stehe also keiner der Patienten im kommenden Jahr ohne Hausarzt da. Beim ersten Besuch in der Praxis von Johannes Weiffenbach erfolge die erneute Einschreibung in den Hausarztvertrag. „Sie werden weiterhin ärztlich versorgt“, sagt Scheffel.

Warum wollen viele Hausärzte keine eigene Praxis?

Der Facharzt für Allgemeinmedizin ist froh, einen Nachfolger für seine Praxis gefunden zu haben. Selbstverständlich sei das nicht. Nicht nur in Möhringen hätten in den vergangenen Jahren einige Praxen geschlossen, weil sich kein Nachfolger fand. „Es klemmt hinten und vorne bei der hausärztlichen Versorgung“, sagt Scheffel. Scheinbar wollten sich immer weniger Mediziner mit eigener Praxis niederlassen. „Dabei“, findet Scheffel, „ist die Tätigkeit des Hausarztes so spannend“. Für ihn war und ist es der beste Beruf – „es gibt sicher auch Tränen beim Abschied“, sagt er. Mit seinem Praxisteam habe er großes Glück, teilweise seien die Mitarbeiterinnen seit Jahren und Jahrzehnten dabei. Eine gewisse Kontinuität wird also bleiben, auch, wenn Scheffel sich in den Ruhestand verabschiedet.

Aber warum verliert der Beruf des Hausarztes mit eigener Praxis an Attraktivität? „Der heutigen Ärztegeneration schwebt ein anderes Tätigkeitsmodell vor, als es noch vor 25, 30 Jahren der Fall war“, sagt Kai Sonntag, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart-Möhringen. Viele junge Mediziner suchten eher ein Angestelltenverhältnis als eine eigene Praxis. Auch Teilzeit sei gefragt – vor allem bei den Frauen, die heute viel mehr als noch vor drei Jahrzehnten den Beruf des Mediziners ergreifen. Diese Entwicklung habe „gravierende Auswirkungen auf die Nachfolgersuche“, sagt Sonntag.

Statistisch gesehen ist die Versorgung gut

Wie die Versorgungsquote mit Hausärzten in Stuttgart und auf den Fildern ist, sei schwer zu beantworten, sagt Kai Sonntag. Für einzelne Bezirke würden keine Daten erfasst. Und nicht jeder Anwohner gehe in dem Bezirk zum Arzt, in dem er gemeldet ist. Statistisch gesehen liege die Versorgung in der gesamten Stadt derzeit bei 103 Prozent. Bemessen werde das am Verhältnis von Einwohnern zu Ärzten. „Aber das ist nur ein grober Überblick“, sagt Sonntag. „Die wahrgenommene Situation vor Ort kann eine ganz andere sein.“ Es sei durchaus möglich, dass in Möhringen Ärzte keine Patienten mehr aufnehmen könnten, in Mühlhausen unterdessen Praxen noch Kapazitäten hätten. Die statistisch gute Versorgungsquote sage zudem nichts über den Zeitraum aus, den Patienten auf einen Termin warten müssen.

Die Zahl der Arztsitze ist regional begrenzt. Zudem bekommen Ärzte von den gesetzlichen Krankenkassen nur eine bestimmte Anzahl an Patienten pro Quartal bezahlt. Sowohl die Kontingente als auch das Budget sind seit der Gesundheitsreform von 1993 festgelegt. Der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung bestätigt Thomas Scheffels Eindruck: „Hausärzte tun sich heute schwer damit, ihre Praxis an einen Nachfolger zu übergeben.“ Am finanziellen Verdienst liege das seiner Meinung nach allerdings nicht. „Es gibt genug Praxen mit guter wirtschaftlicher Basis, die trotzdem keinen Nachfolger finden“, sagt Sonntag.