Helfer der Bahn sind am Donnerstag am Hauptbahnhof unterwegs, um Fahrgästen bei Problemen mit der neuen Wegführung zu unterstützen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko Foto:  

Wer zu den Gleisen des Stuttgarter Bahnhofs will, muss neue Wege um den Bonatzbau gehen. Am Donnerstag öffnete die neue, längere Route. Wo sehen die Fahrgäste Verbesserungspotenzial?

Du liebe Güte! Wie lange ich schon nicht mehr hier war. Wo geht es denn jetzt weiter?“ Verblüfft steht eine ältere Dame vor dem Turm des Stuttgarter Bahnhofs, stützt sich auf den Teleskopgriff ihres Koffers. Durch den Bonatzbau führt kein Weg mehr zu den Bahngleisen. „Da steht Hauptbahnhof, komm’“, ruft ihre Enkelin – und zieht nach rechts. Sie hat neben dem Südeingang einen breiten, überdachten Steg entdeckt, der ab sofort über das Schalendach der neuen Bahnsteighalle zum Gleis 16 des Bahnsteigs führt – 380 Meter lang, 140 mehr als zuvor. An dessen Eingang harren vier junge Männer den Reisenden, DIN-A4-Blätter in Händen, mit den roten Lettern „Gleise 1 bis 16“. Die „Baustellenbuddys“ arbeiten im Service der Deutschen Bahn. Sie sollen in den kommenden Wochen helfen, dass alle zu ihren Zügen finden – um das Stuttgarter Bahnhofsgebäude herum. Grund: Die nächste Etappe der Modernisierung beginnt, die Verantwortlichen haben den direkten Weg zu den Gleisen durch den Bonatzbau gesperrt. „Sicherheitsgründe!“, heißt es.

Fahrgäste: bessere Ausschilderung nötig

Die Seniorin, die nun über den Steg stapft, meint: „Das geht ja nach oben.“ Den mittleren bis leichten Anstieg hat Unternehmer Gerd Frühauf schon überwunden und Gleis 16 im Blick. „Als ich von meiner Backnanger S-Bahn hoch kam, war der Weg gut zu finden“, meint der Mittfünfziger. „Aber es kommt einem nicht wie etwas über 300 Meter, sondern gefühlt einen Kilometer lang vor. Gott sei Dank habe ich noch Luft, um meinen ICE zu kriegen. Man muss genug Zeit einplanen, das müsste die Bahn in der App deutlicher machen.“ So sieht das auch eine Frau, die schlecht zu Fuß ist. „Anstrengend ist dieser Weg so auf und ab. Aber die Baustellenbuddys sind klasse, die konnten mir helfen.“

Lena Irmler wünscht sich eine deutlichere Wegeführung, beziehungsweise Ausschilderung. „Hier ändert sich ständig was. Und wer es eilig hat, vielleicht selten hier ist, der findet sich nicht gleich zurecht. Auch ich musste erst suchen, wie man zu den Bahngleisen kommt“, so die 22-jährige Studentin. Apropos Kennzeichnung: Eine Frau mit Sehbehinderung bemerkt, dass es noch keine taktilen Markierungen auf der neuen Route zu den Gleisen gebe, etwa Noppen oder Rillen auf dem Boden. „Das wäre hilfreich“, so die 43-jährige aus Stuttgart. „Jenseits seiner Länge ist der Steg gut gelungen, besser als der alte Weg, sicherer zu bewältigen für Menschen mit Handicap.“

Fahrgäste wünschen sich Gehzeiten

Und mit Kinderwagen? Katharina von Janczewski, ihre kleinen Tochter Richtung Querbahnsteig schiebend, meint: „Ich habe erst einmal den Fahrstuhl gesucht, war perplex, das man mit diesem nicht mehr zu den Gleisen kommt.“ Sie komme aus der Marktforschung, betont die junge Mutter. „Da habe ich einen guten Tipp: Da jetzt nun mal die Reisenden rechts und links um den Bahnhof herumgeführt werden müssen, wäre es sinnvoll, Gehzeiten anzugeben, nach dem Motto: So viel Minuten dauert es von hier bis zum Gleis xy.“ Gehzeiten finden alle Befragten prima. Schließlich könne man nicht wissen, wenn man den Steg betrete, wie lange man bis „zum Licht am Ende der Überdachung“ brauche, heißt es. „Dann hätte ich jetzt gewusst, ob es zeitlich reicht, noch kurz in die Stadt zu gehen“, so eine Frau aus Singen. Sie hat eine Stunde Aufenthalt in Stuttgart, bevor ihr Anschlusszug kommt, wäre sie gern in ein Café gesessen. Genervt ergänzt sie: „Nun habe ich in der Hälfte dieses Tunnels wieder umgedreht.“ Ein Mann, der aus der Würzburger Gegend eingefahren ist, muss lachen. „So ist das halt in Stuttgart. Man weiß im Bau-Chaos dieses Projekts nie, wohin einen die Wege führen. Ich lasse mich jedes Mal neu überraschen.“