Nutzer, die Hasskommentare im Internet verbreiten, verstecken sich häufig hinter ihrer Anonymität. Foto: dpa

Hassangriffe sind ein dauerndes Problem im Internet. Was tun gegen Menschen, die andere attackieren und beleidigen? Ein Experte für soziale Medien gibt Tipps.

Stuttgart - Noch nie ist es so leicht gewesen, andere Menschen mit Hass und Häme zu überziehen. Die Anonymität im Internet macht’s möglich. Sich hinter einer Fassade zu verstecken, ist einfach und erleichtert die aggressive Meinungsäußerung im Netz. Was sich viele nicht bewusst machen: am anderen Ende des Internets sind es letztlich Menschen, die von Hassparolen getroffen werden.

„Man schaut dem Opfer nicht ins Auge und ist nur in der Form sichtbar, in der man sich präsentieren möchte, Empathie geht dabei verloren“, beschreibt Wolfgang Schweiger, Professor für Onlinekommunikation an der Universität Hohenheim das Phänomen. Das Internet trage dazu bei, dass Menschen durch Algorithmen einseitig mit Informationen versorgt werden, die ihrer Weltsicht entsprächen – was der Verbreitung rechter Meinungen im Netz helfe.

Da sich im Internet so gut wie jeder frei äußern könne, finde man immer Nutzer, die dieselbe Einstellung vertreten würden. Womöglich liege darin der Grund, dass Rechtsextremismus in weiten Teilen des Internets nahezu schamlos ausgelebt werde. „Die Neigung, seine Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern, wird bestärkt, wenn andere der gleichen Meinung sind“, so Schweiger. Bekomme man Zustimmung, sinke die Hemmschwelle weiter.

Wie reagiert man am besten auf Hasskommentare?

Die sinnvollste Reaktion auf Hass auf eine Person oder einer Gruppe entgegenzuwirken, hänge von der Situation ab. „Wird man persönlich angegriffen, sollte man nicht direkt mit Gegenargumenten kommen, das würde sich nur hochschaukeln“, rät Professor Schweiger. Wichtig sei, dass man sich weder provozieren noch verängstigen lasse. Hinter einer Hassparole stecke häufig die Taktik, ein Opfer einzuschüchtern und es davon zu überzeugen, dass es weniger Wert sei als andere. Handele es bei einem Hasskommentar um eine gezielte Beleidigung, so sei es am klügsten, zur Polizei zu gehen und den Vorfall zu melden. Schweiger betont, dass dies als Fehlverhalten und Gesetzesverstoß geahndet und sanktioniert werden sollte.

Wer mit einer hasserfüllten Debatte im Netz konfrontiert werde, müsse laut Schweiger unterscheiden, ob es sich um eine scharf und kontrovers geführte Diskussion handelt, in der letztlich immer noch berechtigte Meinungen aufeinander treffen, oder ob die Diskussion längst aus dem Ruder gelaufen ist.

Wer das Gefühl hat, dass trotz einer Hassparole eine halbwegs faire Diskussion möglich ist, solle gegen Parolen mit sachlichen Argumenten und Fakten gegenhalten. Sinnvoll sei der Hinweis, wie Hassparolen auf einen wirken und aus welchem Grund diese nicht akzeptabel seien.

Es ist mehr Solidarität gefragt

„Die bürgerliche und weltoffene Seite im Netz muss generell redebereiter werden“, erklärt Schweiger. Auf einen Hasskommentar könne beispielsweise mit einer gezielten Nachfrage reagiert werden. Sich nicht sofort angegriffen zu fühlen, sondern auf sachliche Weise nachzuhaken, könne die Spannung lösen und Sachlichkeit in die Diskussion bringen. In einer solchen Situation sei es von Vorteil, Verbündete zu finden. Das könnte im Gegenzug den Verfasser des Hasskommentars einschüchtern, vielleicht sogar zum Nachdenken bringen.

Viele seien der Meinung, es lohne sich nicht, im Netz gegen Hass zu kommentieren. „Dadurch denkt die rechte Seite. sie sei die stärkere, obwohl sie es ursprünglich gar nicht war“, kritisiert Schweiger. Damit möchte er vor allem betonen, dass man nicht verstummen und stattdessen Opfern mit Argumenten zur Seite stehen solle. Auffällig sei die wachsende Bereitschaft der Rechten, ihre Meinung zu äußern.

Es sei mehr Solidarität gefragt. Insbesondere, wenn es um Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung gehe, sei es wichtig, dass sich jeder Einzelne für den Zustand der Gesellschaft verantwortlich fühlt. Etwas bewirken kann man gemeinsam, und wenn man Hassparolen nicht akzeptiere. Dies, so Schweiger, sollte selbstverständlich werden. Nur so könnten Hasskommentare im Netz zurückgedrängt werden.