Aufstehen gegen Hass und Hetze ist auch die Devise im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Das Klima in der Gesellschaft wird vielfach rauer und aggressiver. Im baden-württembergischen Landtag positionieren sich alle Fraktionen klar gegen Hass und Hetze. Die AfD reagiert zurückhaltend.

Stuttgart - In seltener Einmütigkeit haben sich die Fraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP zum Kampf gegen Hasskriminalität bekannt. Oliver Hildenbrand, der innenpolitische Sprecher der Grünenfraktion, stellte sich engagiert der AfD entgegen. „Sie fühlen sich von dem, was ich sage, völlig zu Recht angesprochen“, erwiderte er der Fraktion auf einen Zwischenruf ihres Abgeordneten Ruben Rupp. „Sie sind diejenigen, die den gesellschaftlichen Klimawandel betreiben, indem Sie daran arbeiten, ein gesellschaftliches Klima der Enthemmung, der Feindseligkeit und der Verrohung zu etablieren, weil das genau Ihr politisches Geschäftsmodell ist“, hielt Hildenbrand der AfD vor. „Aber Sie werden nicht verhindern, dass ich die Gefahr, die von Ihnen ausgeht, hier klar benenne“.

Steigende Tendenz bei Hasskriminalität

Hildenbrand bezog sich auf die Zahlen des Innenministeriums zur Hasskriminalität in Baden-Württemberg. Demnach wurden im Jahr 2020 insgesamt 746 politisch motivierte Straftaten im Bereich der Hasskriminalität aktenkundig. Tendenz „leider steigend“, wie Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte. 650 Delikte wurden dem rechten Spektrum zugeordnet. Darunter fallen Äußerungen, die antisemitisch, rassistisch oder beispielsweise gegen Schwule und Lesben gerichtet sind. Hildenbrand konstatierte: „Wir müssen das gesellschaftliche Klima schützen“.

AfD zweifelt an Daten

Das trug dem grünen Abgeordneten den Applaus aller Fraktionen ein, mit Ausnahme der AfD. Ihr Redner Daniel Lindenschmid zweifelte die Zahlen des Innenministeriums ebenso an wie den Begriff der Hasskriminalität. Das sei ein „Gummibegriff“ unter dem „alles oder nichts“ verstanden werden könne, was nach Ansicht Lindenschmids „dramatische Folgen für die Meinungsfreiheit“ hat. Er führte Morddrohungen gegen AfD-Politiker an und klagte, Oppositionelle müssten in Deutschland um ihr Leben fürchten, „nur weil sie eine vom Mainstream abweichende Meinung vertreten“. Er forderte: Straftaten müssten verfolgt werden, unabhängig davon, von welcher Seite sie kämen.

Strobl sagt Hass aus allen Richtungen den Kampf an

Das versicherte Innenminister Strobl. Egal aus welcher Richtung die Verrohungen kämen, sagte er, „das ist alles verachtenswert und wird bekämpft“. Zum großen Teil seien die Straftaten jedoch rechtsmotiviert. „Davor verschließt die AfD die Augen, die Landesregierung aber nicht.“ Strobl hob den Kampf gegen Antisemitismus besonders hervor. „Wir sind uns im Landtag und in der Landesregierung einig: „Nie wieder brennen in Deutschland Synagogen, dafür stehen wir.“ Dem pflichteten alle Fraktionen bei.

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Die Landesregierung hat im September einen Kabinettsausschuss gegen Hass und Hetze eingerichtet. Im Haushalt 2022 seien 450 zusätzliche Stellen bei der Justiz vorgesehen, knapp 30 davon sind laut Strobl dem Kampf gegen Hasskriminalität gewidmet.

In einem ressortübergreifenden Aktionsplan soll die Fortbildung der Polizei zum Thema ebenso gestärkt werden wie die Prävention durch Sensibilisierung in der Schule. In jeder Polizeidienststelle soll es einen Ansprechpartner geben.

Parlamentarier sollen Vorbild sein

Nico Weinmann, der Rechtsexperte der FDP, begrüßte den Aktionsplan. Der Anstieg der Straftaten dürfe den Landtag nicht kalt lassen: „Wer Hass sät, muss Rechtsstaat ernten“, sagte der Abgeordnete. Christian Gehring (CDU) sieht Parlamentarier aller Parteien aufgefordert, Vorbild zu sein und den Hass nicht zu befördern.

Sascha Binder, der Innenexperte der SPD-Fraktion, unterstrich „Hass ist Gift, Gift für die Demokratie, Gift für die Gesellschaft“. Er appellierte an die Abgeordneten: „Überall, wo nur im Ansatz Hass Teil einer Diskussion ist, haben wir die Verantwortung, dagegen aufzustehen“. Die Regierung müsse ermöglichen, dass die Gesetze umsetzbar seien. „Wir müssen für mehr Personal auch in der Justiz sorgen, damit solche Dinge verfolgt werden können“, verlangte Binder. Ein Kabinettsausschuss sei nicht ausreichend.