Hasko Weber, Intendant des Schauspielhauses, rechnet mit pünktlicher Wiedereröffnung .
Die Bauarbeiten dürfen ihren letzten nötigen Druck nicht verlieren, warnt Hasko Weber, denn eine weitere Verzögerung der Wiedereröffnung hätte schwerwiegende Folgen. Ein Gespräch über Baustellen, Theaterklassiker und Erfahrungen mit dem Publikum am Interimsspielort Türlenstraße.
Herr Weber, „Die Sanierung des Schauspielhauses ist eine tolle Aufgabe“, sagten Sie im Juni im Gespräch mit unserer Zeitung. Nun eilen Sie immer noch zwischen Krisensitzung, Baustellenbesuch und Proben hin und her. Ist es immer noch eine tolle Aufgabe?
Der Aufsichtsrat will erst Mitte Januar entscheiden, ob das Haus auch aus sicherheitstechnischen Gründen wirklich öffnen kann. Zehrt das an den Nerven?
Ungewissheit bedeutet für uns Planungsunfähigkeit und kommt einem K. o. gleich. Deshalb gilt es, Besonnenheit und Ruhe zu bewahren und progressiv zu denken.
Dennoch, wie wirkt sich diese Ungewissheit auf die Proben aus?
Es gilt immer, Widrigkeiten dieser Art fernzuhalten und die Kunst zu schützen. Das ist uns 1 ½ Jahre lang parallel zu den Bauarbeiten gelungen. Wir rechnen in den Proben für „Don Karlos“ und „Das Spiel ist aus“ mit Lärmbehinderungen und anderen Schwierigkeiten. Darauf stellen wir uns ein, so gut es geht. Aber die Premieren werden am 17. und 18. Februar stattfinden, ganz klar.
Was machen Sie, wenn das Haus doch nicht rechtzeitig eröffnen kann? Gibt es diese Pläne für eine Interimsspielstätte?
Gegenwärtig gibt es nur ein Ziel: Wir wollen ins Haus zurück. Geben wir dieses Ziel auf, verlieren die Bauarbeiten ihren letzten nötigen Druck. Die Folgen wären schwerwiegend, wenn man bedenkt, dass jetzt schon alles ein halbes Jahr über den ursprünglichen Termin hinausragt. Außerdem hat sich bisher niemand bei uns gemeldet, um die Kosten für eine Interimsverlängerung und alle Einnahmeausfälle zu übernehmen. Mir ist daher der ideelle Aspekt noch wichtiger als alles andere. Wir sind das größte Schauspieltheater der Stadt und des Landes und müssen unsere Position verteidigen, für das Publikum und gegen alle Schwierigkeiten einer Baustelle.
Wenn man ein Haus mit einer neuen hochmodernen Technik wiedereröffnet, will man die doch sicher zeigen. Was wird daraus angesichts der Verzögerungen, von denen gerade auch die Bühnentechnik betroffen ist?
Die Premieren werden stattfinden, und beide künstlerischen Teams haben ihre Konzeptionen und Bühnenbilder frei entwickelt. Die Produktion in unseren Werkstätten läuft ohne Einschränkungen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.
Mit Schillers „Don Karlos“ inszenieren Sie seit längerem wieder einen Klassiker. Welcher Aspekt interessiert Sie besonders?
„Don Karlos“ ist ein sehr vielschichtiges Stück, in dem Schiller wenigstens drei Ebenen verknüpft, die mich faszinieren: eine Liebesgeschichte, ein politisches Drama und eine moralische Prüfung.
Das Stuttgarter Publikum hat Sie mit überzeugenden Inszenierungen von Ibsens „Brand“ und „Peer Gynt“ kennengelernt. Wie werden Sie die verbleibenden Spielzeiten angehen – gibt es zum Abschied einen Ibsen von Ihnen?
In der vergangenen und der laufenden Spielzeit habe ich jeweils drei Inszenierungen herausgebracht, mehr werden es auf keinen Fall werden. An Ibsen denke ich für 2012/13 nicht.
Denken Sie aber schon an die Zeit nach 2012/13? Oder genießen Sie immer noch die Freiheit, keine Pläne zu machen?
Wenn Sie meine persönliche Zukunft meinen, habe ich selbstverständlich Pläne. Die behalte ich aber noch für mich.
An Silvester spielen Sie zum letzten Mal in der Interimsstätte Türlenstraße. Welche Erfahrungen nehmen Sie mit ins Schauspielhaus?
Die Türlenstraße hat uns alle näher zusammengebracht. Das gilt intern für das Ensemble, alle Gewerke und die Dramaturgie. Alle dicht unter einem Dach in Reichweite zu wissen und die alltäglichen Abläufe auf diesen Grundlagen zu organisieren hat ein gutes Miteinander erzeugt. Aber auch mit unserem Publikum hat sich eine besondere Nähe ergeben. Die Zuschauer waren dicht am Geschehen dran, und unser Foyer hat immer auch zum Bleiben und Verweilen eingeladen. Diesen Geist wünsche ich mir auch für das neue Schauspielhaus.
Werden einige Inszenierungen mit umziehen?
Leider nur „Die Schneekönigin“, alle anderen Inszenierungen sind nicht übertragbar.
Schade. Ihr Kollege Jossi Wieler zeigt in der Oper erfolgreich einige Wiederaufnahmen. Warum ist das im Theater nicht möglich? Inszenierungen wie „Brand“, „Platonow“ oder „Elvis lebt“ sind nicht so tagesaktuell, dass man sie nicht wieder zeigen könnte.
Schauspiel ist kurzlebiger als Oper. Es ist schon aus technischen Gründen unmöglich, eine Aufführung wie „Brand“ über viele Jahre aufzuheben. Jede Inszenierung hat ihre Zeit. Unter Umständen würde man sich heute wundern, „Brand“ wieder auf der Bühne zu sehen. Deshalb gilt es, Neues zu schaffen. Das ist auch im Sinne einer Eröffnung angemessen und richtig.
Bei der Spielzeitmatinee im Herbst sagten Sie: „Seit September 2010 ist viel passiert, wir haben jetzt ein anderes Publikum“. Wie erleben Sie dieses andere Publikum?
Stuttgart hat eine sehr spannende Phase der Auseinandersetzung erlebt, die auch noch nicht vorüber ist. Die Wachheit für gesellschaftliche Fragen, die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist gewachsen. Das halte ich für außergewöhnlich und sehr wertvoll.
Wie werden Sie im Theater darauf reagieren?
Diese Neugier und Offenheit lässt sich nicht konservieren und mitnehmen. Wir versuchen, mit unseren Inszenierungen immer auf Zeitgeschehen einzugehen und unser Publikum zu sensibilisieren. Das werden wir auch weiterhin tun. Die spürbare Veränderung ist, dass wir schneller auf Reaktionen stoßen, weil die Aufmerksamkeit für bestimmte Themen gestiegen ist. Das spornt uns natürlich auch an.
Anfang Januar ziehen Sie von der Türlenstraße zurück ins Schauspielhaus. Was werden vermissen, was nicht?
Die Büros für alle unsere Mitarbeiter waren in der Türlenstraße geräumig, hell und dem Arbeitspensum angemessen, da müssen wir uns im Schauspielhaus wieder sehr einschränken. Was ich nicht vermissen werde, ist eine unzuverlässige Schranke an der Einfahrt.