Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, spricht mit Vertretern seiner Regierungspartei AKP. Foto: dpa/Uncredited

„Die Türkei hat Terroristen getötet“ – ein Hashtag mit diesem makaberen Inhalt hat auf Twitter ein großes Publikum erreicht. Dahinter verbirgt sich eine Propagandaschlacht, die Erdogans Krieg in Nordsyrien rechtfertigen soll.

Ankara - Was ist ein Hashtag nur für ein verschmitztes Werkzeug. Vier Striche, die übereinanderliegen, katapultieren einen per Tastenschlag in die Gedankenwelt von Millionen von Internetnutzern. Dass man dabei auch schnell in die Fänge eines Propagandakrieges geraten kann, zeigt das Beispiel der Türkei, die seit dem Auftakt des Militäreinsatzes im Norden Syriens wieder im Zentrum medialer Aufmerksamkeit ist.

„Die Türkei hat Terroristen getötet“

Auf Twitter heben sich entgegensetzte Standpunkte hervor, die den Krieg, der an der türkisch-syrischen Grenze stattfindet, ins Internet transformiert: Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die den Militäreinsatz als Kampf der Türkei gegen den Terror und für den Frieden interpretieren. Auf der anderen Seite sind jene, die in der Offensive des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan die kriegerischen Machtspiele eines Diktators sehen.

In sozialen Netzwerken haben sich nun überraschend viele Menschen auf die Seite Erdogans geschlagen. Ein beachtlicher Teil von Usern drückt weltweit seine Unterstützung für den angeblichen Kampf gegen den Terror aus. Der Hashtag, der am zweiten Tag der Gefechte, am Donnerstag, zwischenzeitlich einer der meistgesetzten Hashtags weltweit war, mit mehr als 150 000 Setzungen, lautet #Turkeyjustkilledterrorists. In dem Schlagwort steckt wörtlich die Botschaft, dass die Türkei soeben Terroristen getötet habe. Dahinter verbirgt sich eine breit angelegte Kampagne, in der der Eindruck vermittelt werden soll, dass die türkischen Streitkräfte bedingungslos die Guten sind: Bilder von Soldaten, die Kinder trösten, ihnen Schokolade geben und als Retter inszeniert werden.

Einige der Profile lassen auf eine deutlich rechte Gesinnung der User schließen: Die Profile haben teilweise nur türkische Fahnen als Profilbild oder drücken in weiteren geteilten Beiträgen eine Feindseligkeit gegen Kurden aus. Andere Profile lassen sogar darauf schließen, dass es sich um keine echten Nutzer handelt, sondern um Twitter-Bots. Beispielsweise haben die Profile keinen Nutzernamen oder teilen denselben Inhalt immer wieder. Dass es sich also um eine gezielte Online-Kampagne handelt, die Stimmung für Erdogan schüren soll, ist nicht ausgeschlossen.

Berühmtes Opfer der PKK

Eines der prominentesten Gesichter, die unter dem Hashtag #Turkeyjustkilledterrorists immer wieder auf Twitter auftauchen, ist das des fünfzehnjährigen Eren Bülbül, der bereits im Jahr 2017 bei einem Gefecht zwischen türkischen Sicherheitskräften und Kämpfern der kurdischen Terrororganisation PKK in der Türkei getötet wurde. Er fiel Geschossen der kurdischen Milizen zum Opfer. Sein Bild ist zu einem Aushängeschild der Feinde der PKK geworden. Er soll an die Opfer des Terrors erinnern und veranschaulichen, dass auch Kinder nicht verschont werden in dem Krieg. Ohne Rücksicht werden zudem Bilder toter Kinder geteilt, die angeblich die ersten Opfer des Kriegs darstellen. Die Behörden bestätigten am Donnerstag sogar den Tod eines neun Monate alten syrischen Flüchtlingskindes. Ob es sich bei der Darstellung auf den Bildern um den Jungen handelt, kann jedoch nicht bestätigt werden.

Rhetorik Erdogans als Vorbild

Die Rhetorik der Unterstützer des Einsatzes geht einher mit der Ausdrucksweise Erdogans selbst. Er hat am Mittwoch den Auftakt zu dem lange angekündigten Kampf gegen die Kurden im Norden Syriens ebenfalls auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verlautbart. Am selben Tag griff die türkische Luftwaffe Stützpunkte der syrischen Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien an. Laut der Ansage Erdogans gilt der Militärschlag gleichzeitig der PKK und dem Islamischem Staat (IS). Das Ziel sei Frieden in die Region zu bringen, daher nennt er den Einsatz „Quelle des Friedens“ auf türkisch #BarışPınarıHarekatı. Seine Anhänger schließen sich seiner Rhetorik in der Internetkampagne an: Wir die Guten, Ihr die bösen Terroristen.

Gegner der Offensive teilen auch Bilder toter Babys

Die Gegner der Militäroffensive in Syrien drücken ihre Solidarität mit den Kurden und den Bewohnern Nordsyriens aus, mit Hashtags, die Inhalte haben wie „Die Türkei ist ein Terrorstaat“, „Halte zu den Kurden“. Hier sieht man Bilder von weinenden Müttern und Kindern. Und immer wieder die Bilder von toten Kindern, die bei den Gefechten der letzten Tage angeblich getötet wurden. Jede Seite beschuldigt jeweils die Gegner des Kindermordes.

Vier zivile Tote

Während in den sozialen Netzwerken weiter mit emotionalisierten Bildern um die Deutung des Krieges gekämpft wird, sind die türkischen Streitkräfte laut eigenen Angaben weiter in das Landesinnere eingedrungen und haben Dörfer der YPG eingenommen. Erdogan selbst verkündet am Donnerstag, dass mehrere hundert Kämpfer auf kurdischer Seite bereits getötet wurden. Die Kurdenmiliz behauptet, sie hätten die Angreifer zurückgeschlagen. Offiziell hat der Krieg bereits vier zivile Opfer gefordert. Der türkische Staatschefs beabsichtigt mit der Militäroffensive die Errichtung einer Sicherheitszone im Norden Syriens, um dort künftig Flüchtlinge anzusiedeln. Der Ausgang der umstrittenen Militäraktion bleibt jedoch weiterhin offen.