Die Frauenrechtsorganisation Terre des femmes hat gegen frauenverachtende Sprache die Kampagne #unhatewomen gestartet. Foto: dpa/Philipp und Keuntje

Die Frauenrechtsorganisation Terre des femmes hat die Kampagne #unhatewomen ins Leben gerufen und will zeigen, dass auch Worte Gewalt sein können. Sie adressiert vor allem den deutschen Hip-Hop - und hat damit in ein Wespennest gestoßen.

Berlin - Es ist Kunst, sagen die einen. Es ist Frauenhass und Gewaltverherrlichung, sagen die anderen. Die Rede ist - wieder einmal - vom deutschen Gangsterrap. Nun hat die Frauenrechtsorganisation Terre des femmes gegen frauenverachtende Sprache die Kampagne #unhatewomen gestartet.

In den Videos und Fotos zu der Aktion lesen Frauen Songtexte von etablierten Rappern wie Gzuz, Fler oder Farid Bang vor. Die Rapper brüsten sich in den zitierten Liedzeilen damit, Glasscherben ins Gleitgel der Frau zu mischen, sie mit Drogen zu betäuben, Sextapes zu veröffentlichen oder die „Alte“ im Backstage „zu zerfetzen“. Auch Gewaltandrohungen gegen Frauen spielen eine Rolle: Wenn „die Bitch“ nicht bügelt, gibt es Prügel - „muss sein“, heißt es in einer Songzeile von Kurdo & Majoe.

„Als weiblicher Hip-Hop-Fan kann ich mir diese Texte nicht anhören. Ich höre lieber Künstlerinnen und Künstler, die in ihrer Musik keinen Sexismus verbreiten“, sagt Lina Burghausen. Sie ist Musikmanagerin und arbeitet unter anderem mit vielen Rapperinnen zusammen. Burghausen sieht das Problem unter anderem in der gesamten Branche: „Man ist sich seit langem einig, dass Rassismus nicht geht. Aber Sexismus gilt immer noch als Kavaliersdelikt.“ Das betreffe aber nicht nur den Hip-Hop, sondern auch Schlager und Popmusik.

Gewalt müsse nicht immer physisch sein, heißt es auch in der Kampagne: „Verbale Gewalt gegen Frauen wird millionenfach gehört, geliked und gefeiert – und so zum Teil unseres Alltags und unserer Sprache.“

Der Rapper Fler, seit Jahren in der Kritik wegen vulgärer Texte und gewalttätigem Verhalten, sieht das anders. Auch er wird in der Kampagne kritisiert, nämlich für die Songzeile: „Ich will keine Frauen, ich will hoes (englisch für Hure). Sie müssen blasen wie Pros (englisch für Profis).“ Dass Frauen damit zu einem bloßen Objekt degradiert werden, verneint er. Eine „Hoe“ bezeichne im Rap-Jargon das perfekte Schönheitsideal und die Songzeile reduziere ja nicht nur die Frau, sondern auch den Mann auf seine Sexualität, postete er auf Instagram. Fler geht auch zum Gegenangriff über: Das Problem an der Kampagne sei vielmehr, dass die Frau auf dem Kampagnenfoto hässlich sei.

Farid Bang, Haftbefehl und Co. brechen nicht nur Tabus – sondern Rekorde

Verbale Grenzüberschreitungen gehören zwar zu bestimmten Rapgenres dazu, erklärt Sina Nitzsche vom European Hiphop Studies Network an der Ruhr-Universität Bochum. „Die performative Grenzüberschreitung, Gewaltverherrlichung und Herabsetzung verleihen den Künstlern eine gewisse Authentizität.“ Nitzsche warnt aber auch: Sprache schaffe Realität. Die Gefahr, dass Gewalt und Frauenhass so normalisiert würden, sei groß.

Viele Rapper seien doch nur Kunstfiguren, heißt es in Rapforen und auf sozialen Netzwerken. Nur weil ein Schauspieler in einem Film einen Mörder darstelle, ziehe er ja im echten Leben nicht los und töte einen Menschen. Das Argument möchte Lina Burghausen nicht gelten lassen. „Da steckt ein frauenverachtendes Wertesystem dahinter - wenn auch vielleicht nicht in der Intensität, wie es in den Texten passiert. Natürlich gibt es auch Kunstfiguren im Rap, die das offen über sich selbst sagen und ausleben. Wenn ein Rapper aber immer wieder auf seine Authentizität pocht, sollte man sich nicht wundern, wenn er seinen sexistischen Texten auch Taten folgen lässt.“

Das zeigten ihr zufolge auch die Ereignisse in der vergangenen Woche. Wüste Beschimpfungen und Drohungen von Fler gegen den Komiker Shahak Shapira und gegen eine Frau, die sich als Feministin zu erkennen gab, hatten die Frage aufgeworfen, wie schnell aus Songtexten Realität werden kann. Die Frau hatte bei Instagram auf die Kampagne und Fler verlinkt. Der griff daraufhin die Frau an: „ich kann ja mal Täter werden wenn du mir weiter auf die Eier gehst.“ Die Polizei ermittelt in diesem Fall.

Farid Bang, Haftbefehl und Co. brechen aber nicht nur Tabus - sondern auch Rekorde. Gangster-Rapper Capital Bra etwa hält rund 20 Nummer-eins-Hits in den deutschen Charts - mehr als jeder andere Musiker. Die Szene befinde sich der Forscherin Sina Nitzsche zufolge aber gerade in einem Wandel: „Es gibt immer mehr kommerziell erfolgreiche Rapperinnen, wie zum Beispiel Shirin David, Juju, Loredana oder Nura, die Weiblichkeit in der Rapmusik neu und spannend verhandeln.“

Auch die Rapperin und Schriftstellerin Lady Bitch Ray sieht eine Veränderung: „Was jedoch NEU ist beim Thema Sexismus im Deutschrap: dass sexuelle & häusliche Gewalt mehr & mehr SICHTBARER wird, früher hat man solche Stories hintenrum mitbekommen“, twitterte sie. Sie zieht aber auch eine bittere Schlussfolgerung: „Die Frauen trauen sich jetzt mehr, ihre Erfahrungen öffentlich zu machen, doch die Konsequenzen fehlen.“