Wann kommen bessere Zeiten? Frank Plasberg diskutierte mit seinen Gästen über den Impfstoff-Mangel. Foto: obs/ARD Das Erste

Zu wenig Impfstoff, zu viel Bürokratie: Bei der ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ diskutieren die Gäste über die Probleme der Corona-Impfung in Deutschland und blicken auf andere Länder. Lösungsansätze zeigen sie kaum auf.

Köln - Oft kommt es nicht vor, dass alle Gäste eines Polittalks in einer Frage ein- und derselben Meinung sind. Die Impfdosen aber sind in Deutschland derzeit ein derart rares Gut, dass bei Frank Plasbergs Runde „Hart aber fair“ zumindest in diesem einen Befund Einigkeit besteht: Es muss mehr Impfstoff her. Der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering mahnt im Verlauf der Sendung wiederholt eine Verfünffachung der Liefermengen an. Und die Tübinger Notärztin Lisa Federle berichtet von der Basis: Sie erhalte täglich Beschwerdeanrufe – und auch Angebote: „Mir haben Leute schon Geld für eine Impfdosis geboten und gesagt, dass sie alles bezahlen würden.“

War die Europäische Union zu geizig?

Fast eine Stunde lang diskutiert die Runde über die Ursachen des Impfstoff-Mangels. Die zentrale Bestellung durch die Europäische Union sei eine unglückliche Entscheidung gewesen, findet die Journalistin Anette Dowideit. Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hätten den innereuropäischen Zusammenhalt zur Maxime erhoben – auch zulasten schlanker Entscheidungswege. Die EU charakterisiert Dowideit als schwer manövrierbaren Staatenbund mit vielen Einzelinteressen, die kaum unter einen Hut zu bringen seien.

Vor allem beim Preis und der Zahlungsbereitschaft habe Uneinigkeit bestanden: „Israel und Großbritannien haben die Impfstoffe nicht nur früher eingekauft, sondern vor allem zu höheren Preisen.“ Deshalb würden diese Staaten nun auch bevorzugt beliefert und hätten eine weitaus höhere Impfquote vorzuweisen. „Hat sich die EU in den Verhandlungen zu Tode gespart?“, fragt Gastgeber Plasberg provokativ.

Hirschhausen nimmt Impfstoff-Hersteller in die Pflicht

An dieser Stelle nimmt Moderator und Arzt Eckart von Hirschhausen die Hersteller in die Verantwortung. Es müsse schon auch die Frage erlaubt sein, ob sich ein Impfstoff in der derzeitigen Notlage zur Gewinnmaximierung eigne oder nicht viel eher ein öffentliches Gut sei. Schließlich wäre die schnelle Entwicklung eines Vakzins ohne die großzügigen Geldspritzen vonseiten der Politik nicht möglich gewesen. Jetzt die Gewinne zu privatisieren, sei ein fragwürdiges Modell.

Überhaupt nicht einverstanden ist Lisa Federle indessen mit der Vergabe der Impftermine in Deutschland – vor allem mit Blick auf die älteren Menschen, die zuhause leben: „An dieser Gruppe laufen die Planungen völlig vorbei. Die haben oft keinen Internetzugang oder schlafen um Mitternacht, wenn die Termine freigeschaltet werden.“ Gut, dass ein direkt Betroffener aus der Runde berichten kann: Franz Müntefering (81) gehört qua Alter zur Risikogruppe. Ja, er habe einen Impftermin bekommen – allerdings nur mithilfe seiner Frau, alleine hätte er wohl Schwierigkeiten gehabt.

Uneinigkeit zwischen Lisa Federle und Franz Müntefering

Zur Lösung der Misere plädiert Müntefering für Solidarität unter Nachbarn und Verwandten: Mit deren Hilfe müsse das Problem der Terminanmeldung doch zu lösen sein. Da hakt Federle ein: Es werde ohnehin schon fast alles vor Ort gestemmt und eben nicht von den politischen Entscheidungsträgern: „Und dann stimmt etwas nicht in unserem Staat.“

Auf Lösungsvorschläge kommt die Runde erst ganz am Ende zu sprechen. Man müsse die Gruppen der Impfberechtigten verkleinern, schlägt der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann vor: „Wenn weniger Leute auf das System zugreifen, ist es auch nicht so schnell überlastet.“ Kurz darauf regt die „Hart aber fair“-Redaktion in einem Einspieler ein Vorgehen wie bei der Brustkrebsvorsorge an: Dort erhalten Frauen ab einem bestimmten Alter regelmäßig per Post eine Einladung mit einem konkreten Vorschlag für einen Vorsorgetermin. Hirschhausen hält das auch mit Blick auf die Corona-Impfungen für „hochgradig sinnvoll“. Widerspruch kommt nicht, wirklich ausdiskutiert wird die Idee aber auch nicht. Die Sendezeit neigt sich dem Ende.

Wann ist der Impfstoff-Mangel behoben?

Mit einem verhalten optimistischen Ausblick schickt die Talkrunde das Publikum in die Nacht. Müntefering sieht trotz des holprigen Starts noch immer gute Chancen, 2021 zum „Jahr der Impfung“ zu machen. Einen noch kürzeren und konkreteren Zeithorizont umreißt Han Steutel, zugeschalteter Präsident des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen: Am Ende des zweiten Quartals könne der Engpass bei den Corona-Impfstoffen behoben sein.