Frank Plasberg moderiert die ARD-Sendung „Hart aber fair“. Foto: obs/ARD Das Erste

Nie wieder dürfen wir unsere Pflegeheimbewohner isolieren wegen Corona, das war Konsens bei „Hart aber fair“. Aber wie schützen wir sie? Statt zu antworten feilschten die Gäste ums Geld – fürs Pflegepersonal.

Stuttgart - Was im März und April mit den strengen Besuchsverboten in den Alten- und Pflegeheimen passiert ist, dass darf nie wieder geschehen, das waren sich die Studiogäste einig. Nur einer in Frank Plasbergs Talkrunde „Hart aber fair“ am Montagabend erinnerte noch mal an die Umstände, als die erste Corona-Virus-Welle über Deutschland rollte: „Wir standen doch nackt da. Wir hatten keinen Schutz, konnten nur die Tür zu machen“, sagte Bernd Meurer, ein Betreiber von Pflegeheimen und Präsident des Verbandes privater Anbieter von sozialen Diensten. Die Statistik, die Frank Plasberg für die Sendung recherchiert hatte, zeigte erneut das immense Risiko für die Älteren: von den fast 9600 Corona-Toten in Deutschland seien 37 Prozent in Alten- oder Pflegeheimen gestorben.

Verzweifelte Szenen aus dem Hanns-Lilje-Heim

Und dennoch: Das Wort von Kanzlerin Angela Merkel, es dürfe nie wieder vorkommen, dass Menschen „mutterseelenallein“ sterben, weil ihre Angehörigen wegen der Pandemie nicht kommen durften, ist in der Sendung mehrfach wiederholt worden. Es gehöre auch zur Menschenwürde, dass der Mensch nicht alleine sterben muss, sondern jemand an seiner Seite hat, sagte der evangelische Theologe und ehemalige EKD-Ratspräsident Nikolaus Schneider: „Der Mensch ohne Mitmenschen ist ein Gespenst.“ Schneider schilderte, wie er einen dem Tode nahen Bekannten „als Seelsorger“ besuchen konnte, dessen Frau aber nicht kommen durfte: „Der ging ohne sie ein wie eine Primel ohne Wasser.“ Der Bekannte habe die Zeit aber überstanden.

Aufrührend in der Sendung waren Einblendungen aus einer Dokumentation aus dem Hanns-Lilje-Heim in Wolfsburg, in dem 47 Bewohner an Corona starben: Da schilderten Pflegekräfte die verzweifelte Lage in der Corona-Isolation, sie hätten demenzkranke Menschen einsperren müssen, die hätten das gar nicht verstanden. „Es war wie im Knast“, sagte eine Pflegerin. Eine andere meinte, sie habe in den Augen der Bewohner gesehen, „dass sie Angst haben“.

Als Helden wurden die Pfleger beklatscht – aber verbessert hat sich nichts

Solch furchtbaren Zustände will niemand mehr. Aber wenn das Virus mit Macht zurückkehre – wie schützen wir dann unsere Älteren, fragte Plasberg. Eine richtige Antwort hatte eigentlich niemand, aber immerhin eine Ahnung in welche Richtung es gehen müsste: mit einer besseren Personalausstattung in den Heimen könne auch die Zuwendung und der Schutz in der Corona-Krise erhöht werden. Schon im Frühjahr war das Pflegepersonal ja als „Helden“ gefeiert und auf Balkonen beklatscht worden – aber verbessert habe sich seither eigentlich „gar nichts“, so die Kranken- und Altenpflegerin Nina Böhmer: „Die Personal- und Materialsituation ist noch gleich. Wir arbeiten noch an der Belastungsgrenze, obwohl einige Operationen verschoben worden sind. Ich habe nur eine Schutzmaske pro Dienst.“ Im übrigen sorge auch der Corona-Bonus für Unmut, einige bekommen ihn, andere, die beispielsweise in Kurzarbeit mussten, erhalten ihn nicht. „Den sollte man doch allen ausbezahlen.“

Vom Staatssekretär kommt ein schlauer Rat: streiken!

Es waren dann ein Chefarzt und ein Politiker, die sich vehement in die Bresche für das Pflegepersonal warfen: „Ohne die Pflegekräfte können wir gar nichts machen“, sagte Uwe Jansssens, Präsident der Vereinigung für Intensivmedizin. Und er brachte Zahlen, die den Druck in der Pflegebranche deutlich machen: Von 1991 bis 2017 sei die Zahl der Ärzte um 70 Prozent gestiegen, die der Pflegekräfte aber nur um vier Prozent – „und das bei einer gestiegenen Belegung in den Krankenhäusern und einer gesunkenen Liegedauer“. Werde sich die Personalsituation in der Pflege nicht verbessern, so Janssens, dann sehe er eine Katastrophe voraus. Auch die Ärzte könnten mehr tun, etwa dem Pflegefachpersonal mehr Verantwortung übertragen, damit der Beruf attraktiver werde.

Getoppt worden ist diese ärztliche Solidarität mit den Pflegern nur von Andreas Westerfellhaus, Staatssekretär im Gesundheitsministerium und Pflegebevollmächtigter der Regierung: durch eine treffende Analyse, wonach es „immer noch keine verlässlichen Dienstpläne“ gebe und sogar noch Dienste mit zwölf Tagen am Stück, sowie durch einen schlauen Ratschlag: „Das Pflegepersonal müsste einmal gemeinsam solidarisch auftreten. Und an einem Tag beweisen, was Pflege eigentlich bedeutet.“ Dass Westerfellhaus da unverhohlen einen Streiktag vorschlug, das hatte die Runde dann recht gut verstanden. Man könne die Patienten aber nicht allein lassen, man sei ja „nicht bei der Bahn, wo mal alles still stehen kann“, gab der Heimbesitzer Meurer zu bedenken. Und der Theologe Schneider meinte: Die Mitarbeiter seien erpressbar, wenn sie „mal ihre Macht entfalten“ wollten.

Schnelltests wären eine gute Lösung – aber wer macht die eigentlich?

Ein heftiges Gefeilsche entstand dann bei der Frage nach einem allgemeingültigen Tarifvertrag für die Pflegebranche, der der weitgehenden Tariflosigkeit ein Ende setzt und von der AWO, dem Arbeiter-Samariter-Bund und Verdi vorgeschlagen wird. Aber ist eine bundeseinheitliche Entlohnung sinnvoll, wenn eine 60-Quadratmeter-Wohnung beispielsweise in München 1015 Euro kostet und in Zwicken nur 311 Euro? Man könne doch den allgemein verbindlichen Vertrag als Untergrenze ansehen und dann je nach Region „etwas drauflegen“, schlug Frank Plasberg vor. Die Begeisterung über die Idee hielt sich in Grenzen. Man zahle in den evangelischen Einrichtungen schon heute nach einem an den Öffentlichen Dienst angelehnten Tarif, bemerkte Nikolaus Schneider. Und Bernd Meurer kritisierte den Vorstoß als „politisches Manöver und verfassungswidrig“. „Wir brauchen höhere Entgelte, wir stehen im Wettbewerb um Fachkräfte“, so Meurer. Aber schon jetzt müsse er mit den Kostenträgern „um jeden Cent“ feilschen für eine bessere Vergütung.

Ganz am Ende tauchte noch eine Idee auf, wie Heimbewohner besser geschützt werden könnten: Mit den neuen Antigen-Schnelltests, die binnen 15 Minuten ein Ergebnis bringen und mit denen Personal, Patienten, Besucher und Heimbewohner getestet werden könnten. Ja, das könne die Heime sicherer machen, meinte Heimbetreiber Bernd Meurer: „Aber solch ein Test muss dokumentiert werden, er dauert alles in allem 20 Minuten. Und vermutlich sind 400 bis 500 Tests im Monat fällig. Wer soll das eigentlich machen?“ Die Frage blieb unbeantwortet im Raum.