Bei Frank Plasberg ging es in der Sendung um Wohnungspolitik Foto: obs/ARD Das Erste

Bei Frank Plasberg ging es dieses Mal nicht um das Coronavirus, sondern um Wohnungspolitik - um das von den Grünen erst kürzlich in Hamburg-Nord beschlossene Einfamilienhaus-Verbot, den Berliner Mietendeckel und eine Berliner Enteignungs-Initiative.

Stuttgart - 63 Prozent der Deutschen sollen vom Eigenheim träumen. In Hamburg-Nord gehört das nun der Vergangenheit an, es gilt ein Einfamilienhaus-Verbot - weil effizienter mit Bodenflächen umgegangen werden soll. Amira Mohamed Ali, Bundesfraktionsvorsitzende der Linken, steht für eine radikalere Wohnungspolitik und plädiert bei „Hart aber fair“ für einen Mietenstopp und für mehr Wohnungen in öffentlicher Hand. Die Geschäftsführerin des deutschen Zentralrats für Immobilienwirtschaft, Aygül Özkan, hingegen fand, so werde nicht mehr Wohnraum geschaffen.

Und auch der baupolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Kai Wegner, ist gegen ein Verbot von Einfamilienhäusern. Der Berliner Oberbürgermeister-Anwärter will Wohnraum für alle Einkommensklassen schaffen, auch in der Stadt. Die grüne Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, Katja Dörner, bezeichnete die Debatte ums Eigenheim für ideologisch aufgeladen. In vielen Städten stelle sich die Frage nach neuen Einfamilienhäusern gar nicht, weil kaum Bauflächen zur Verfügung steht. Der Architektur-Journalist und Autor Gerhard Matzig kritisierte Einfamilienhäuser aus ökologischen Gründen. Es werde an den Menschen vorbei gebaut, Einfamilienhäuser seien veraltet.

Bauscham statt Flugscham?

Dass Wohnraum in Deutschland knapp ist, sind sich die Parteien einig. Diese Tatsache, so die Immobilienwirtschaftsvertreterin Özkan, werde allerdings durch die Diskussion um das Einfamilienhaus-Verbot überschattet. Der Wohnraummangel hänge laut Mohamed Ali auch damit zusammen, dass es jenseits der Ballungszentren an Infrastruktur mangele. Auch Dörner fand, leerstehenden Häusern in Dörfern müsse wieder Innovation und Leben eingehaucht werden.

Weniger einig waren sich die Gäste, was die Rolle von Einfamilienhäusern anging. Während Dörner in Städten vor allem Mehrfamilienhäuser bauen würde, müsse nach Özkan vor allem schneller und flexibler gebaut werden. Ob das Einfamilienhäuser oder Wohnungen sind, solle den Menschen selbst überlassen werden. Und auch CDU-Politiker Wegner forderte, niemanden aus der Stadt zu drängen und die Menschen so leben zu lassen, wie sie es möchten. Auch die Öko-Bilanz betreffend, gab es Diskussion. Dass Einfamilienhäuser „Rohstoffschleudern“, „Klimasünder“ und „Flächenfresser“ sind, wollte Wegner nicht so stehen lassen. Allen voran was den Flächenfraß betreffe, sah der CDU-Politiker mehr Supermärkte in der Pflicht und forderte, sich nicht aufs Wohnen einzuschießen.

Auf die Frage von Moderator Frank Plasberg angesprochen, ob Bauscham der neue Flugscham sei, fand Mohamed Ali es sinnvoll zuerst zu prüfen, welche Häuser vorhanden seien, bevor gebaut werde. Doch auch Journalist Matzig war genervt von Verboten, wolle sich nicht andauernd schämen müssen. Er erwähnte „tiny houses“ als Alternative zum Einfamilienhaus oder als Variante dessen. Denn die, wie sie etwa in einem Dorf bei Berlin entstehen sollen, würden keine Versiegelung des Bodens und seien leicht an den öffentlichen Nahverkehr anbindbar.

Kritik am Mietendeckel

Ein Streitthema des Abends war der Mietendeckel, der seit nun einem Jahr in Berlin gilt. Wohnungen in Berlin sind dadurch zwar günstiger geworden, aber es wurde auch schwieriger, überhaupt eine zu finden. Während Linken-Politikerin Mohamed Ali das von ihrer Partei auf den Weg gebrachte Gesetz verteidigte und auch Oberbürgermeisterin Dörner sich für den Mietdeckel aussprach, hielt CDU-Sprecher Wegner und Immobilienwirtschaftlerin Özkan dagegen. Für Özkan war der Mietendeckel ein Hindernis, was Investitionen und Modernisierung angeht und bremse das Bauen. Mohamed Ali merkte an, dass der Mietdeckel für Neubauten gar nicht gelte.

Wegner kritisierte zudem die Kurzfristigkeit des Gesetzes und, dass die Falschen davon profitieren würden. Stattdessen plädierte er für Neubau: „Schluss mit der Mangelverwaltung, wir müssen loslegen mit dem Bauen.“ Dass vor allem von öffentlicher Hand mehr gebaut werden müsse, fand auch Mohamed Ali. Dörner bemäkelte die Schlupflöcher, die der Mietendeckel biete. Wenn etwa ein Stuhl in der Wohnung stehe, gelte diese als möblierte Wohnung und falle nicht unter das Gesetz. Ohne eine Regulierung der Mietpreise befürchtet Mohamed Ali eine Explosion der Mieten, wie es schon passiere. Der Süddeutsche-Journalist Matzig fand sich zwischen den Stühlen wieder: „Sowohl Mietpreisbremse als auch der Mietendeckel sind nur eine Übergangslösung, es braucht sowohl den Markt als auch den Staat, um Wohnungen zu bauen, die besser zu unseren Leben passen.“

Regulierungsbedarf bei Spekulationsobjekten

Einen weiteren Konfliktherd barg das Thema Enteignung, wie sie etwa die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ fordert. Die von den Linken unterstützte Initiative will Immobilienkonzerne enteignen und sie dafür im Gegenzug entschädigen. Linken-Fraktionsvorsitzende Mohamed Ali sah die Enteignung im Grundgesetz verankert und lobte die Initiative, weil sie infrage stelle, wem die Stadt gehöre.

Die Bonner Oberbürgermeisterin merkte zwar an, dass Enteignung ein Ziel, nicht aber die Methode sein könne. Enteignung sehe sie nicht als richtigen Weg an, weil mit den Geldern ebenso öffentlicher Wohnraum geschaffen werden kann. CDU-Politiker Wegner stellte sich der Initiative klar entgegen, weil er mit den rund 36 Milliarden Euro für Entschädigungszahlungen Wohnungen schaffen will. Auch Journalist Matzig befand den Ansatz, Wohnungen zu enteignen bizarr: „Erst zieht sich der Staat aus der Verantwortung zurück, günstigen Wohnraum zu schaffen und lässt den Markt machen und jetzt wird enteignet.“ Das würde die ohnehin schon angespannte Wohnungssituation nur verschlimmern.

Mit einem nur verhalten optimistischen Gefühl entließ „Hart aber fair“ die Zuschauer in die Nacht. Wohnraum ist knapp, der Mietendeckel nur eine Übergangslösung, Enteignung würde mehr verschlimmern als verbessern und das Geld anderswo dringender benötigt. Dazu kommt: Wohnraum wird noch immer zu oft zum Spekulationsobjekt – wie auch im Praedium im Frankfurter Europaviertel, in dem viele Wohnungen zwar verkauft, aber unbewohnt sind. „Spekulativer Leerstand ist ein Problem in den Städten und da gibt es Regulierungsbedarf“, forderte Dörner.