Ein Intensivpfleger arbeitet auf einer Intensivstation des RKH Klinikum Ludwigsburg an einem Covid-19-Patienten. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die Regionale Kliniken Holding schlägt Alarm: Ihr Chef, Jörg Martin, spricht sich in Anbetracht der Lage für deutlich strengere Regeln und eine Impfpflicht für Pflegekräfte aus.

Ludwigsburg - Die Situation in den Kliniken im Kreis Ludwigsburg und der Region Stuttgart spitzt sich zu, die vierte Welle trifft die Krankenhäuser stärker als sie es erwartet haben. Besonders besorgt blicken die Verantwortlichen der Regionalen-Kliniken-Holding (RKH) auf die Intensivstationen. Ein Drittel der Intensivbetten, in denen Patienten beatmet werden können, ist bereits mit Covidpatienten belegt. In zwei Wochen, so Schätzungen, dürften es 40 Prozent sein. Im selben Zeitraum werden sich die Zahlen auf den Normalstationen wohl verdoppeln. „Es ist nicht mehr kurz vor Zwölf, eher schon Zwei nach“, sagt der RKH-Geschäftsführer Jörg Martin.

Momentan sieht er „keine effektiven Maßnahmen“, um die vierte Welle zu brechen. Die Politik, insbesondere im Bund, verkenne den Ernst der Lage. Martin nennt die zuletzt getroffenen Maßnahmen „planlos“. Die Debatte über das Ende der pandemischen Lage komme zur Unzeit, „derzeit wird alles verharmlost“, ärgert sich der Klinikenchef. Denn die laxe Haltung trage zum Infektionsgeschehen maßgeblich bei.

2-G-Regel und kostenlose Tests gefordert

Patienten können zwar noch relativ gut zwischen verschiedenen Krankenhäusern verschoben werden. Hotspots, wie es sie in der zweiten Welle gab, können derzeit nicht ausgemacht werden. In Ludwigsburg wurden beispielsweise schon Coronapatienten aus dem Kreis Esslingen aufgenommen, „aber auch dieses System kommt an seine Grenzen“, sagt Götz Geldner, ärztlicher Direktor der RKH-Kliniken und Koordinator für die intensivmedizinische Versorgung von Covidpatienten im Land.

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Geldner pocht deshalb in einem offenen Brief gemeinsam mit anderen Intensivmedizinern und Anästhesisten auf einen strikteren Kurs: Die 2-G-Regel für alle Bereiche des öffentlichen Lebens sei unausweichlich, strenge Kontakteinschränkungen, wo dies nicht sichergestellt werden können ebenfalls. Die RKH-Kliniken fordern außerdem, Personaluntergrenzen in der kommenden Zeit aufweichen zu dürfen, sowie kostenlose Coronatests für Geimpfte und Genesene. Außerdem müsse die Arbeit in den Kliniken und das Impfen unbürokratischer werden.

Impfquote bei Pflegekräften ist zu niedrig

In puncto Immunisierung blickt Jörg Martin auch ein Stück weit besorgt auf sein eigenes Personal. Während die Impfquote in anderen Bereichen in seinen Häusern bei 94 Prozent liegt, beträgt sie im Pflegedienst gerade einmal 74 Prozent – viel zu wenig, sagt der Chef. Martin plädiert deshalb für eine Impfpflicht beim Klinikpersonal und verweist auf das Nachbarland Frankreich. Momentan werden die RKH-Mitarbeiter, die die Spritze verweigern, täglich getestet, Kollegen mit Schutz werden zweimal in der Woche abgestrichen.

Trotz aller Sorgen, Panik verbreiten wollen die Verantwortlichen der Holding nicht. Die Botschaft lautet auch: Wer ins Krankenhaus kommt, wird behandelt. Die Frage ist nur, wie schnell. Wird die vierte Welle nicht gebrochen, werde das Niveau bei den Behandlungen „schleichend absinken“, sagt Notfallmediziner Martin Schuster. Herzinfarktpatienten müssen eventuell einen längeren Weg in ein anderes Krankenhaus auf sich nehmen; Personen, die einen Tumor haben und schnell operiert werden sollten, müssen länger warten. „Das müssen wir einfach verhindern“, so Schuster.