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Ex-Nationalspieler Hansi Müller über die Defizite der Roten und das Fehlen von Sami Khedira.

Stuttgart - Wie alle Fans macht sich auch Ex-VfB-Profi Hansi Müller Sorgen um die Roten. "In der Innenverteidigung und im Angriff fallen die Tore, das sind die Problemstellen", sagt der frühere Mittelfeldspieler.

Hansi Müller, der VfB hat einen Fehlstart hingelegt und sich nur mühsam für den Europacup qualifiziert. Erschreckt Sie das?

Noch nicht. Aber klar ist: Viel Zeit bleibt nicht, um in die Gänge zu kommen.

Was fällt Ihnen besonders auf?

Ich sehe zwei Problemstellen...

Nur zwei? Das überrascht uns - sind die Probleme nicht vielschichtiger?

Für mich sind die Knackpunkte die Innenverteidigung und der Angriff - vorn und hinten fallen die Tore.

Gut, der Reihe nach.

In der Innenverteidigung sind Matthieu Delpierre und Serdar Tasci für mich erste Wahl. Beide haben zuletzt gefehlt. Serdar muss sich wieder ins Team hineinfinden, Matthieu muss fit werden. Mit den beiden ist mir nicht bange. Aber beide brauchen Zeit.

Woran hapert es aus Ihrer Sicht noch?

Im Sturm lasten viel zu große Erwartungen auf Cacau. Nach der WM ist er sicher noch nicht hundertprozentig in Form, und von seinen Nebenleuten geht einfach zu wenig Torgefahr aus, ob es nun Ciprian Marica oder Pawel Pogrebnjak ist. Bei Martin Harnik muss man die Entwicklung abwarten. Unter diesen Umständen ist es für Cacau noch schwieriger, seine Normalform zu finden.

"Der VfB ist zu brav"

  Mit Verlaub - von einem ehemaligen Zehner wie Ihnen hätten wir erwartet, dass er das Mittelfeld mindestens ebenso kritisch sieht.

Das tue ich. Wenn Sand im Getriebe ist, brauchst du einen Anführer, und der muss praktischerweise im Zentrum des Spiels sein, also im Mittelfeld. Ich vermisse den Leitwolf beim VfB. Der kann die Mitspieler ruhig auch mal anraunzen, sie fast beleidigen und sich unbeliebt machen. Indem man sich auf dem Platz gegenseitig anmacht, kann man sich auch anstacheln.

Wer könnte die Rolle übernehmen?

Cacau hat den Charakter dazu, aber für diese Rolle sind Mittelfeldspieler prädestinierter. Doch dort ist der VfB zu brav.

Weil Sami Khedira fehlt?

Mit 23 Jahren kann man noch kein Leitwolf sein, doch Sami hat sicher das Zeug dazu, einer zu werden. Das wäre jetzt an der Zeit gewesen - beim VfB. Ob er das bei Real packt und ob er die Chance dazu erhält, ist offen.

War sein Wechsel also ein Fehler?

Auf keinen Fall. So ein Angebot kommt vielleicht nie wieder. Für Khedira und den VfB war es eine Win-win-Situation. Nächstes Jahr wäre er ablösefrei gegangen, und sein Abgang lässt sich kompensieren - so wie der von Michael Ballack bei der WM.

Und wie lautet Ihre Prognose?

Ich will nichts beschönigen. Aber nach zwei Ligaspielen darf man nicht schon den Stab über die Mannschaft brechen.

Was kann der VfB diese Saison reißen?

Die Mannschaft hat genug Potenzial, um eine gute Saison spielen zu können. Aber jetzt muss ein Ruck kommen, sonst wird es ungemütlich.