Der Sillenbucher Pfarrer Hans-Ulrich Gehring erlebte religionsgeschichtliche Stätten wie Qumran als aufregend und enttäuschend zugleich. Foto: privat

Kaum ist der Pfarrer der evangelischen Gemeinde Sillenbuch zurück von seinen Studien in Israel, heißt es schon wieder Abschied nehmen: Hans-Ulrich Gehring verlässt die Gemeinde, um in Bad Boll noch einmal etwas anderes zu machen.

Sillenbuch - Der Beruf des Pfarrers ist so sehr durch eine Person gefüllt. Das sagt Hans-Ulrich Gehring nicht nur, der geschäftsführende Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Sillenbuch lebt es auch. Das bedeutet, dass die 2800 Gemeindemitglieder in den vergangenen sechs Jahren einen leidenschaftlichen Theologen zum Pfarrer hatten.

Es hat aber ebenso zur Folge, dass sie ihn bis vor Kurzem für zehn Wochen entbehren mussten und demnächst ganz auf ihn verzichten müssen. Denn kaum von seinem Kontaktstudium in Israel zurück, zieht es Gehring zu neuen beruflichen Ufern: Am 1. September beginnt er als Studienleiter mit dem Schwerpunkt Theologie und Kulturpolitik an der Evangelischen Akademie in Bad Boll. Am Sonntag hält Gehring zum letzten Mal den Gottesdienst in Sillenbuch.

Eine letzte Möglichkeit

Dass die Sillenbucher Protestanten während Gehrings Israelaufenthalt via Gemeindebrief von dem baldigen Abschied erfuhren, lag an der zeitlichen Überschneidung: Der Antrag für das Studiensemester in Jerusalem war schon lange eingereicht, als sich Gehring durch die Stellenausschreibung von Bad Boll die letzte Gelegenheit geboten habe, „noch mal was anderes zu machen“, wie der 53-Jährige sagt.

So scheint 2015 für Gehring das Jahr der genutzten Gelegenheiten zu sein. „Das Kontaktstudium ist eine Möglichkeit, die Pfarrer einmal in ihrem Berufsleben haben“, sagt Gehring. Israel habe er gewählt, weil es für Theologen besonders interessant sei. Während seiner Zeit in Jerusalem untersuchte er das Verhältnis von Predigten zur Derascha, der Auslegung bestimmter Bibelstellen in der jüdischen Tradition.

Aufregung und Ernüchterung

Und er ließ das Land auf sich wirken: „Es ist ein wunderbares Land. Zwar voller Spannungen, aber gleichzeitig voller Schönheit und Geschichte“, sagt Gehring, erzählt aber auch davon, wie er sich beim Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem „in Grund und Boden geschämt“ hat und dass er in Bezug auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina nach seinem Aufenthalt „ratloser als vorher“ sei. Bestimmte Gebiete waren wegen des Konflikts tabu.

Die Exkursionen, die er zu den religionsgeschichtlich so bedeutsamen Stätten unternahm, waren „aufregend und ernüchternd zugleich“, sagt Gehring. Für einen „zur Nüchternheit begabten Protestanten“, wie Gehring sich bezeichnet, zu viele Touristen, zu viel Konjunktiv, wenn es etwa der Geburtsort Jesu gewesen sein könnte. Aber eben auch „das Herz, das sagt: Da ist doch was dran“.

Ein weinendes Auge

Um eben jenes Herz ist es Gehring nun auch etwas schwer: „Ich gehe durchaus mit einem weinenden Auge“, sagt der scheidende Pfarrer und denkt an die „wunderbaren Menschen“ der Gemeinde. Ihr will er mit auf den Weg ohne ihn geben, dass sie „nach innen und nach außen strahlt“ und immer wieder spürbar wird, wofür das Christentum steht, etwa beim Thema Flüchtlinge. Doch auch Gehring nimmt etwas mit aus Sillenbuch: „Vor allem den hohen Respekt vor den Leuten, die sich hier einbringen.“

Der Gottesdienst ist am Sonntag, 26. Juli, in der Martin-Luther-Kirche, Oberwiesenstraße 28. Er beginnt um 10 Uhr.