Der Zeichner Hans Traxler arbeitet noch immer jeden Tag. Foto: epd

Mit sehr lustigen Zeichnungen die Welt sehr schlüssig kritisieren: Hans Traxler tut das seit Jahrzehnten auf höchstem Niveau. Bald wird der Meister der Neuen Frankfurter Schule 90 Jahre alt. Aber er will weder zu arbeiten aufhören noch Kirchgänger werden.

Frankfurt a. M. - Hans Traxler ist längst im Olymp der komischen Kunst angekommen. Am 21. Mai wird der vielfach ausgezeichnete Künstler 90 Jahre alt, und noch immer erscheint jedes Jahr mindestens ein neues Buch von ihm. Die Sommer verbringt er in einem 400 Jahre alten Bauernhaus am Ammersee in Bayern, schwimmt und zeichnet, zuletzt die Illustrationen in seinen Kindheitserinnerungen mit dem Titel „Mama, warum bin ich kein Huhn?“.

Seinen Ruf erwarb sich Traxler als Aushängeschild der Satire-Magazine „Pardon“ und „Titanic“ und als Mitbegründer der Künstlergruppe „Neue Frankfurter Schule“. Zu den Traxler-Klassikern gehört bis heute die Wissenschaftssatire „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“, die er 1963 unter dem Pseudonym Georg Ossegg veröffentlichte. Sie war so gut, dass gegen ihn wegen Betruges ermittelt wurde.

Spaß und Geld

Schon mit vier Jahren habe er seine erste Bildergeschichte geschrieben, sagt der Künstler, der seit Anfang der 1970er Jahre im Frankfurter Nordend lebt: Drei Teddybären fahren auf einer Draisine über Land und erleben haarsträubende Geschichten. Seinem älteren Bruder gefiel der Comic so gut, dass er ihn für 20 Heller kaufte, erzählt Traxler: „Nachdem ich herausgefunden hatte, dass man für etwas, das Spaß macht, Geld bekommen konnte, um sich Dinge zu kaufen, die noch mehr Spaß machen, beschloss ich, nie mehr etwas anderes zu tun als komische Zeichnungen zu machen.“

Traxlers Werke sind kleine Kostbarkeiten. Strich, Figur, Farbe - alles sitzt. Der Hochbetagte versucht, noch jeden Tag drei Stunden zu arbeiten: „Ich brauche keine Brille, und die Hand ist sicher.“ In seinen Texten und aquarellierten Zeichnungen nimmt er den Alltagswahnsinn aufs Korn: Moden und Blasiertheiten, das Mann-Frau-Verhängnis, das Altwerden, Hölle und Himmel. Dabei kommt sein Humor nicht derb und grobschlächtig daher, sondern leicht und dezent.

Elternhaus mit Säbel

Die Figuren haben keine Knollennasen und keine Glupschaugen. „Ich bin ein realistischer Zeichner, halte die Dinge so fest, wie sie sind, auch die Interieurs“, erläutert der Künstler. Die vielen Details „geben einer Zeichnung Halt, eine Erdung“. Für Traxlers jüngeren Kollegen Oliver Maria Schmitt ist er der „bildmächtigste Zeichner“ der Neuen Frankfurter Schule, zu deren Kern auch F. W. Bernstein (1938-2018), Robert Gernhardt (1937-2006), Chlodwig Poth (1930-2004) und F. K. Waechter (1937-2005) gehörten.

Hans Johann Georg Traxler wurde als Sohn österreichischer Eltern im nordböhmischen Herrlich geboren und wuchs in Sangerberg (Prameny) zusammen mit seinen beiden Brüdern Fritz und Franz auf einem Bauernhof auf. Der Vater, Postenkommandant der Gendarmerie, und die Mutter, eine musisch begabte Hausfrau, achteten darauf, dass die Kinder katholisch erzogen wurden. „Die Mutter spielte in der Dorfkirche die Orgel und der Vater marschierte an Fronleichnam mit seinem Schleppsäbel hinter der Monstranz her“, erinnert sich Traxler.

Die letzte Ölung

1938 zerschlugen die Nationalsozialisten die Tschechoslowakei, es folgten Krieg, Flucht und Vertreibung der deutschstämmigen Bevölkerung. Ende Mai 1945 verschlug es Hans Traxler nach Regensburg. Dort nahm ihn ein Freund der Familie, der ehemalige Prager Akademieprofessor Max Geyer, unter seine Fittiche und unterwies ihn in plastischer Anatomie, Faltenwurf, Zentralperspektive, Farben- und Kompositionslehre.

Knapp zwei Jahre später starb Traxlers Mutter. Die Umstände beeinflussten sein Schaffen nachhaltig: Als sie im Sterben lag, alarmierte Traxler einen Geistlichen, der ihr die letzte Ölung erteilen sollte. Der Pfarrer von Sankt Emmeram saß jedoch gerade beim Abendessen und ließ der Haushälterin bestellen: „Der gute Wille soll für die Tat gelten!“ Daraufhin trat der junge Traxler aus der katholischen Kirche aus und nahm fortan deren Dogmen und Rituale immer wieder aufs Korn.

Gott oder doch nicht?

Inzwischen begreift sich der Künstler auch nicht mehr als Christ. „Die Entfernung zum Christentum wird größer, je älter ich werde. Übrigens auch zu allen anderen Religionen“, sagt er. Auch die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod sei ihm fremd. Das hindere ihn aber nicht daran, an einen Schöpfergott zu glauben.

Mit 17 verkaufte Traxler seine erste Karikatur an eine Münchner Illustrierte. 1951 ging er nach Frankfurt am Main und studierte dort an der Städelschule Malerei und Lithografie. 1962 holte „Pardon“-Gründer Hans A. Nikel Traxler, Bernstein, Gernhardt & Co. in die „Pardon“-Redaktion. Nach dem Niedergang der Zeitschrift gründeten die Freunde 1979 das Satiremagazin „Titanic“.

Von der Birne zum Denkmal

1983, ein Jahr nach der Wahl Helmut Kohls zum Bundeskanzler, veröffentlichte Traxler zusammen mit Peter Knorr „Birne. Das Buch zum Kanzler.“ 1988 gestaltete er das letzte Titelblatt für die „Titanic“, seitdem genießt er das freie Künstlerleben. In den vergangenen Jahren hat er vor allem Bildergedichte und Kinderbücher veröffentlicht wie etwa „Franz - Der Junge, der ein Murmeltier sein wollte“ (2009). oder „Eddy. Der Elefant, der lieber klein bleiben wollte“ (2017). Die meisten von ihnen wurden in viele Sprachen übersetzt, darunter ins Indische und Arabische.

2005 nahm Traxler Egoismus und Ellenbogenmentalität auf die Schippe: Beim „ICH“-Denkmal, das am Frankfurter Mainufer steht, handelt es sich um einen Sockel aus Sandstein, der zum Hinaufklettern und zum Ablichten des wirklich Größten einlädt: „Ich“. Verewigt hat sich Traxler auch mit dem „Elchdenkmal“, einer Bronzefigur des Wappentiers der Neuen Frankfurter Schule, das seit 2008 vor dem Museum für komische Kunst in Frankfurt steht.

Info

Buch: Hans Traxler, „Mama, warum bin ich kein Huhn? Kindheitserinnerungen“. Insel-Verlag Berlin, 2019. Gebunden, 104 Seiten, 16 Euro.

Ausstellung: Das Frankfurter Caricatura-Museum widmet Hans Traxler vom 28. Mai bis 22. September eine große Ausstellung. Der Titel lautet „Hans Traxler zum Neunzigsten. Cartoons, Bildergedichte und Illustrationen aus 2 Jahrhunderten auf 3 Etagen“.