Hans-Christian Ströbele saß 21 Jahre im Bundestag. Foto: dpa/Britta Pedersen

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele stand in seiner Partei für Prinzipientreue – und eckte dabei mit manchen Positionen an. Mit 83 Jahren ist er in Berlin verstorben.

Diese Bilder prägten sich ein vom Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele: Auf dem Fahrrad mit rotem Schal und weißen Haaren durch seinen Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain fahrend, durch den Berliner Stadtteil, in dem er als erster Grüner 2002 das Direktmandat für den Bundestag holte und diesen Erfolg noch dreimal wiederholte – einmal (2009) gar mit dem Spitzenwert von 46,8 Prozent. Wie sein Anwalt am Mittwoch mitteilte, ist Ströbele am Montag in Berlin im Alter von 83 Jahren gestorben. 21 Jahre lang saß der Jurist, gebürtig aus Halle an der Saale, im Bundestag. Seine politischen Anfänge und seine rechtspolitische Expertise datieren noch aus der Zeit, als er gemeinsam mit Otto Schily und Horst Mahler die RAF-Terroristen in Stuttgart-Stammheim verteidigte. Schily wechselte später zur SPD und wurde Innenminister, Mahler ging zur NPD. Ströbele – dem trotz Unschuldsbeteuerung die Beteiligung an einem Info-System für die RAF-Häftlinge eine zehnmonatige Haftstrafe auf Bewährung wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung eintrug – blieb den Grünen immer treu.

Der Vater stammt aus Leonberg

Die „FAZ“ hat ihn einmal als „personifiziertes Gewissen“ seiner Partei charakterisiert. Als junger Mann war Ströbele – sein Vater stammt aus Leonberg, sein Großvater war Präsident des Bauernverbandes Württemberg-Baden – einmal selbst ein Jahr bei der Bundeswehr. Als Politiker lehnte er Kampfeinsätze ab und lag mit dem grünen Außenminister Joschka Fischer deshalb im Clinch. „Ströbele wählen, heißt Fischer quälen“, so hieß einmal sein Wahlkampfmotto. Egal ob es in Berlin um die Duldung von Hausbesetzungen, die Wiedervereinigung („die größte Landnahme der deutschen Industrie seit den Kolonialkriegen“) oder seine heftige Kritik an der israelischen Palästinenserpolitik ging, wegen der er 1991 seine Rolle als Sprecher der Bundesgrünen verlor – Ströbeles Herz tickte immer links.

Schilys Sicherheitsgesetze abgelehnt

Im Jugoslawienkrieg forderte er die sofortige Einstellung der Nato-Angriffe, den deutschen Afghanistan-Einsatz nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 lehnte er genauso ab wie die Sicherheitsgesetze seines ehemaligen Anwaltskollegen Schily als Bundesinnenminister.

Als einziger gegen den Euro-Stabilitätspakt

Wo die Grünen einen realpolitischen, pragmatischen Regierungskurs fuhren, begehrte der prinzipientreue, einstige „taz“-Mitbegründer Ströbele auf. Als einziger grüner Abgeordneter lehnte er den Euro-Stabilitätspakt ab, gegen die Hartz-IV-Gesetze war er auch. Man könnte ihn als politisches Feigenblatt der linken Grünen bezeichnen, mit seinen Mahnungen gab er dem linken Flügel eine Stimme, stabilisierte damit die gesamte Partei. „Mein ganzes Leben ist ein einziger Kompromiss“, hat er einmal über sich gesagt. Der Nichtraucher und keinen Alkohol konsumierende Ströbele forderte lange vor anderen „Gebt das Hanf frei“.

Bekannt für hartnäckiges Nachfragen

Viele Jahre lang war er im Parlamentarischen Kontrollgremium der Nachrichtendienste sowie in diversen Untersuchungsausschüssen des Bundestages und dort für seine hartnäckigen Nachfragen bekannt. Nach seinem Amtsverzicht 2016 – damals wurde seine Krebserkrankung bekannt – machte der mit einer Ethnologin verheiratete und kinderlose Ströbele noch einmal Schlagzeilen mit einem Besuch des US-Whistleblowers Edward Snowden in Moskau. Ströbele wollte Snowden vor einem Untersuchungsausschuss in Deutschland anhören lassen, aber die Bundesregierung unter Angela Merkel verweigerte dem Amerikaner politisches Asyl in Deutschland. Auch dieser Wunsch von Ströbele ging nicht in Erfüllung.