Sebastian Kraft (stehend) erklärt Ulrich Kraft, Daniele Jesse, Björn Foetsch und Matthias Krauter (v.r.n.l.) die Lern-App. Foto: factum/Jürgen Bach

Die Digitalisierung macht auch beim Handwerk nicht Halt. Die Arta-Handwerksbetriebe wollen die Entwicklung nicht verschlafen und stellen sich der Herausforderung mit ganz unterschiedlichen Lösungen.

Ludwigsburg - Von der Dachterrasse des Arta-Hochhauses hat man einen guten Blick über Ludwigsburg und den Landkreis. Wenn Ulrich Kraft von hier aus auf die Landschaft blickt, wirkt es so, als würde der Inhaber der Arta-Gruppe auch auf sein kleines Handwerksfirmen-Imperium schauen. Er führt das Unternehmen in vierter Generation: 1876 als Malerwerkstatt von Louis Kraft in Eglosheim gegründet, gibt es inzwischen mehr als tausend Mitarbeiter, die Hälfte in eigenen Betrieben der Kraft-Gruppe, der Rest in Partnerbetrieben unter dem Dach von Arta. Kerngebiete sind Wohnungswirtschaft, Renovierung und Umbau.

Als Ulrich Kraft 1985 den Betrieb von seinem Vater übernommen hat, wollte er damals 96 000 Mark in die elektronische Datenverarbeitung investieren. „Mein Vater hat mir gesagt: ‚Bist du wahnsinnig?’“, erzählt Kraft. Gut 30 Jahre später kam sein Sohn Sebastian Kraft mit einem ähnlichen Ansinnen, nur mit viel höheren Summen. Doch Vater und Sohn sind sich einig: Auch die Handwerksfirmen müssen im Jahr 2019 digital denken. Arta investiert daher eine siebenstellige Summe.

Warum muss der Maler digital werden?

Nun mag man einwenden: Wozu denn? Malerleiter und Pinsel müssen schon noch in die Hand genommen werden. Doch digitale Technik zieht überall ein.

Matthias Krauter ist der Technik-Experte in der Arta-Gruppe. Schon 2005 hat er einen Fahrtenschreiber so umgebaut und mit einem Software-Programm gekoppelt, dass die Mitarbeiter sich mit einem Chip von unterwegs einloggen können. „Wir waren damals absoluter Pionier“, sagt Krauter. Die Lösung sei heute noch besser als das, was die meisten Smartphone-Apps böten.

Ganz in der Welt der Apps ist man hingegen angekommen, wenn es um ein digitales Lernprogramm für die Auszubildenden geht. Dazu hat Arta sich bei dem Lernnetzwerk „Simple Club“ angemeldet – ein Berliner Start Up, das 2016 aus dem Youtube-Kanal zweier Abiturienten in Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis) hervorgegangen ist. Ursprünglich wurden nur Inhalte von Abiturprüfungen einfach verständlich in Jugend- und Umgangssprache erklärt. Seit April 2019 bietet die Plattform auch Videos in Jugendsprache zur Maler- und Lackiererausbildung an.

Die App ermöglicht es den Azubis, auf dem Handy mit Grafiken und visuell besonders aufbereiteten Zahlen für die Prüfungen zu lernen. Und das in mehreren Sprachen, wie die fürs Personal zuständige Daniela Jesse erklärt: „Wir haben viele Nationalitäten in der Firma.“ Auch die Deutsch-Fähigkeiten könnten so verbessert werden. Neben dieser digitalen Nachhilfe plant die Arta-Gruppe zudem, als Pilotprojekt die Tätigkeitsberichte der Auszubildenden von Papier auf ein Online-Programm umzustellen. Der Azubi kann dann beispielsweise im Bus auf der Heimfahrt auf dem Handy die Daten eingeben. Umgekehrt gilt das Angebot auch, wie Daniela Jesse sagt: „Die Bewertung erhält der Azubi dann ebenfalls digital.“

Ein digitales Messgerät vermisst das Gebäude

Richtig virtuell wird es bei einem weiteren Projekt, das der Juniorchef Sebastian Kraft auf die Beine gestellt hat: Ein Gebäude in kurzer Zeit digital zu erfassen. Statt mit Zollstock und Block tage- oder stundenlang damit zu verbringen, wird mit einem digitalen Messgerät 20 Minuten drei Mal um das Haus herum gelaufen – und schon ist das Gebäude in allen für die Handwerker wichtigen Details erfasst.

Solche Programme für das so genannte 3-D-Aufmaß gibt es zwar schon auf dem Markt. Doch die böten meistens eine millimetergenaue Vermessung, die viel Zeit koste, sagt Sebastian Kraft. Das sei für die Logistik der Handwerksfirma gar nicht wichtig – sie will kalkulieren können, wie viel Putz, Farbe oder Tapete sie benötigen. Da kommt es nicht auf den letzten Millimeter an. „Viel wichtiger ist es, schnell kalkulieren zu können“, sagt der 33-Jährige.

Eine solche Software-Lösung wäre für die Arta-Gruppe nicht zu stemmen. „Wir arbeiten daher mit einem Industrieunternehmen zusammen“, sagt Björn Foetsch, der Sprecher des Unternehmens.

Auch dies ist ein Pilotprojekt – das später nicht nur auf die Arta-Firmen und deren Partner übertragen wird. Die so entwickelte Technologie könnte irgendwann jeder Handwerker anwenden – der Bedarf dazu ist laut Sebastian Kraft riesig. Vor allem, wenn es um die Renovierung oder den Umbau von alten Gebäuden geht – der Kernkompetenz der Arta-Gruppe.

Das sind nur drei Beispiele für den digitalen Wandel. „Wir gehen das offensiv an, und bis auf ein paar wenige Ausnahmen ziehen alle Mitarbeiter mit“, sagt Ulrich Kraft. Vieles muss neu organisiert werden. So müssen Experten ausgebildet werden, um die komplizierte 3-D-Vermessung von Gebäuden vorzunehmen. „Wir benötigen weniger Allrounder und mehr Spezialisten“, sagt der Seniorchef, der selbst eine Maler- und Lackiererausbildung gemacht und später in Mannheim studiert hat.

Arta als Kombination aus Ars und Artis

Dass er gerne um die Ecke und kreativ denkt, sieht man schon am Firmennamen Arta – der sich aus den lateinischen Begriffen Ars und Artis zusammen setzt. Die niedere und die hohe Kunst – beides gehört für Ulrich Kraft zusammen. „Früher sind die Maler oft in die Kunstakademie gegangen, Handwerk und Kunst haben sich ergänzt“, erzählt der 64-Jährige.

Das war eine andere Zeit – inzwischen geht es darum, Malerbürste und Smartphone zu kombinieren. „Das Handwerk muss sich nachhaltig verändern“, sagt Ulrich Kraft. Schon alleine, um für neue Mitarbeiter attraktiv zu bleiben.

Mit der Zeit gehen – das haben schon sein Vater, Großvater und Urgroßvater gemacht – sonst wäre das Unternehmen nicht so groß geworden. Von Stuttgart bis nach Offenbach/Main im Norden und Singen/Hohentwiel im Süden gibt es inzwischen Dependancen. Um so wichtiger ist es, digital nicht den Anschluss zu verlieren – schließlich soll die nächste Generation irgendwann übernehmen.