Im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe sind die Wartezeiten für Kunden am längsten. Es kann bis zu drei Monaten dauern, bis der Handwerker kommt. Foto: dpa

Die Kehrseite der guten Konjunktur und des Baubooms sind lange Wartezeiten beim Handwerk. Dies sei aber nicht durchweg so, sagen die Betriebe. Im Notfall sei man weiter schnell zur Stelle. Wegen des Fachkräftemangels können Firmen aber nicht wachsen.

Stuttgart - Die nach wie vor gute Konjunktur heizt den Bauboom an, wegen der niedrigen Zinsen neigen viele Bürger weiter zur Flucht in Sachwerte. Auch energetische Sanierungen sind ein Thema der Stunde, ebenso der Investitionsschub von Kommunen etwa bei Kindertagesstätten: Es gibt viele Gründe, weshalb Kunden insbesondere im Bau- und im Ausbauhandwerk mitunter etliche Wochen warten müssen. Während der Auftragsbestand beim Handwerk im Land allgemein bei 8,6 Wochen liege, sind es im Ausbaugewerbe 10,6 Wochen, im Bauhauptgewerbe sogar 14,3 Wochen, heißt es dazu beim Handwerkstag Baden-Württemberg. „Bei Sanierungen sind drei Monate Wartezeit leider keine Seltenheit“, erklärt eine Sprecherin. „Der Kunde muss sich mit Geduld wappnen.“ Sie rät diesen deshalb in jedem Fall, „frühzeitig zu planen“.

Befragte Betriebe bestätigen diese Tendenz im Grundsatz. „Bei einer planbaren Badsanierung kann’s schon mal ein Vierteljahr dauern“, sagt Alexander Kotz, der Stuttgarter Kreishandwerksmeister, der im Osten der Stadt einen Betrieb zur Gas-Wasser-Installation hat. Allerdings schränkt er die Aussage auch sogleich ein: „Generalisieren kann man das nicht.“ Dies gelte zum einen nicht für alle Betriebe. Und in Notfällen sei man nach wie vor schnell vor Ort, etwa „wenn jemand kein Warmwasser hat, weil der Heizkessel kaputt ist“.

Bestandskunden haben bessere Karten als Neukunden

Ein Handwerksmeister aus dem Stuttgarter Süden, der einen Elektrobetrieb mit 20 Mitarbeitern hat, wird noch deutlicher. „Solche Pauschalisierungen sind völliger Unsinn“, sagt er. Es sei etwas völlig anderes, ob jemand anrufe, „weil im Treppenhaus das Licht ausgefallen ist, da kommen wir noch an dem oder am nächsten Tag, oder ob man eine Skulptur im Garten angestrahlt haben will“. Und es sei etwas anderes, ob sich ein treuer Bestandskunde melde oder ein Neukunde, der mit hoher Erwartung und forderndem, wenig freundlichem Umgangston – was heute nicht selten vorkomme – auf einen schnellen Termin dringe.

Aber der Firmenchef stellt auch fest: Anders als noch vor drei, vier Jahren müsse man heute wegen der hohen Auslastung auch Projekte absagen. „Wir schaffen das nicht mehr“, sagt er. Eigentlich könnte der Betrieb, dessen Mitarbeiterzahl seit Jahren stabil ist, wachsen. „Ich könnte sofort drei oder vier Monteure einstellen“, so der Firmenschef. „Aber wir finden niemanden auf dem Markt – keine Chance.“ Selbst bei Leihkräften, die er für Auftragsspitzen brauche, mache sich der Fachkräftemangel bemerkbar. Diese seien nur noch schwer zu kriegen und trotz oft mäßiger Ausbildung sehr teuer.

Für Servicedienste ist der Handwerker schneller vor Ort

Metallbaumeister Bernd Bruchmann beschäftigt in seiner Schlosserei in Stuttgart-Möhringen acht Mitarbeiter. Die Wartezeit betrage bei größeren Aufträgen rund sechs Wochen, etwa zwei Wochen mehr als noch vor ein paar Jahren. Wenn es sich um Serviceleistungen wie die Reparatur eines Garagen- oder Gartentores handelt, gehe es natürlich auch schneller. Auch Bruchmann, der im Vorstand der Metall-Innung Stuttgart sitzt, hätte zusätzlichen Personalbedarf: „Leider gibt es zurzeit keine Fachkräfte auf dem Markt“, bedauert er. Seinen Nachwuchs muss er sich selbst heranziehen, dafür braucht es einen langen Atem. Derzeit bildet er zwei Lehrlinge zu Metallbauern in der Fachrichtung Konstruktionstechnik aus, dem früheren Beruf des Bauschlossers, unter anderem einen jungen Syrer. Doch auch potenzielle Bewerber für eine Lehrstelle muss man erst einmal finden. „Wir werben an Schulen und auf Ausbildungsmessen für unser Handwerk“, sagt Bruchmann, „doch es wird von Jahr zu Jahr schwieriger.“

Mindestens genauso schwierig sei es, ausgebildete Fachkräfte zu halten. Diesen Trend sieht der Metallbaumeister generell in seiner Branche: „Die Gesellen suchen sich oft einen Job in einem Industriebetrieb, wo sie vielleicht attraktivere Arbeitszeiten haben oder mehr verdienen.“ Der Kleinunternehmer versucht auch durch zusätzliche Anreize gegenzusteuern, indem er beispielsweise einem Vorabeiter einen Dienstwagen zur Verfügung stellt. Mit Industrieunternehmen kann er zwar nicht konkurrieren, allerdings hebt Bruchmann auch die Vorteile eines kleinen Familienbetriebs hervor: „Ein Mitarbeiter ist bei uns keine Nummer.“

Mitarbeiterzahlen sind zuletzt stark angestiegen

Zwar ist die Zahl der Handwerksbetriebe in der Region Stuttgart entgegen dem Landestrend etwas zurückgegangen, die Mitarbeiterzahl ist in den vergangenen Jahren allerdings gestiegen. Das gilt insbesondere in den Gewerken rund ums Bauen, wo es auch immer mehr Betriebe gibt. Nach den Zahlen des Statischen Landesamtes waren im Bauhauptgewerbe in der Region Stuttgart im Jahr 2008 insgesamt 16 289 Menschen beschäftigt, 2017 waren es schon 19 831. Im Ausbaugewerbe stieg die Zahl im selben Zeitraum von 14 531 auf 19 738. Zum Bauhauptgewerbe zählen etwa Maurer, Zimmerer und Dachdecker, zum Ausbaugewerbe Installateure, Heizungsbauer, Elektriker und Stuckateure. „Das Personal ist aufgestockt worden, so gut es ging“, sagt ein Sprecher der Handwerkskammer (HWK) Region Stuttgart. „Aber jetzt können die Betriebe nicht mehr wachsen, der Fachkräftemangel ist eine Wachstumsbremse.“ Immerhin 71 Prozent der Betriebe hätten gemeldet, „dass Fachkräfte trotz starker Bemühungen nicht zu finden waren“, sagt die Sprecherin des Handwerkstags: „Rund 45 000 Stellen konnten nicht besetzt werden.“

Die Umsätze sind im baden-württembergischen Handwerk im vergangenen Jahr um 3,4 Prozent auf rund 96 Milliarden Euro gestiegen. Auch hier liegt der Bau ganz vorn. „Im Bauhauptgewerbe stiegen die Umsätze im vierten Quartal um satte acht Prozent“, sagt die Handwerkstag-Sprecherin. Und sie betont: Kein Handwerker lasse seine Kunden gerne warten.