Kriminalbeamte untersuchen den Tatort nach dem Anschlag in einer Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen. Foto: dpa

Der Anschlag mit einer Handgranate auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft im Schwarzwald ging auf einen Konkurrenzkampf von Sicherheitsfirmen zurück. Das Land will Security-Mitarbeiter nun schärfer kontrollieren.

Stuttgart/Villingen-Schwenningen - In Burbach im Siegerland zwingen private Wachmänner einen Flüchtling, sich auf eine mit Erbrochenem verschmutzte Matratze zu legen. Das Video aus dem Jahr 2014 schockierte. Ende Januar 2016 werfen Kriminelle eine Handgranate auf das Gelände eines Flüchtlingsheims in Villingen-Schwenningen - doch nicht etwa Rassisten sind am Werk, sondern konkurrierende Sicherheitsfirmen, die sich vom Markt drängen wollen.

Wie ist es möglich, dass zwielichtige Anbieter Aufträge für so sensible Bereiche wie die Sicherheit von Flüchtlingen erhalten? Offensichtlich wurden Standards und Kontrollen aus Unkenntnis und Naivität aus den Augen verloren, sagen Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sind die Chefs verschiedener Wach- und Sicherheitsunternehmen und eine Vielzahl ihrer Mitarbeiter im Regierungsbezirk Freiburg unzuverlässig.

Die als Subunternehmer Beschäftigten haben nach einem der dpa vorliegenden Schreiben dort vielfach gar keine gewerbliche Erlaubnis. Zudem hatten die Securityfirmen in vielen Fällen überhaupt nicht geprüft, ob die Wachleute zuverlässig sind. In mehreren Fällen erwiesen sich vorgelegte Bescheinigungen als „Totalfälschungen“. Einige Firmen sind weder gewerbe-, handels- noch steuerrechtlich gemeldet. Auch von Scheinselbstständigkeit ist in dem Papier die Rede. Schindluder wurde auch mit Arbeitszeiten getrieben - diese seien nicht korrekt angegeben worden.

Zusammenarbeit mit Sicherheitsdienst eingestellt

Das Regierungspräsidium Freiburg hat die Kooperation mit dem Sicherheitsdienst in Villingen-Schwenningen und Donaueschingen inzwischen eingestellt. Baden-Württemberg stellt die Zusammenarbeit mit allen in den Erstaufnahmeeinrichtungen eingesetzten Sicherheitsunternehmen derzeit auf den Prüfstand und brütet über einer neuen Regelung, bei der Landesdatenschützer Jörg Klingbeil Magenschmerzen bekommt: „Es ist nicht die Stunde des Sonderrechts.“

Konkret geht es um erweiterte Überprüfungen von Security-Mitarbeitern etwa von länger zurückliegenden Straftaten und laufenden Ermittlungsverfahren. Die freiwillige Mitwirkung der Security-Mitarbeiter daran wäre aber Voraussetzung, da es noch keine Rechtsgrundlage gibt, mit der eine Sicherheitsüberprüfung erzwungen werden kann. „Ich habe große Sorge, dass die Freiwilligkeit gegeben ist“, sagt Datenschützer Klingbeil. Schließlich könnten Mitarbeiter aus Angst, den Job nicht zu bekommen oder ihn zu verlieren, falsche Auskünfte geben, und dann? „Mich als Auftraggeber hat es nicht zu interessieren, welche Mitarbeiter ein Unternehmen beschäftigt. Der Unternehmer ist dafür verantwortlich. Nur seine Zuverlässigkeit darf geprüft werden.“

Momentan ist für Auskünfte jenes Gewerbeamt zuständig, an dem das Security-Unternehmen seinen Sitz hat. Das zuständige Regierungspräsidium erteilt dann den Auftrag. Dass das schief gehen kann, sieht man am Fall von Villingen-Schwenningen.

Neuregelung im Gewerberecht notwendig

Eine Rechtsgrundlage ohne Sorgenfalten des Datenschützers kann nach Auskunft eines Sprechers von Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) nur eine Neuregelung im Gewerberecht bringen. An dieser arbeitet die frühere Familienministerin Kristina Schröder (CDU) mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Unternehmen mit sehr niedrigen Standards seien eine Gefahr für die innere Sicherheit. Insider berichten laut Schröder, dass kriminelle Rocker-Clubs ein eigenes Sicherheitsgewerbe anmelden oder den Behörden bekannte Rechtsextremisten bei Sicherheitsfirmen arbeiten. Sie fordert, dass die Zuverlässigkeit von Wachleuten regelmäßig mittels erweiterter polizeilicher Führungszeugnisse überprüft werden sollte.

Die Zeit drängt, denn die Zahl der Erstaufnahmeeinrichtungen als auch der eingesetzten Security-Mitarbeiter steigt drastisch.

Noch ist unklar, ob die mit Sprengstoff gefüllte jugoslawische Granate vom Typ M52 scharf war. Auf der Suche nach Zünder und Spuren versuchen Experten die in Hunderte Teilchen zersplitterte Granate zusammenzufügen. In der Polizei gibt es eine Diskussion, ob die Sprengung richtig war, denn wichtige Spuren wurden dabei vernichtet.

Bei der Razzia in den Räumen der Security-Firmen fanden Ermittler Beweise für Sozialversicherungsbetrug. Nach dpa-Informationen soll das für Villingen-Schwenningen zuständige Generalunternehmen 20,50 Euro pro Mann kassiert haben, sein Subunternehmer aus Rumänien erhielt 12,50 Euro - und am Ende der Kette wurden 5 Euro ausbezahlt. Bei einem der Security-Chefs seien 15 gefälschte Bescheinigungen von Schulungsnachweisen beschlagnahmt worden.