Noch hält sich Brüssel bedeckt, wie mögliche Gegenmaßnahmen aussehen könnten. Offenbar wird die Zögerlichkeit der Union, doch könnte sie Trump auf einem neuen Feld empfindlich treffen.
Donald Trump dürfte die Debatte im Europaparlament gefallen haben. In der Nacht auf Dienstag hatte der US-Präsident Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumimporte verkündet. Nur Stunden danach diskutierte die EU in Straßburg über die Reaktionen auf diesen keineswegs überraschenden Schritt – offenbarte dabei allerdings eher die eigene Zögerlichkeit und Uneinigkeit.
Deutlich wurde die Kluft im Rat, der Vertretung der EU-Mitgliedsländer. Als Vertreter der amtierenden Ratspräsidentschaft trat Polens Europaminister Adam Szlapka ans Rednerpult, lobte die segnungsreichen Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) und erklärte, die EU wisse ihre Märkte zu schützen. Polen pflegt sehr enge Beziehungen zu den USA und hält sich im drohenden Handelskrieg mit kritischen Äußerungen zurück. Auf der anderen Seite steht etwa Frankreich, das auf ein forsches Vorgehen gegen die USA drängt.
Keine konkreten Ansagen von Seiten der EU
In Straßburg offenbarte sich zudem die Zögerlichkeit der Kommission. Wer angesichts des drohenden Handelskrieges konkrete Ansagen an Trump erwartet hatte, der wurde enttäuscht. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic erklärte im Europaparlament, das Ausmaß der von Trump angeordneten Maßnahmen werde erst einmal geprüft. Danach werde es Gegenmaßnahmen geben.
Bei der folgenden Aussprache im Parlament oszillierten die Meinungsbeiträge zwischen Anbiederung an Trump und der Forderung nach massiven Gegenmaßnahmen. Die allermeisten Redner plädierten allerdings für ein Vorgehen mit Augenmaß. Die EU müsse trotz der Drohungen für Verhandlungen offenbleiben, um nach Möglichkeit für beide Seiten vorteilhafte Lösungen zu finden.
Viele Ansatzpunkte für Verhandlungen
Der SPD-Handelsexperte und Europaabgeordnete Bernd Lange sieht mehrere Ansatzpunkte für Gespräche. Um das von Trump kritisierte Warenhandelsdefizit zu senken, könnte die EU demnach etwa mehr Flüssigerdgas (LNG), Militärtechnik und Agrargüter aus den USA importieren. Zudem wäre es möglich, die Importzölle für US-Autos zu senken. Diese lägen mit zehn Prozent derzeit deutlich über dem US-Zollsatz in Höhe von 2,5 Prozent. Eine neue Vereinbarung zum Ausbau amerikanischer LNG-Exporte hat auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon ins Spiel gebracht.
Sie war es auch, die sich am Dienstag aus Brüssel zu Wort meldete und eine entschlossene Reaktion angekündigte: „Unrechtmäßige Zölle zulasten der EU werden nicht unbeantwortet bleiben – sie werden entschiedene und verhältnismäßige Gegenmaßnahmen nach sich ziehen.“ Allerdings wurde auch Ursula von der Leyen nicht konkret. Als wahrscheinlich gilt, dass derzeit ausgesetzte Sonderzölle auf US-Produkte wie Jeans, Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter umgehend wieder eingeführt werden. Mit ihnen hatte die EU in der ersten Amtszeit Trumps reagiert, als erstmals US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumexporte aus der EU eingeführt wurden. Derzeit sind sie auf Grundlage einer Vereinbarung mit der früheren US-Regierung von Joe Biden ausgesetzt.
Auf der Suche nach neuen Handelspartnern
Die EU sucht allerdings auch nach anderen Wegen als einer Konfrontation. Seit der Wahl Donald Trumps bemüht sich Brüssel um engere Beziehungen zu alternativen Handelspartnern. Noch vor dem Amtsantritt des US-Präsidenten verkündete die Union eine Vereinbarung zur Stärkung der wechselseitigen Beziehungen mit Mexiko und nahm Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Malaysia wieder auf. Zudem sollen die Beziehungen mit Kanada auf ein neues Niveau gehoben worden, das ebenso von den Trump-Zöllen betroffen ist. Der wichtigste Schritt war bereits im Dezember gelungen, als Ursula von der Leyen das in der EU überaus umstrittene Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten unterzeichnete. Damit werden nicht nur neue Märkte eröffnet, sondern auch ein besserer Zugang zu wichtigen Rohstoffen.
EU könnte US-Tech-Konzerne unter die Lupe nehmen
Die EU könnte die USA zudem auf einem unerwarteten Feld empfindlich treffen – was in Brüssel aber allenfalls hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird. Sollte der Handelskrieg eskalieren, könnten die marktbeherrschenden US-Tech-Konzerne im Sinne der strengen EU-Digitalgesetze genauer unter die Lupe genommen werden. Bisher konnte es sich etwa Elon Musk auf seinem Nachrichtendienst „X“ erlauben, sich direkt in den deutschen Wahlkampf einzumischen. Die EU-Gesetzgeber nahmen das bisher hin, doch es wäre möglich, deswegen etwa den Marktzugang einzuschränken oder andere Strafen zu verhängen. Das hätte allerdings eine neue Qualität, denn die EU betont immer wieder, sich unter allen Umständen an das geltende Recht zu halten. Ein Gesetz gezielt als Waffe in einem Handelskrieg einzusehen, würde diesem Selbstverständnis widersprechen.