Im Handelsstreit mit den USA gibt es eine Atempause. Derweil sind die Zölle auf europäische Autos auf Eis gelegt. Foto: dpa

In Kürze beginnen die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA. Nach dem Erfolg der USA-Reise von EU-Kommissionspräsident Juncker macht sich in Brüssel Ernüchterung breit.

Brüssel -

Nach der Erleichterung kommt jetzt die Skepsis. Als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Ende Juli mit der Zusicherung von US-Präsident Donald Trump zurück aus den USA kam, dass der die angedrohten Zölle auf Autos und Autoteile erst einmal auf Eis legen würde, atmete die Wirtschaft auf. Es war vermutlich Junckers größter Erfolg in seiner Amtszeit. Nun aber ist die Sommerpause zu Ende und die Mühen der Ebene beginnen. Die Absprachen der beiden Präsidenten müssen in ein Abkommen gegossen werden. In wenigen Tagen sollen die ersten Gespräche zwischen den Unterhändlern der beiden Seiten, Robert Lightizer und Cecilia Malmström, beginnen. Im Vorfeld macht sich in Brüssel Ernüchterung breit.

Dies spürte EU-Handelskommissarin Malmström, als sie am Donnerstag im Handelsausschuss des Parlaments auftauchte. Sie musste sich viele kritische Fragen gefallen lassen und erweckte nach Angaben von Teilnehmern den Eindruck, dass sie selbst mit der Ausgangslage vor den Verhandlungen nicht glücklich ist.

Brüssel will mit Washington reden

Es fängt schon mit Zweifeln an, ob Malmström in die Verhandlungen zwischen Trump und Juncker eng eingebunden war. Wie in Brüssel zu hören ist, soll der Generalsekretär der EU-Kommission, Martin Selmayr, der ein gespanntes Verhältnis zur Fachkommissarin hat, dafür gesorgt haben, dass sie weitgehend bei der Vorbereitung dessen, was Europa Trump angeboten hat, außen vor geblieben ist. Ob dies gute Voraussetzungen für die künftigen Gespräche mit der US-Seite sind, wird sich zeigen. Weitere Zweifel kommen hinzu. Etliche Handelsexperten im EU-Parlament haben den Eindruck, dass der eingeschlagene Weg geradezu eine Abkehr von der bisherigen Außenhandelsagenda der EU darstellt.

So hat Brüssel stets gesagt, Vorbedingung von Verhandlungen sei, dass die USA die verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium wieder vom Tisch nehmen. Die Zölle sind aber in Kraft, und dennoch will Brüssel mit Washington reden. Bedenken gibt es auch bei den Inhalten. So will man über ein bilaterales Zollabkommen sprechen, das die tarifären Handelsschranken bei Industriegütern weitgehend beseitigen soll.

Bernd Lange (SPD), Chef des EU-Handelsausschusses, ist hier skeptisch, ob dieses Ziel überhaupt mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) erreichbar ist, denn die WTO verlangt, dass bei einem bilateralen Handelsabkommen 90 Prozent aller bisherigen Zölle auf null gesetzt werden. „Wenn Autos und Agrarprodukte ausgeklammert sind, wie dies geplant ist, wird dies schon aus mathematischen Gründen recht schwer“, so Lange im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Handelsexperte der Union, Daniel Caspary, sieht es nicht ganz so kritisch, gibt aber auch zu bedenken: „Ich würde gern sehen, wenn sich die USA bei der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen für EU-Unternehmen öffneten.“

Autozölle sind noch nicht vom Tisch

Die EU-Seite hatte noch vergeblich versucht, die gerade den deutschen Unternehmen so wichtigen Zölle im Automobilbereich mit in die Verhandlungsmasse zu bringen. Und sich dafür aber eine Abfuhr von US-Seite eingehandelt. „Das zeigt, dass die Autozölle eben noch nicht endgültig vom Tisch sind, dass die US-Seite sich vielmehr vorbehält, sie jederzeit wieder hervorzuziehen“, so Lange weiter. Die Kommission kann nicht freihändig verhandeln. Sie muss vielmehr die Zustimmung für das Verhandlungsmandat im Parlament bekommen. Lange hat Zweifel: „Das Risiko ist dabei groß, dass das Parlament nicht mitgeht, wenn sich bestätigt, dass das Mandat im Widerspruch zur bisherigen EU-Handelsagenda steht.“

In den Vorgesprächen haben sich USA und EU verständigt, über eine Vereinheitlichung von Standards und Normen zu reden. Der Abbau von diesen nichttarifären Handelsschranken war Teil der gescheiterten TTIP-Verhandlungen. Lange betont, dass Fortschritte auf dem Gebiet schwer zu erringen sind: „Wir werden unsere hohen Verbraucherschutzstandards und das Vorsorgeprinzip nicht so einfach aufgeben.“ Er hat auch Bedenken beim dritten Punkt, über den Malmström und Lightizer reden wollen: der Reform der WTO.

Zwischen Washington und Brüssel gibt es keine Absprache, bis wann die Verhandlungen beendet sein sollen. Inoffiziell ist von 120 Tagen die Rede. Es sind dicke Bretter zu bohren. Experten erwarten, dass es mindestens 18 Monate dauern wird, um zu Verhandlungsergebnissen zu kommen.