Viele Geschäftsflächen am Stuttgarter Flughafen stehen derzeit leer, in den offenen Läden hält sich der Andrang in Grenzen. Schrittweise soll wieder Leben einziehen. Foto: Horst Rudel

Leere Geschäfte und Restaurants prägen das Bild am Stuttgarter Flughafen. Direktor Walter Schoefer und sein Team kämpfen darum, die Angebote wieder in Gang zu bringen.

Beim Lederwarenhändler Picard am Stuttgarter Flughafen ist Räumungsverkauf angesagt. Große Schilder weisen darauf hin, dass die Tage des Geschäfts im Terminal 1 gezählt sind. Damit gibt es am Stuttgarter Flughafen einen weiteren Leerstand. Passagiere, die vor dem Abflug einen Einkaufsbummel planen, stoßen häufig auf leere Ladenflächen. Diese Entwicklung überrascht Flughafendirektor Walter Schoefer nicht: „Weniger Passagiere bedeuten auch weniger Handel und Gastronomie.“

 

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Bis 2019 hatte sich der Flughafen zu einem Handels- und Gewerbezentrum gemausert. Steigende Passagierzahlen und viele Besucher aus der Region sorgten für beste Bilanzen der Handels- und Servicegesellschaft. Der rege Flugbetrieb bescherte den Geschäften am Flughafen reichlich Kundschaft und Umsatz. Die zeitweise Sperrung der Start- und Landebahn wie auch die Corona-Lockdowns bremsten den Aufwind. „2019 hatten wir mit 12,7 Millionen einen Passagierrekord, im ersten Coronajahr sind die Zahlen auf drei Millionen eingebrochen“, rechnet Schoefer vor. „Das bedeutet, dass auch die Nachfrage von Handel und Gewerbe am Flughafen deutlich sinkt.“ Dennoch ist er zuversichtlich, dass sich die Zahlen in diesem Jahr wieder etwas erholen. Zum Jahresende rechnet er mit sechs bis sieben Millionen Passagieren, die in Stuttgart starten und landen. Davon erhofft sich der Flughafen auch einen Aufwärtstrend beim Handel.

Viele Abgänge trotz Mieterlass

„Wir haben viel getan, um die Händler und Gastronomen am Flughafen zu stärken“, blickt der Flughafenchef zurück. Dazu gehörte ein kompletter Pachterlass in den ersten Monaten der Pandemie. Danach hat der Flughafen mit einzelnen Geschäften Verträge abgeschlossen, die eine Pachtminderung einschließen, wenn sich die Partner drei bis fünf Jahre verpflichten, ihre Geschäfte am Flughafen zu halten: „Diese langfristige Verpflichtung war aber nicht allen möglich.“

Fluggäste, die zurzeit einen Kaffee trinken oder vor dem Abflug etwas essen möchten, müssen nach einem Lokal suchen. Im Terminal 3 haben auf der Landseite der Biergarten und das Schnellrestaurant McDonald’s geöffnet – auf der Luftseite gibt es mehrere Bars und die Trattoria, die wieder stundenweise geöffnet hat. Passagiere und Mitarbeiter des Flughafens vermissen die Lokale und Cafés der Systemgastronomie Wöllhaf, die 40 Jahre lang am Flughafen eine feste Größe war. Mit dem Sternerestaurant Top Air, dem Restaurant Red Baron, dem Leysieffer-Bistro und dem Asia-Schnellrestaurant bot der Stuttgarter Unternehmer ein breites Portfolio für die unterschiedlichsten Gäste.

Abschied vom langjährigen Partner

Der Flughafen hatte den Pachtvertrag für die Wöllhaf-Gruppe am Standort Stuttgart nicht mehr verlängert, sodass der Geschäftsbetrieb für acht gastronomische Einheiten zum 31. Oktober 2021 eingestellt werden musste. Die Wöllhaf Gastro Service Stuttgart Airport hat Insolvenz angemeldet. Das Gesamtunternehmen ist nach den Worten von Pressesprecher Christoph Nitz davon nicht betroffen und arbeitet an den anderen Standorten in Berlin, Köln-Bonn und Frankfurt weiter.

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Was führte zum Aus für die Systemgastronomen? „Die Gastronomieflächen der Firma Wöllhaf standen teilweise eineinhalb Jahre leer und wurden nicht mehr genutzt“, sagt Schoefer. Daher habe man die Mietvertrag nicht verlängert. Der Flughafenchef plant, die Flächen künftig für die Handels-und Servicegesellschaft und neue gastronomische Angebote zu nutzen. Da gelte es aber erst, neue Konzepte zu entwickeln, sofern die Fluggastzahlen wieder ansteigen. Nach Schoefers Worten macht es keinen Sinn, angesichts der noch niedrigen Fluggastzahlen Handel und Gewerbe wieder zu stark hochzufahren. Da denkt der Flughafenchef eher in kleinen Schritten.

Konsumenten haben umgedacht

Allerdings gibt Schoefer zu bedenken, dass sich das Verhalten der Konsumenten in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren gewandelt habe. Dass viele Menschen den Online-Handel für sich entdeckt haben, sieht Schoefer als ein Problem für die Geschäfte vor Ort an. Außerdem führen die Pandemie, aber auch die Ungewissheit wegen des Kriegs dazu, dass die Menschen weniger einkaufen. Gerade im Bekleidungsgeschäft gehe der Umsatz zurück: „Im Homeoffice braucht man nur eine zweite Jogginghose.“

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Dennoch sieht der Flughafenchef Lichtblicke: Bei den leer stehenden Geschäftsflächen klopften wieder Interessenten an; mit einigen sei man sich schon einig geworden. Der Edeka-Supermarkt, die Bäckerei Treiber, die Aero-Atoll-Apotheke und das Medical Center sicherten die Grundversorgung. Bei Geschäften wie Hallhuber Moden oder dem Spiele-Laden Ravensburger läuft das Geschäft. Begeistert ist Schoefer von der Beach Bar „Beats ans Limos“, die Marc Dennis Bernthaler und der DJ Benjamin Klatt vor den Terminals aufgebaut haben. In Liegestühlen dürfen Gäste und Mitarbeiter ihre After-Work-Drinks genießen: „Für solche Initiativen sind wir immer offen.“

Erlebnis Flughafen

Besucherterrasse
Die Besucherterrasse des Flughafens hat geöffnet und bietet den Besucherinnen und Besucher kostenlos schöne Blicke aufs Vorfeld. „Wir denken darüber nach, dort wieder Veranstaltungen zu etablieren“, sagt Flughafenchef Walter Schoefer. Was geht und was nicht, hänge allerdings von der Pandemielage ab. Schon jetzt gibt es Strandkörbe, in denen man startende und landende Flugzeuge auf dem Vorfeld beobachten kann.

Skyland
Das neue Besucherzentrum Skyland im Terminal 3 bietet den Fluggästen Informationen rund um den Flughafen. Die kleinen Passagiere dürfen sich als Einwinker versuchen. Das multimediale Angebot soll den Gästen Einblicke in die spannende Welt des Fliegens bieten. Damit möchte der Flughafen Gäste und Passagiere erreichen.