Für Handel und Gastronomie bedeutete die Schließung im März einen enormen Umsatzverlust. Nun sind die meisten Gasthäuser und Geschäfte wieder geöffnet. Von der Normalität sind sie aber noch weit entfernt. Ein Blick nach Stuttgart-Vaihingen.
Vaihingen - Fünf Wochen lang musste Stefan Meyer seine Ladentür zulassen. „Die Schließung kam zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt“, sagt der Inhaber von Herrenmoden Rettich in Vaihingen. Die neue Saisonware sei nahezu komplett angeliefert gewesen. „In dieser Zeit generiere ich einen Großteil meines Umsatzes, und es laufen die meisten Rechnungen durch Warenlieferungen auf“, sagt Meyer. Wegen Corona blieben die neuen Waren zunächst auf den Kleiderbügeln hängen.
„Die Lage ist erschreckend“, sagte Ingo Vögele vom Verbund Vaihinger Fachgeschäfte (VVF) im Vaihinger Bezirksbeirat. Zusammen mit Matthias Filbinger vom Bund der Selbstständigen (BDS) und Iris Gebauer von der städtischen Wirtschaftsförderung warf er einen Blick auf Handel und Gastronomie in Corona-Zeiten. Der Umsatz sei teilweise um 40 bis 100 Prozent zurückgegangen. Betriebs- und Personalkosten mussten trotz Schließung gedeckt werden, zudem mussten Hygienemaßnahmen finanziert werden. Und von den Schließungen seien weitere Unternehmen betroffen, wie Lieferanten oder Dienstleister, sagte Filbinger. Er sprach von einer „Kette des wirtschaftlichen Einbruchs“. „Da hängt ein ganzer Rattenschwanz dran, den wir jetzt noch gar nicht merken.“
Trotz der schwierigen Zeit für die Gäste präsent sein
Auch Barbara Schreiber musste ab dem 18. März einen 100-prozentigen Umsatzausfall hinnehmen. Sie bewirtet den Maulwurf in Vaihingen. „Bis zum 18. Mai waren wir komplett geschlossen“, sagt sie. Der Zeitpunkt sei ebenfalls ungünstig gewesen; im Frühjahr sei Starkbierzeit in der Kneipe. Die Biere von verschiedenen Brauereien seien bereits eingekauft gewesen, aber die Gäste durften nicht kommen. Ihre festangestellten Mitarbeiter habe sie in Kurzarbeit schicken müssen. Für die Aushilfen habe es gar nichts zu tun gegeben. „Das war eine schwierige Zeit“, sagt Schreiber.
Über die „Maulwurfsolidaritätskiste“ konnten die Gäste das Starkbier bestellen. „Ein Wochenende lang haben wir die Kisten ausgeliefert“, sagt die Wirtin. Zudem hat Schreiber an ein bis zwei Tagen pro Woche einen Bestell- und Abholservice für Speisen und Getränke angeboten. „Uns war wichtig, dass unsere Gäste uns wahrnehmen.“
Stefan Meyer bot seinen Kunden an, Waren kostenlos nach Hause zu liefern. Damit habe er einen Teil seines verlorenen Umsatzes auffangen können. Um auf sich aufmerksam zu machen, habe er sich auf verschiedenen Portalen angemeldet, etwa bei „Stuttgartsindwir“, einer Initiative von und für Stuttgarter Unternehmen zur Unterstützung in der Corona-Krise.
Gäste und Kunden sind verunsichert
Die Stammkunden seien es gewesen, die den Herrenausstatter während der Schließung und in den Wochen danach unterstützt haben. Viele hätten Gutscheine für den Laden gekauft, direkt nach der Wiedereröffnung seien die Umsätze sehr gut gewesen. In den vergangenen Wochen allerdings sei der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Die meisten Kunden hätten bereits eingekauft. „Laufkundschaft sowie auch Spontankäufe sind leider rückläufig“, sagt Meyer. Das Bummeln, das Reinschauen in den Laden im Vorbeigehen, fehle. Die Menschen deckten ihren Bedarf, aber „Lustkäufe“ darüber hinaus gebe es kaum. Auch Barbara Schreiber berichtet, dass die Corona-Abstands- und Hygieneregeln die Gäste verunsicherten. Trotz Wiederöffnung unter Einschränkungen und Außengastronomie: „Wir sind derzeit bei etwa 50 Prozent unseres normalen Umsatzes.“ Die Hemmschwelle, ins Lokal zu gehen, sei für einige Gäste hoch.
„Die Verunsicherung der Menschen führt zu einer Konsumzurückhaltung“, sagte Iris Gebauer im Bezirksbeirat. Das habe sich bereits vor dem Lockdown abgezeichnet. Gleichzeitig beobachte sie aber auch, dass die „lokale Identität“ steige. Davon profitiert auch Stefan Meyer. Er berichtet, dass einige seiner Stammkunden bewusst mehr kauften, als sie eigentlich brauchten, um ihn zu unterstützen.
30 Prozent der Unternehmen sehen Existenz gefährdet
Auf die Frage, ob er die Existenz seines Geschäfts bedroht sehe, antwortet der Ladeninhaber mit „Jein“. „Da ich keine Angestellten habe, kann ich einen Umsatzrückgang eine gewisse Zeit überbrücken beziehungsweise auffangen.“ Dennoch hofft Meyer, dass bald wieder Normalität einkehrt. Darauf setzt auch Barbara Schreiber. „Momentan ist die Lage nicht existenzbedrohend, aber die Rücklagen sind endlich“, sagt die Maulwurf-Wirtin.
30 Prozent der Vaihinger Unternehmen allerdings sähen ihre Existenz gefährdet, sagte Ingo Vögele. Das habe eine Umfrage ergeben. Im Bezirksbeirat rief Matthias Filbinger dazu auf, Gastronomie und Unternehmen vor Ort zu unterstützen. „Jeder Einzelne kann zu einem wirtschaftlich stabilen Vaihingen beitragen“, sagte er. Im Bezirk hofft man nun darauf, dass dieses Jahr noch verkaufsoffene Sonntage stattfinden können. „Das ist wichtig für uns. Hier können wir an einem Tag sehr viel wettmachen“, sagte Vögele.