Stefanie Steinacker schließt ihr Café in der Helfferichstraße zum Jahresende. Die Räume werden zum Büro. Foto: Eva Funke

Hohe Mieten und bürokratische Hürden: Nach dem Kiosk schließen bis zum Jahresende in der Helfferichstraße zwei weitere Geschäfte. Der urbanen Meile im Stadtbezirk Nord droht damit ein Verlust an Vielfalt und damit an Attraktivität.

Stuttgart-Nord - Es ist eine Entwicklung im Zeitlupentempo, aber sie scheint nicht zu stoppen: Jüngst beklagte die CDU-Fraktion das Ladensterben in der Schulstraße in Stuttgart-Mitte. Jetzt sorgt sich Bezirksvorsteherin Sabine Mezger um die Entwicklung in der Helfferichstraße. Zunächst machte dort der Kiosk dicht – für immer. In das Gebäude wird eine Behinderten-Toilette eingebaut. Für einen Kiosk ist dann kein Platz mehr. Die nächsten beiden Schließungen stehen Ende des Jahres bevor.

 

Das Maximo, das unter anderem Schreibwaren, Geschenkartikel und Kinderkleidung anbietet, gibt auf, weil der Gewinn so gering ist, dass er kaum die Miete deckt. „Als ich das Maximo vor drei Jahren übernommen habe, hat sich die Miete verdoppelt“, sagt Inhaberin Martina Huck. Derzeit ist Räumungsverkauf. „Hätte ich die Kunden, die zum Ausverkauf kommen, früher gehabt, hätte ich es geschafft“, ist Huck überzeugt und versichert: Mit Corona habe das Aus nichts zu tun. Das habe sich schon vor zwei Jahren abgezeichnet. Für den Niedergang vor allem kleiner Läden macht sie die generelle Entwicklung verantwortlich. „Die ältere Generation, die zu Fuß zum Einkaufen geht, stirbt aus.“ Bei ihren geringen Gewinnspannen ist sie auf viel Kundschaft angewiesen. „Die Masse bleibt aus“, sagt sie. Wer ihr Geschäft übernimmt steht in den Sternen.

Ein solches Ladensterben lässt sich überall beobachten

Klar ist, dass ins Café von Stefanie Steinacker ein Büro einzieht. Steinacker ist mit ihrem Umsatz zufrieden. Sie hört auf, „weil es nach 14 Jahren Zeit ist, etwas anderes zu machen“. Zum Büro wird das Café nicht wegen einer zu hohen Miete, sondern weil das Erlangen der Konzession zum Betreiben eines Cafés mittlerweile an höhere Auflagen gebunden ist. „Es müsste zum Beispiel behindertengerecht umgebaut werden und meine Öffnungszeiten am Sonntag sind so nicht mehr zu halten“, nennt Steinacker nur zwei Beispiele.

Nun könnte Cameron Grobenski in die Bresche springen. Mit dem Lamber betreibt er eine Konditorei „mit untergeordneter Abgabe von Speisen und Getränken“. Heißt: Er darf in seinen Räumen Kleinigkeiten zum Verzehr anbieten. Ein Café würde er nur allzu gern betreiben und dann auch zwei bis drei Tische vor die Tür stellen. Allerdings hat er keine Konzession dafür, und der Bereich vor der Tür ist als Parkplatz ausgewiesen. Auch zwei direkte Nachbarn lehnen eine Cafébetrieb ab. Vor Gericht unterlag Grobenski. Nun hofft, er eine Nutzungsänderung bewilligt zu bekommen: Immerhin hat er für viel Geld Schallschutzuntersuchungen in Auftrag gegeben. Die seien für ihn positiv.

Lebensmittel, Backwaren, Mode Blumen, italienische Feinkost: Trotz der Entwicklung bekommen die Anwohner in der Helfferichstaße fast alles, was sie zum täglichen Leben brauchen. Noch hat die Straße urbanes Flair. Doch wie lange noch?

Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, stellt fest: „Ein solches Ladensterben kann man überall beobachten. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass bei Geschäftsschließungen der Umsatz der Nachbarn zunächst hoch geht, dann aber einbricht, weil das Gros der Kunden weg bleibt.“ Sie fordert von der Politik ein Nachdenken darüber, wo Reglementierungen entfallen können, um kleine und mittlere Unternehmen zu fördern.

Den schleichenden Verlust der Attraktivität in der Helfferichstraße befürchtet auch Sabine Franke, die seit mehr als 40 Jahren ein Blumengeschäft in unmittelbarer Nähe zur Helfferichstraße betreibt. „Die Vielfalt geht mit jeder Geschäftsaufgabe ein Stück weit verloren. Irgendwann bleiben die Kunden weg und machen ihre Besorgungen dort, wo sie ein größeres Angebot finden“, fürchtet sie.

Das zu verhindern, sieht Bezirksvorsteherin Mezger alle in der Verantwortung: Ihr Appell: Moderate Mieten, ein erweitertes Angebot in den Läden, dass auch Nachbarschaftshilfe einschließt. Politische Rahmenbedingungen, die den Händlern größere Spielräume lassen. Und Kunden, die das Angebot vor Ort nutzen. Mezger: „Es ist doch in unser aller Interesse, dass die Stadtbezirke gestärkt werden und Lebensqualität statt Eintönigkeit bieten.“