Die Innenstadt brauche eine höhere Kundenfrequenz, fordern Händler. Foto: Eva Schäfer

Die Interessengemeinschaft Rathaus-Carrée, ein Verbund von Handel und Dienstleistern, wünscht sich eine belebtere City. Ein Gespräch über gemeinsame Öffnungszeiten, mehr Veranstaltungen und konkrete Wünsche an das Stadtmarketing.

Corona, Inflation, Energiepreise, Kaufzurückhaltung: all das setzt dem Einzelhandel zu. Dass Online bei Riesen wie Amazon gekauft wird und lokale Plattformen das Nachsehen haben, kommt hinzu. Gudrun Lack und Karsten Huber von der Interessengemeinschaft Rathaus-Carrée sprechen über Herausforderungen für den lokalen Handel und Voraussetzungen, um im Kampf um Aufmerksamkeit bei den Kunden zu punkten. Auch Akteure in der Stadt sehen sie dabei in der Pflicht.

Frau Lack, Herr Huber, einzelne Händler überlegen, Öffnungszeiten zu kürzen, um steigenden Kostendruck auszugleichen. Wie stehen Sie dazu?

Gudrun Lack: Meine Sicht ist, dass der Handel in der Innenstadt unbedingt eine Einheitlichkeit erhalten muss. Das heißt, Kernöffnungszeiten, auf die sich der Kunde verlassen kann. Die Diskussion von einheitlichen Öffnungszeiten führen wir seit vielen Jahren: Das bleibt mit Blick auf die unterschiedlichen Branchen leider ein Wunschdenken. So sind gemeinsame verlängerte Öffnungszeiten an den Samstagen im Advent in der für den Handel umsatzstarken Zeit schwer umzusetzen. Aber eine verlässliche Kernzeit halte ich für entscheidend.

Welche Befürchtung haben Sie, wenn die Läden unterschiedlich öffnen?

Gudrun Lack: Wir haben hier im Rathaus-Carrée zum Glück immer noch einen Branchenmix, der gut zu Fuß erreichbar ist. Wenn ein Besucher aber bei dem einem Laden am Dienstag vor verschlossener Tür steht und bei dem anderen Geschäft an einem anderen Tag, dann wird sich der Kunde hier nicht wohlfühlen. Wenn er zuerst recherchieren muss, wann welcher Laden offen hat, ist der Einkaufsbummel mühsam. Das Problem hatten wir bereits in der Coronakrise mit den sehr unterschiedlichen Auflagen für die Geschäfte.

Karsten Huber: Wir müssen uns als Dienstleister und Händler als Teil des Einkaufszentrums Fellbach betrachten. Dazu gehören abgestimmte Öffnungszeiten und natürlich möglichst oft ein gemeinsamer Auftritt bei gemeinsamen Veranstaltungen.

Ein Blick nach Untertürkheim: Wenn man Bewohner fragt, sagen sie oft, sie kaufen in Fellbach ein. Denn in der einst lebendigen Fußgängerzone habe eine dramatische Abwärtsspirale eingesetzt.

Karsten Huber: Besonders schwer, fast unmöglich ist es, so einen Trading-Down-Effekt aufzuhalten oder gar umzudrehen. Viele Experten warnen vor einem Teufelskreis von mehr und mehr Leerständen und ausbleibender Kundschaft, denn das führt zwangsläufig zu einem Imageverlust des Quartiers. Daher ist es umso wichtiger, dass hier in Fellbach alle Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen und alles für die Erhaltung einer lebendigen Innenstadt getan wird.

Was braucht es aus Ihrer Sicht für ein gutes Gesamtpaket Innenstadt?

Gudrun Lack: Der Kunde muss sich wohlfühlen. Dazu gehört eine Belebung durch Branchenmix, Gastronomie und Freizeitangeboten. Natürlich muss der Händler Service, ein gut ausgewähltes Sortiment und fundierte Beratung bieten. Doch auch ein engagierter Händler braucht Netzwerke, in die er eingebunden ist. Das sind zum einen andere, zugkräftige Geschäfte, aber auch besondere Erlebnisse und Veranstaltungen, die für mehr Frequenz in der Stadt sorgen. Da sind dann städtische Akteure am Zug. Laut einer Studie der Cima, einer Beratungsorganisation für Städte und Regionen, die seit 1998 interdisziplinär arbeitet, zeigt sich, dass die Menschen Einkaufsmöglichkeiten weiterhin in der Innenstadt haben wollen. Die Innenstadt soll aber laut der Studie auch „ein Nest für Gemeinschaft und Erlebnis“ sein. Dazu soll die Stadt grün sein, und die Kundschaft will bei der Gestaltung mitbestimmen. Nicht nur mit diesem Trend im Rücken war es aus unserer Sicht beispielsweise ein Fehler, die Jugendkunstschule und die Jugendtechnikschule aus der Innenstadt auszulagern und an den Bahnhof zu verlegen. Die beiden Einrichtungen haben für Kundenfrequenz und Belebung im Rathaus-Carrée gesorgt, das doch als Stadtmitte fungieren soll. Viele Nutzer der Einrichtungen haben den Besuch mit einem Gang ins Café oder einem Einkaufsbummel verbunden.

Welche Rolle spielt denn das Parkplatzangebot?

Gudrun Lack: Der Ton macht die Musik – das gilt auch, wenn Knöllchen verteilt werden. Eine Aktion, die eine tolle Resonanz erhielt, war, als das Stadtmarketing kleine Nikolaus-Geschenke in der Adventszeit mit dem Hinweis auf das Falschparken an die Windschutzscheibe legen ließ. Wenn aber Kunden unfreundlich verwiesen werden, dann kommen sie nicht wieder. Hilfreich wären weniger gesperrte Parkplätze durch kurzfristige, teils nicht kommunizierte Bauarbeiten, aktuell betrifft das die Hirschstraße, in der drei Parkplätze wegfallen.

Sie sagen Kommunikation spielt eine Schlüsselrolle, was meinen Sie?

Karsten Huber: Der inhabergeführte Handel befindet sich aufgrund der Krisen in einer prekären Situation. Da braucht es Rückendeckung und schnelles Handeln, sonst entwickelt sich eine Eigendynamik, die nur schwer aufzuhalten ist. Wir erwarten in dieser Situation, dass wir zeitnah erfahren, wie und wann das Fellbacher Stadtmarketing personell aufgestockt wird. Außerdem wären konkrete Ansprechpartner sehr hilfreich. Auch die Kommunikation und der Austausch steht ganz oben auf der Wunschliste. Wie geht es weiter mit der Verlegung der Stadtbahnhaltestelle am Berliner Platz? Kann man Fußgängerströme Richtung Innenstadt besser steuern, wenn die U1 künftig am Kongresshotel endet?

Was wären weitere dringliche Themen?

Karsten Huber: Die Zeiten haben sich geändert. Das Team des Stadtmarketings sollte personell so ausgestattet sein, dass es nicht nur die bisherigen Aktionen verwalten und organisieren kann, sondern auch genügend Kapazitäten hat, um neue Strategien zu entwickeln, die in diesen Zeiten dringlich sind. Es braucht Kapazitäten, um Veranstaltungen neu zu denken. Veranstaltungen nur zu verwalten, das reicht nicht.

Es wird immer schwieriger, die lange Meile des Maikäferfestes beim verkaufsoffenen Sonntag mit Aktionen zu bespielen.

Gudrun Lack: Ich denke, dass man gemeinsam das Konzept der Veranstaltung überdenken und weiterentwickeln sollte. Auch bei der Kulturnacht ist es beispielsweise nötig, sich Gedanken zu machen, wie sie geplant wird und wen man ansprechen möchte. Für zwingend halte ich dabei die Sperrung einzelner Straßen, sonst kann diese Veranstaltung nicht ihr Potenzial entwickeln, das in ihr steckt. Wir müssen in Fellbach unsere Besonderheiten ins Licht rücken. Dass wir etwa einen Kunstvereinskeller mit vielfältigem Programm im gleichen Haus einer inhabergeführten Buchhandlung haben, ist etwas, das uns positiv heraushebt. Letztlich steht aber immer wieder die Frage dahinter, wie man sich eine lebendige Innenstadt vorstellt und welche Partner man sich dabei ins Boot holen möchte. Da braucht es klare Konzepte und Entscheidungen. Die Kundschaft will laut der Cima-Studie beides: viele Einkaufsmöglichkeiten, aber auch Ort für menschliche Begegnung und Erlebnis.

Das Rathaus-Carrée und die Stadtbahn

Sprecher
 Gudrun Lack ist Vorsitzende der Interessengemeinschaft Rathaus-Carrée, einem Netzwerk von mehr als 40 Händlern, Dienstleistern und Gewerbebetrieben im Quartier rund um das Fellbacher Rathaus. Sie führt den gleichnamigen Buchladen im Quartier. Karsten Huber ist Pressesprecher des Zusammenschlusses und Inhaber einer Fellbacher Generalvertretung der Allianz in dem Areal.

Verlegung
 Die künftig auf 80 Meter verlängerten Stadtbahnzüge machen eine Verlagerung der bisherigen Endhaltestelle nötig – diese soll nun rund 100 Meter weiter westlich enden, auf Höhe des Alten Friedhofs. Bisher endet die Bahn direkt am Fellbacher Kirchplatz.