Foto: AP

Göppingens Nationalspieler Lars Kaufmann über die WM und die Angst um seine Karriere.

Stuttgart - Steffen Weinhold und Torsten Jansen wurden aus dem WM-Aufgebot gestrichen. Lars Kaufmann ist dabei. Vor dem Start des Handball-Nationalteams am Freitag (18.15 Uhr/ARD live) gegen Ägypten ist der Göppinger Rückraumstar von einer erfolgreichen WM überzeugt: "Wir werden aus unseren Fehlern lernen."

Herr Kaufmann, zuletzt gab es zwei Niederlagen gegen Island, müssen wir uns Sorgen machen ums deutsche Team?

Nein. Wir haben zwar noch nicht die optimale Leistung gebracht und müssen uns in Schweden auch steigern. Aber man darf nicht vergessen, dass wir beim Olympia-Zweiten gespielt haben, und mit dem waren wir über weite Strecken auf Augenhöhe.

In welchen Bereichen muss die Mannschaft denn noch zulegen?

Individuell und vom Spielerischen her haben wir uns durchaus weiterentwickelt. In puncto Cleverness muss unser insgesamt noch recht junges und unerfahrenes Team jedoch sicher noch zulegen. Und wir müssen vor allem in kritischen Phasen kühlen Kopf bewahren, damit mehr Konstanz in unser Spiel kommt.

Ist es nicht enttäuschend, dass nach dem WM-Titel 2007 keine Weiterentwicklung festzustellen war?

Zum einen stand dieses Turnier unter ganz besonderen Vorzeichen. Wir haben einen Hype bei dieser Heim-WM entfacht, der uns wahnsinnig beflügelt hat. Zum anderen kam es nach dem Titelgewinn zu einem personellen Umbruch: Die älteren Spieler, wie etwa Markus Baur oder Christian Schwarzer, hörten fast komplett auf. Und diese Generation hatte auch viele Jahre benötigt, um den ganz großen Erfolg zu landen.

Zuletzt war das deutsche Team auch von kleinen Erfolgen weit entfernt. Vor einem Jahr in Österreich ...

... bei der Euro wurden wir nur Zehnter hinter den Gastgebern, das wissen wir, und darüber war auch keiner glücklich. Einen Vorteil hat dieses Desaster aber.

Es kann nur besser werden?

Ja, und wir wissen, wie wir es nicht machen dürfen.

Nämlich?

Jeder hat zu viel für sich gespielt. Aus diesem Fehler werden wir lernen. Denn klar ist, dass wir mit unserer ausgeglichenen Mannschaft nur eine Chance über den Teamgeist haben.

Reicht das, um in Schweden um den Titel mitzuspielen?

Zunächst einmal hat es unsere Vorrundengruppe mit den Topteams aus Frankreich und Spanien, aber auch Ägypten und Tunesien in sich. Da wird es schwer genug, mit einer guten Punktausbeute in die Hauptrunde einzuziehen.

Also sehen Sie keine Titelchancen?

Als EM-Zehnter sollten wir keine allzu großen Töne spucken, aber ich bin von einem erfolgreichen Turnier überzeugt.

Bundestrainer Heiner Brand sagte, man habe nicht den Anspruch, ganz nach oben zu kommen.

Er hat aber auch gesagt, dass wir uns nicht kampflos geschlagen geben werden und an einem guten Tag jeden Gegner schlagen können.

Zumal die Nationalmannschaft die Lokomotive für die Sportart Handball ist.

Alle unsere Spiele werden zur Primetime im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen - das sagt schon einiges über den Stellenwert aus. Und auch Heiner Brand trichtert uns immer wieder ein, wie wichtig eine EM oder WM für den deutschen Handball ist. Wir Spieler sind uns unserer Verantwortung durchaus bewusst. Das betrifft auch die Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche. Doch trotz all diesem müssen wir auch versuchen, locker zu bleiben.

Es hätte nicht viel gefehlt, und Sie wären bei der WM gar nicht dabei gewesen. Was schoss Ihnen als Erstes durch den Kopf, als Sie Ende September 2010 nach Ihrem Radunfall auf dem Boden lagen?

Das war ein Schock für mich. Ich hatte Angst, um meine Karriere.

Nach Ihrer Schulteroperation haben Sie sich erstaunlich schnell zurückgekämpft.

Ja, zum Glück hatte mein Sturz keine schlimmeren Folgen. Ich musste nur zweieinhalb Monate aussetzen. Mein Comeback ist wirklich optimal verlaufen. Am 4. Dezember stand ich im Bundesligaspiel gegen die Füchse Berlin schon wieder für Frisch Auf Göppingen auf dem Feld.

Hatten Sie dennoch Zweifel, dass Sie Heiner Brand nach Schweden mitnehmen würde?

Ich denke, der Bundestrainer weiß, was er an mir hat.

Das weiß man auch in Göppingen. Warum wechseln Sie dennoch am Saisonende zum Ligarivalen SG Flensburg-Handewitt?

Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. Denn es macht wirklich riesigen Spaß, für Frisch Auf zu spielen. Doch ich sehe Flensburg in der kommenden Saison sportlich einen Tick vorne. Mit Frisch Auf spielen wir derzeit am Limit. Mit Flensburg, glaube ich, ist es eher möglich, dauerhaft in der Champions League zu spielen.

Was ist wahrscheinlicher: der WM-Gewinn mit Deutschland in Schweden oder ein Titel in dieser Saison mit Frisch Auf?

Schwer zu sagen. Aber ich denke, der Sieg mit Frisch Auf Göppingen im laufenden EHF-Pokal-Wettbewerb ist am ehesten zu realisieren.