Die europäischen Teams sind bei der Handball-WM schier übermächtig. Schon jetzt steht fest: Ein europäisches Team wird den Titel holen. Die Sportart soll aber globaler werden.
Rouen - Es war die zweite Partie für Angola in Metz. Und als ob die Dominanz der Spanier beim 42:22 nicht groß genug gewesen wäre, schrieb das Team aus Afrika auch noch unfreiwillig WM-Geschichte: Erstmals musste aufgrund der Regeländerung ein Feldspieler ins Tor. Der Stammkeeper hatte früh die Rote Karte gesehen. Der eingewechselte Ersatztorwart der Angolaner musste nach einer Blessur auf dem Spielfeld behandelt werden, dafür sehen die neuen Regeln eine Pause für drei Angriffe vor. Also opferte sich Spielmacher Manuel Antonio Nascimento und ging zwischendurch zwischen die Pfosten.
Seitenhieb auf den großen Bruder
Die Sportsfreunde aus Afrika sind ein Farbtupfer bei dieser Handball-Weltmeisterschaft in Frankreich. Positiv ausgedrückt. Früher spielten auch mal Grönland mit, oder Australien, das den Negativ-WM-Rekord hält mit dem 15:55 gegen Island. „Der Stellenwert solcher Spiele ist begrenzt“, sagte Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) und konnte sich einen Seitenhieb auf den großen Bruder nicht verkneifen: „Der Fußball kann sich auf die 48er-WM freuen. Dann kriegen sie ähnliche Ergebnisse hin wie wir gegen Chile.“ Diese Partie ging 35:14 aus. „Nett für die Mannschaften, die mitspielen“, ergänzte Hanning noch, aber sportlich „völlig irrelevant“. Er warnte eindringlich davor, das Starterfeld im Handball (derzeit 24 Nationen) nach Beispiel des Fußballs zu vergrößern. Die Dominanz der Europäer im Handball ist erdrückend genug.
Dabei würde der Weltverband (IHF) nur zu gerne neue Märkte erobern. In Südamerika haben sich zarte Handball-Pflänzchen entwickelt. Aber vor allem in den finanzstarken Märkten in China, Nordamerika oder Großbritannien spielt Handball überhaupt keine Rolle. Nicht nur Jürgen Schweikardt, der Geschäftsführer des Bundesligisten TVB Stuttgart, findet das schade: „Umso mehr Märkte es gibt, desto mehr steigt die globale Bedeutung des Handballs.“ Deshalb gab es auch immer wieder Aktivitäten, die Sportart in diesen Regionen weiterzuentwickeln und populärer zu machen. Erste Versuche des Weltverbandes in den 1960er Jahren in den USA versandeten. 2008 wurde nochmals Energie ins das Projekt gesteckt mit Blick auf mögliche Olympische Spiele in Chicago 2016. „Wir absolvierten ein Länderspiel in Amerika, schickten Trainer und Schiedsrichter als Entwicklungshelfer zum US-Verband“, erinnert sich Frank Bohmann, der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL).
Dagur Sigurdsson leistet nach der WM Entwicklungshilfe in Japan
Vor vier Jahren reiste der TBV Lemgo nach China und absolvierte im Handball-Nirwana vier Spiele gegen die chinesische Nationalmannschaft. Es war der vorsichtige Versuch eines Bundesligisten, um in diesen gigantischen Sport- und Werbemarkt vorzustoßen. Daraus entwickelt hat sich nichts. Auch die Ausrichtung der WM 1997 in Japan hat gezeigt, dass die Begeisterung für Handball in Fernost nur eine kurzzeitige Erscheinung geblieben ist.
Vom Sommer an wird einer der besten Trainer der Welt einen neuen Anlauf starten: Dagur Sigurdsson übernimmt in wenigen Monaten die japanische Nationalmannschaft. „Das kann aber nur der Impuls sein“, warnt Bohmann vor überzogenen Erwartungen. Eine nachhaltige Weiterentwicklung gehe nur über eine strukturierte Nachwuchsarbeit in den Vereinen und Schulen. Und nicht über das Erkaufen des sportlichen Erfolgs, wie es die Katarer mit ihrer Söldnertruppe demonstrierten.
Emotionen und Tradition
Sie konnten das Niveau nach dem Gewinn der Vize-Weltmeisterschaft 2015 im eigenen Land nicht halten. Das Gegenbeispiel ist Frankreich, wo dank kluger Konzepten eine Ende der 1980er Jahre am Boden liegende Sportart wieder nach oben kam. „Wenn Japan 2020 der Olympiasieg im eigenen Land gelingen sollte und dadurch neue Vorbilder für die Jugend entstehen, dann lässt sich dort etwas bewegen“, sagt HBL-Chef Bohmann. „Der Sport lässt sich nun mal nicht wie ein Business-Modell behandeln“, betont TVB-Geschäftsführer Schweikardt. Er lebt von Emotionen. Und von der Tradition. Als die WM-Geschichte 1938 mit einem kleinen Turnier in Berlin begann, traten nur Deutschland, Österreich, Dänemark und Schweden an. Geblieben ist bis heute eines: die Dominanz der Europäer.