Der Magier: Vlado Stenzel hat vor 40 Jahren mit Deutschland ein handballwunder geschafft. Foto: dpa

Der Wunder-Trainer Vlado Stenzel ist 1978, also vor 40 Jahren, mit Deutschland Weltmeister geworden – und er saugt den Handball noch immer auf.

Varazdin - Der Handball hat Vlado Stenzel nicht reich gemacht. Doch wo es in seiner Heimat Kroatien exzellentes Essen gibt, das weiß der deutsche Weltmeister-Trainer von 1978. Sein erster Gastro-Tipp, das Restaurant Verglec – gleich ein Volltreffer. „Sie kommen nach Varazdin? Da müssen Sie unbedingt hin“, hatte der Magier von einst beim Gespräch vor dem Start der Handball-EM empfohlen. Er selbst schaut sich die Spiele zu Hause auf dem Sofa vor dem Fernseher an. In Wiesbaden. Da lebt der 83-Jährige zurückgezogen in einer kleinen Wohnung mit seiner dritten Frau Dijana. „Wenn überhaupt, dann kommt ich vielleicht zum Finalwochenende“, sagt er.

Der gelernte Chemielaborant aus Zagreb schaffte mit der deutschen Handball-Nationalmannschaft am 5. Februar 1978 gegen den haushohen Favoriten Sowjetunion das, was dem Fußball 1954 beim Wunder von Bern gelang. Die Bilder nach dem sensationellen 20:19-Endspielsieg gingen um die Welt. Stenzel wird von seinen Spielern und den Fans auf den Schultern durch die Bröndby-Hall getragen. Auf seinem damals schon gelichteten Haupt sitzt eine goldene Pappkrone – sie machte ihn zum „König“ Vlado von Kopenhagen. Der Kontakt zwischen Trainer und Weltmeister-Mannschaft ist nicht abgerissen: Am 4. Februar steigt wieder das alljährliche Treffen in der Nähe von Aschaffenburg.

Nur keine Kreuzworträtsel

Ansonsten ist es schon lange ruhig geworden um Stenzel, den bereits beim Gold-Triumph mit der jugoslawischen Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 in München die Aura des Gurus umwehte. „Ich fühle mich fit – körperlich und geistig. Ich muss nicht mit Kreuzworträtseln gegen Demenz ankämpfen“, sagt er und lacht laut. Einmal im Monat fliegt er nach Sibenik/Dalmatien und führt ein Fördertraining für junge Handballer durch. Bundesligaspiele schaut er sich in den Hallen in Hüttenberg, Wetzlar und Ludwigshafen an. Zweitligist SG BBM Bietigheim nennt er seinen „Lieblingsverein“. Das liegt an Trainer Hartmut Mayerhoffer. Er war einst beim VfL Günzburg sein Spieler. „Wir tauschen uns regelmäßig aus, Hartmut ist ein klasse Trainer“, sagt Stenzel.

Auch Bundestrainer Christian Prokop hält er durchaus für einen guten Mann. Aber man dürfe nicht vergessen: „Der junge Mann lernt doch jetzt erst seinen Job.“ Worüber sich Stenzel verwundert die Augen reibt, sind die ständigen Wechsel. „Man braucht eine Stamm-Sieben. Eingespielt zu sein ist im Handball viel wichtiger als im Fußball.“ Das viele Experimentieren stört ihn auch an der kroatischen Mannschaft. Ansonsten freut er sich, dass vier Teams aus dem ehemaligen Jugoslawien die EM-Hauptrunde erreicht haben. Woran das liegt? „Es wird schon in frühester Jugend sehr, sehr gut trainiert. Und das täglich“, betont Stenzel.

Gewagte Regeln

Und dann kommt er noch auf sein Lieblingsthema: Die Handballregeln. Man könne den Sport noch dynamischer, noch schneller, noch spannender machen. Doch seine Ideen sind – vorsichtig ausgedrückt – gewagt. Stenzel-Vorschlag eins: Für eine Mannschaft, die ein Spiel höher als mit fünf Toren Unterschied gewinnt, fordert er einen Bonuspunkt, für den unterlegenen Gegner einen zusätzlichen Minuszähler. Auch Vorschlag zwei dreht sich darum, dem Spiel bei klaren Spielständen einen Kick zu geben: Tore, die aus über neun Metern erzielt werden, zählen doppelt und machen damit eine Aufholjagd eher möglich. „So oder so – ich liebe diesen großartigen Sport“, schwärmt Stenzel. Der Handball hat ihn nicht reich gemacht – doch er saugt ihn immer noch auf.