Handball-Bundestrainer Martin Heuberger hält den Daumen hoch für Deutschland. Foto: dpa

Das neue deutsche Handball-Hoch trägt seinen Namen. Mit einem Sieg im WM-Viertelfinale an diesem Mittwoch (19 Uhr/ARD) gegen Spanien könnte Bundestrainer Martin Heuberger auch die schärfsten Kritiker und Zweifler von seinen Qualitäten überzeugen.

Saragossa - Bei dem Mann mit Walrossbart war alles ganz anders. Heiner Brand zog die Blicke und die Autogrammjäger magisch an. Wenn Martin Heuberger (48) bei den Heimspielen von Frisch Auf Göppingen auftaucht, dann sitzt er fast unerkannt in der letzten Reihe in Block C. Meistens zwischen Nada Petkovic, der Frau des Göppinger Trainers, und Monsieur Handball, Bernhard Kempa. Heuberger genießt diese Zuschauerrolle. Seine Gesichtszüge sind dann entspannt, die Hände ruhig. Kein Vergleich zu seinen oft ungelenken Auftritten als Bundestrainer an der Seitenlinie: Dann zittern seine Hände. Sie wandern unruhig hin und her. Seine Bewegungen wirken ungelenk, fahrig, nervös. „Steckt er mit dieser Hektik nicht seine Spieler an?“, fragen die Kritiker und Zweifler. Heuberger verfügt über keinen seelischen Panzer, der alle Kritik abperlen lässt. Aber er reagiert darauf nach außen mit demonstrativer Gelassenheit. Innerlich, so hat sein Vorgänger Brand verraten, hat er es als „Unverschämtheit“ empfunden.

Auch die Spieler halten die Diskussion für abwegig. „Er war immer so. Das ist seine Persönlichkeit, das ist in ihm drin“, sagt Rechtsaußen Patrick Groetzki. Und Armin Emrich, Heubergers Ziehvater, Mentor und zehn Jahre lang sein Trainer beim TuS Schutterwald, kann nur den Kopf schütteln: „Gott sei Dank lebt Martin im Spiel mit. Jeder Trainer muss doch authentisch sein. Und es ist doch offensichtlich, dass sich die Spieler für ihn zerreißen.“ Nicht zum ersten Mal. Auch als Junioren-Trainer hatte Heuberger eine Atmosphäre geschaffen, die 2009 und 2011 zu zwei WM-Titeln führte. „Bei ihm darf man Fehler machen, und er baut einen mit klar strukturierten Ansagen wieder auf“, weiß der Balinger Linkshänder Kai Häfner, der 2009 im Weltmeisterteam stand.

Auch die aktuelle Mannschaft hat mit ihren Auftritten schon viel für das angekratzte Image des Handballs getan. Sie spielt unbekümmert auf, verteidigt mit viel Herz, bewahrt taktische Disziplin und Ruhe in den entscheidenden Situationen. Das alles spricht für den Trainer. Auch sein Mut, den Umbruch konsequent durchzuziehen und bei dieser WM die jungen Spieler auf dem Feld zu lassen, selbst wenn es eng wird, hat Heuberger viel Respekt eingebracht. Der ehemals loyale Assistent von Heiner Brand hat sein Profil geschärft. Er löst sich langsam aus dem Schatten der Handball-Ikone.

Nicht die Welt neben dem Sport vernachlässigt

Heuberger besitzt nicht die Aura von Brand. Schon gar nicht irgendwelchen Glamour. Heuberger ist akribisch, seriös, glaubhaft. Er ist ein stiller Arbeiter, der es anderen überlässt, flotte Sprüche zu klopfen. Wahrscheinlich liegt das auch in seiner Vita begründet. Er ist im 7000-Einwohner-Ort Schutterwald geboren. Dort, in der südbadischen Provinz, lebt er noch heute mit seiner Frau Beate sowie den beiden Söhnen Felix (23) und Tim (21). Sein Uropa war Briefträger im Ort und kündigte die Post noch mit einer großen Klingel an. Ihm hat Heuberger den Spitznamen „Bott“ zu verdanken. Der Bote leistet wertvolle Dienste. Und diese Zuverlässigkeit zieht sich durch seine bisherige Karriere. „Auf Martin konnte ich mich immer verlassen. Er ist zu 100 Prozent loyal und hat großes Geschick im Umgang mit Menschen“, lobt ihn Übervater Brand, der von 2004 bis 2011 mit ihm im Duo zusammenarbeitete.

Schon davor hatte Heuberger konsequent an seiner Karriere gefeilt. Als Spieler stieg der frühere Kreisläufer – sein Neffe Christian spielt auf der gleichen Position beim Zweitligisten SG BBM Bietigheim – ins A-Nationalteam auf. „Martin war stets mit absoluter Hingabe am Ball“, weiß Emrich. Das Besondere daran: Obwohl Heuberger einer ist, der vom Handball so wenig lassen kann wie ein Junkie von der Droge, vernachlässigte er dabei nicht die Welt neben dem Sport. Er erlernte die Berufe Bauzeichner und Diplom-Verwaltungswirt – erst 2011 stellte ihn das Landratsamt des Ortenaukreises für weitere drei Jahre vom Beamtendienst frei. 2014 endet sein Vertrag beim DHB.

Jetzt steht er vor dem bisher größten Spiel in seiner anderthalbjährigen Amtszeit. Das WM-Viertelfinale an diesem Mittwoch (19 Uhr) in Saragossa gegen Gastgeber Spanien verdrängt sogar die „Tagesschau“. Das ARD-Nachrichtenflaggschiff flimmert in verkürzter Form in der Halbzeitpause über den Bildschirm. Die öffentlichkeitswirksame Sendezeit freut den Deutschen Handball-Bund (DHB): „Das ist natürlich toll, dass wir zu Hause so eine Begeisterung ausgelöst haben. Wir wollen weiter Werbung für unsere Sportart machen“, sagt DHB-Vizepräsident Horst Bredemeier.

Martin Heuberger hat am neuen deutschen Handball-Hoch großen Anteil. Dreht er mit seinem Außenseiterteam gegen den WM-Dritten das Überding und eine deutsche Männer-Nationalmannschaft zieht erstmals seit der EM 2008 wieder in ein Halbfinale ein, dann hätte Heuberger auch seine allerletzten Kritiker und Zweifler von seinen Qualitäten überzeugt. Und das ohne markanten Walrossbart.