Isabell Roch, Handballerin bei Dortmund, trägt für eine Protestaktion Bart. Foto: Instagram/Isabell Roch

Wegen der Corona-Krise wurde in der Handball-Bundesliga der Frauen kein Meister gekürt. Die Spielerinnen von Borussia Dortmund fühlen sich diskriminiert – doch nicht alle Teams sehen das so.

Stuttgart - Bei diesem Foto der Torhüterin der deutschen Nationalmannschaft Isabell Roch wird man stutzig, denn die hübsche Handballerin trägt Bart. Auch ihre Teamkolleginnen bei Borussia Dortmund sind mit diesem männlichen Gesichtsschmuck abgebildet. Was soll das?

Mit der Aktion will die Frauenmannschaft des BVB gegen den Abschluss der Handball-Bundesliga protestieren. Anders als bei den Männern, wo der THW Kiel sich mit vier Punkten Vorsprung auf die SG Flensburg-Handewitt als Meister feiern darf, wurde bei den Frauen die Saison ohne Meistertrophäe und Absteiger beendet.

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Beim Tabellenführer Borussia Dortmund ist man deshalb wütend. Im sozialen Netzwerk Instagram posteten die BVB-Spielerinnen Porträt-Fotos mit montierten Bärten und schrieben: „Wäre ich ein Mann, wäre ich jetzt deutscher Meister.“ Dortmunds Handball-Abteilungsleiter Andreas Heiermann beklagte in den „Ruhr Nachrichten“ eine Diskriminierung der Frauen: „Wenn man bei den Männern einen Meister kürt und bei den Frauen nicht, dann habe ich da unterschiedliche Wertschätzungen der Sache. Und wenn ich die habe, dann habe ich da eine Diskriminierung von Frauen.“

Bietigheimerinnen machten sich Hoffnung auf den Titel

Die Vorgehensweise der HBF begründete Andreas Thiel, Vorstandschef der Handball-Bundesliga der Frauen, mit der Verbandsautonomie. Es habe lediglich eine Empfehlung des DHB-Bundesrates angesichts der aktuellen Situation gegeben. Die HBF hatte die Entscheidung auch damit begründet, dass bei den Frauen wie bei den Männern noch fast ein Drittel der Saison zu spielen war. Die SG BBM Bietigheim lag nur einen Punkt hinter Dortmund. Das Hinspiel hatte der BVB mit 38:32 gewonnen, im April hätten die Bietigheimerinnen den Kontrahenten in heimischer Arena empfangen. „Die Halle wäre knackevoll gewesen und wir hätten das Momentum auf unserer Seite gehabt“, ist sich SG-Geschäftsführer Torsten Nick sicher. In Bietigheim trägt man die Entscheidung der Liga mit. Eine Benachteiligung der Frauen gegenüber den Männern kann Nick dabei nicht erkennen: „Ich hätte mir als Sportler so einen Meistertitel am Grünen Tisch nicht gewünscht. Das fühlt sich nicht echt an.“

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Ferenc Rott, Geschäftsführer der TuSsies Metzingen, springt Nick zur Seite: „Ich finde die Entscheidung der HBF zu 100 Prozent richtig, denn in einer abgebrochenen Saison kann man keinen Meister küren.“ Und wer das tue, müsse Absteiger benennen. Er verstehe die Dortmunder Enttäuschung, verweist allerdings darauf, dass die Borussen sich das Recht erspielt haben, die deutsche Frauenliga in der Champions League zu vertreten. „Das ist auch eine Belohnung für ihre Leistungen“, sagt Rott. Für Dortmund wesentlich ungünstiger wäre eine Regelung, die in anderen europäischen Ligen greift, sagt Aleksandar Knezevic, Trainer und Geschäftsführer bei den Frauen von Frisch Auf Göppingen: „In Ungarn beispielsweise wurde die Saison annulliert und die Tabelle der Vorsaison genommen.“ Dann lägen die Borussinnen nur auf Platz sieben.

Entscheidung der Frauen-Liga fiel nicht einstimmig aus

Auch Knezevics Mannschaft respektiert die Entscheidung in der schwierigen Situation. Eine Diskriminierung der Frauen sieht niemand. BVB-Präsident Reinhard Rauball ist indes weiterhin der Meinung, es gebe „keine sportlichen Argumente für diese Entscheidung“. Laut des Vorstandsvorsitzenden Andreas Thiel sei das Votum im HBF-Präsidium „nicht einstimmig“ gefallen. „Wem diese Entscheidung nicht gefällt, der kann gerne sportgerichtlich dagegen vorgehen“, entgegnete Thiel in der „Süddeutschen Zeitung“. Andreas Heiermann lässt nicht locker: „Die HBF hat als einzige Liga aus der Handball-Familie gegen die Empfehlung des DHB so entschieden. Ich bin fassungslos.“