Der Beste im österreichischen Handball-Team: Nikola Bilyk Foto: imago//Luka Stanzl

Die Sportart Handball spielt in der öffentlichen Wahrnehmung in Österreich kaum eine Rolle. Ein Sieg gegen das deutsche Team könnte das ändern – zumindest vorübergehend.

Wien - Die Begrüßung wird wieder herzlich sein, wenn sich Axel Kromer und Patrick Fölser an diesem Montag in der Wiener Stadthalle beim EM-Duell Österreich gegen Deutschland begegnen. Kein Wunder: Sie stiegen 2002 gemeinsam mit dem VfL Pfullingen in die Bundesliga auf, sie waren beide Kreisläufer und bekleiden nun das fast gleiche Amt bei einem Verband. Fölser ist Sportdirektor des Österreichischen Handballbundes, Kromer Sportvorstand des Deutschen Handballbundes. Das war es dann aber auch mit den Parallelen. Denn sie finden völlig verschiedene Voraussetzungen vor.

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Das zeigen schon die nackten Zahlen: Kromer ist bei einem Verband mit knapp 750 000 Mitgliedern tätig, in dem es etwa 4200 Vereine mit rund 22 000 Mannschaften gibt. In Österreich gibt es gerade mal 22 000 Menschen, die überhaupt Handball spielen – in nur 120 Vereinen. In Österreichs höchster Spielklasse, in der zehn Vereine spielen, sind die Clubs in Vorarlberg mit 1000 bis 1200 Fans pro Partie Zuschauerkrösus. Ansonsten verlieren sich 300 bis 500 Besucher bei den Erstligaspielen. Zum Vergleich: Zu den Begegnungen in der deutschen Bundesliga strömen im Schnitt 4800 Zuschauer. „Das alles zeigt doch, dass es eine Rivalität im Handball zwischen Deutschland und Österreich eigentlich gar nicht gibt, dafür liegen wir einfach zu weit auseinander“, sagt Fölser.

Was nichts daran ändert: Das Nachbarschaftsduell an diesem Montag (20.30 Uhr/ARD) wird für Austria zum Spiel des Jahres.

Ein Hype nach starker Vorrunde

Nach der bärenstarken Vorrunde des Teams sei ein „Hype entstanden“, sagt Fölser, der seit September 2018 im Amt ist. In der Innenstadt von Wien deutet zwar wenig bis gar nichts auf eine EM-Euphorie hin, doch in der Stadthalle machen die heimischen Fans mächtig Stimmung – für österreichische Verhältnisse. Denn der bundesligaerprobte Austria-Nationalspieler Robert Weber relativierte nach dem 26:30 gegen Spanien: „Heimvorteil? Hm. Also, wenn ich in die Halle schaue, sehe ich sehr viel mehr deutsche und kroatische Flaggen.“

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Fölser weiß um die Schwierigkeit, den Handball in seinem Heimatland zu pushen. Während der EM zieht der Fernsehsender ORF gut mit, ansonsten ist die Sportart medial unterrepräsentiert. Weshalb selbst ein Star wie Nikola Bilyk, der in der Bundesliga beim deutschen Rekordmeister THW Kiel spielt, für die breite Öffentlichkeit ein Unbekannter ist. „Wir sind eben ein sehr wintersportlastiges Land. Dort haben wir Weltmeister und Olympiasieger. Es ist kaum vorstellbar, welche Präsenz die Wintersportler in Österreich haben. Dahinter folgen Fußball und Tennis mit Dominic Thiem“, sagt Fölser. Er will diese EM und natürlich speziell das Spiel gegen Deutschland nutzen, um den Handball ins Schaufenster zu stellen, um neue Freunde für die Sportart zu gewinnen.

Kitzbühel stiehlt dem Handball die Show

Da ist nicht gerade ein gutes Timing, dass ausgerechnet während der EM das Hochamt des österreichischen Wintersports, das spektakuläre Skirennen in Kitzbühel über die Bühne geht. Natürlich ist es das Medienthema Nummer eins. Im „Kurier am Sonntag“ kommt Handball versteckt auf Seite vier des Sportteils.

Fölser kämpft weiter um einen höheren Stellenwert seiner Sportart. „Das österreichische Sportpublikum ist eventorientiert, und es will begeistert werden. Da muss eine Mannschaft sein, die alles gibt. Es braucht keine Top-Helden wie im Skifahren. Aber eine Einheit, die sich zerreißt“, sagt Fölser. Und genau diese Tugenden zeigt seine Mannschaft bei dieser EM. Bestimmt auch am Montag gegen Deutschland.