Handball-WM in Katar: Der große Wurf? Foto: Pressefoto Baumann

Im Handball-Team von Katar spielen etliche Stars, aber nur vier Einheimische – Für jeden Sieg gibt es pro Spieler 100 000 Euro Prämie

Doha - Goran Stojanovic ist weit herumgekommen in seiner Karriere als Handballer. Unter anderem spielte er für den VfL Pfullingen und die Rhein-Neckar Löwen. Der Torwart verdiente nicht schlecht in dieser Zeit, doch ausgesorgt hat er erst jetzt. Stojanovic, ein gebürtiger Montenegriner, ist Torwart des Nationalteams von Katar. Ein Problem hat er damit nicht. Ganz im Gegenteil. „Handball ist mein Job“, sagt Stojanovic (37), „ich muss versuchen, so viel wie möglich damit zu verdienen.“

Das klappt ganz gut in Katar. Und bei dieser WM. Seit Juli 2014 ist Stojanovic bei Al-Jaish SC unter Vertrag. Ein Spiel absolviert hat er noch nicht für den katarischen Club und dennoch rund 30 000 Euro pro Monat eingestrichen. Seine Zeit verbringt Stojanovic entweder in Europa bei seiner Familie oder bei den Lehrgängen des Nationalteams, das sich acht Monate gemeinsam auf die WM vorbereitet hat. Auch dies zahlt sich aus. In sportlichem Erfolg. Und in barer Münze. In der Vorrundengruppe A schaffte Katar vier Siege, dann folgte der fünfte im Achtelfinale gegen Österreich. Für jeden dieser Erfolge gab es angeblich 100 000 Euro – pro Mann!

Dabei ist Stojanovic nur einer von vielen Söldnern in der Truppe. Lediglich vier Spieler aus Katar stehen im Team, das sich an diesem Mittwoch (16.30 Uhr/Sky) im Viertelfinale gegen Deutschland die nächste fette Prämie sichern will. Stojanovic bildet mit dem Serben Danijel Saric ein Torhüter-Gespann der Extraklasse, doch Geld verhindert nicht nur Gegentreffer, es schießt auch Tore: Für Katar treffen der gebürtige Kubaner Rafael Capote, der Montenegriner Zarko Markovic (früher Frisch Auf Göppingen), der Franzose Bertrand Roiné, der Spanier Borja Vidal Fernández oder der Bosnier Eldar Memisevic.

Gelenkt wird das Team von einem der erfolgreichsten Trainer der Welt: Valero Rivera holte nicht nur mit dem FC Barcelona Titel auf Titel, er führte Spanien 2013 auch zum WM-Triumph im eigenen Land. Für sein Engagement am Persischen Golf streicht er angeblich eine Millionensumme ein. Kein Wunder, dass er sagt: „Nach Katar zu gehen war die beste Entscheidung meines Lebens.“

Das hat allerdings nicht nur mit dem Verdienst zu tun. Valero hat freie Hand bei allen Entscheidungen. Egal, wohin er ins Trainingslager will, egal, wen er in sein Trainerteam holen möchte, egal, wen er gerne noch einbürgern würde – ihm werden alle Wünsche erfüllt. Egal, was es kostet.

Kritik an seiner Internationalmannschaft lässt Rivera kalt. Schließlich nutzt Katar nur die Regeln aus. Der Handball-Weltverband IHF erlaubt Spielern, nach drei Jahren ohne Länderspiel für eine andere Nationalmannschaft aufzulaufen. Keiner hat diese Regel so gelebt wie Siarhei Rutenka. Der Weißrusse spielte zunächst für sein Heimatland, dann für Slowenien, Spanien und schließlich wieder für Weißrussland. Im Fußball ist dies undenkbar: Wer ein Pflichtspiel für eine A-Nationalelf bestritten hat, darf anschließend nicht mehr für ein anderes Land auflaufen.

An diese Regel denken jene, die nun die Einkaufspolitik Katars kritisieren. „Das muss geändert werden“, fordert Ex-Welthandballer Daniel Stephan. „Es tut mir im Handball-Herzen weh, dass so etwas möglich ist“, sagt der schwedische Kapitän Tobias Karlsson. Und der Spanier Joan Canellas meint: „Das Problem ist, dass es keine Regel gibt, die so etwas verbietet.“ Von den deutschen Funktionären sind derartige Sätze nicht zu hören. Das liegt daran, dass das Duell gegen Katar auch so schon brisant genug ist. Aber auch daran, dass man diese Regel früher selbst genutzt hat – Oleg Velyky (Ukraine) absolvierte ebenso wie Bogdan Wenta (Polen) Länderspiele für Deutschland, Andrej Klimowets (Weißrussland) wurde 2007 unter Heiner Brand gar Weltmeister.

Ob es die Mannschaft Katars auch so weit bringt? Es ist nicht gänzlich auszuschließen. Der Titel dieses Wüstenmärchens läge dann auf der Hand: „Der gekaufte Erfolg“.